Die Universitätsgeschichtsschreibung hat sich in den letzten drei Jahrzehnten zu einer vielgestaltigen Forschungslandschaft entwickelt, die von hohen Publikationszahlen, Institutionalisierung und methodisch-theoretischen Differenzierungen geprägt ist. Die Geschichte Technischer Hochschulen und Universitäten (TH/TU) spielt in diesem Rahmen bislang eine untergeordnete Rolle. Zwar wurden – ähnlich wie bei der allgemeinen Universitätsgeschichte – häufig anlässlich von Gründungsjubiläen innovative Arbeiten zu verschiedenen Hochschulstandorten vorgelegt, übergreifende Darstellungen und dezidiert programmatische Ansätze zur TH/TU-Geschichte sind hingegen selten.

Die Ringvorlesung soll helfen, diese Lücke zu schließen, und das Verhältnis zwischen "klassischer" Universitätsgeschichte und TH/TU-Geschichte ausloten. Erstens gilt es, den Gründen für die häufige Trennung beider Forschungsstränge nachzugehen. Zweitens soll geprüft werden, wie das bereits entwickelte methodische Instrumentarium der Universitätsgeschichte für die Erforschung von THs/TUs transponiert werden kann. Zahlreiche organisatorische, soziale und funktionale Aspekte beider Institutionsgefüge sind wesensverwandt, zugleich sind Unterschiede etwa in der Anwendungsbezogenheit der Wissenschaften festzustellen. Drittens ist nach eigenständigen Spezifika der Geschichte von THs/TUs zu fragen.

Vor allem die Entwicklungsgeschichte vieler THs/TUs von lokalen Spezial-Instituten zu den mit Promotions- und Habilitationsrecht ausgestatteten heutigen Bildungsstätten, die häufig auch nicht-technische Fakultäten umfassen, macht es möglich, institutionalisierungsgeschichtlichen Parallelen und Divergenzen nachzugehen. Spannungsfelder aus Differenz und Kongruenz eröffnen sich auch in systemischen Fragestellungen etwa zum Verhältnis zu gesellschaftlichen Teilbereichen wie Politik, Industrie und Wirtschaft oder bei der "Verortung" von THs/TUs in der Wissenschaftslandschaft in ihren nationalen, internationalen und auch (post-)kolonialen Bezügen. Dies gelingt häufig erst unterstützt durch lokalgeschichtliche und personengeschichtliche Perspektiven. Ein studentengeschichtlicher Zugang kann zudem Erkenntnisse über (Aus-)Bildungswelten eröffnen und an professionsgeschichtliche Forschung, z.B. zum Ingenieur-Beruf anknüpfen.

Durch diese und weitere Ansätze soll durch die Ringvorlesung ein methodisch-theoretisches Instrumentarium zur multiperspektivischen Erforschung von Hochschulgeschichte erarbeitet werden. Zugleich wird ein Beitrag geleistet für eine umfassende Erforschung des vielfach durchlässigen Wissenschaftssystems aus (Technischen) Universitäten, außeruniversitären öffentlich finanzierten Forschungseinrichtungen und privatwirtschaftlich organisierten Forschungs- und Entwicklungseinheiten.

Die Vorträge finden donnerstags, 15:45 Uhr, statt.