Die Tagung „Winckelmann and His Passionate Followers“ möchte im Jubiläumsjahr (250. Todestag Winckelmanns am 9. Juni 2018) dem durch mehrere aktuelle Veröffentlichungen und die Ausstellung „Winckelmann – Das göttliche Geschlecht“ im Schwulen Museum in Berlin (2017) neu angestoßenen Diskurs um Winckelmanns von ihm selbst nie verhehlte Homosexualität nachspüren. Über den biografischen Zugriff hinaus soll hinterfragt werden, inwieweit sich die Geistes- und Kulturwissenschaften unter Winckelmanns Einfluss für eine „queere“ Lesart der Antike öffneten und ein Bild idealer Männlichkeit generierten, das zugleich belehrend und begehrenswert war. Die Queer und Gender Studies bieten hier lohnende Ansätze. Zentrale These der Tagung ist, dass gerade die Archäologie einem international agierenden Netzwerk von Gelehrten und Sammler_innen neue Möglichkeiten eröffnete, einen gleichsam unter der Oberfläche wirksamen Diskurs abseits traditioneller Geschlechterrollen zu entfalten und die erotologische Praxis auf das Gebiet des Antikenstudiums auszuweiten. Im Mittelpunkt stehen die Erotik des Begehrens als Trieb des Forschens, des Sammelns und der künstlerischen bzw. literarischen Produktionen. Dabei sollen sowohl die Zeitgenossen Winckelmanns als auch seine „Passionate Followers“ bis heute behandelt werden, jene kulturelle Elite aus teilweise offen ihre gleichgeschlechtlichen Neigungen auslebenden Archäologen und Mäzenen, Sammler_innen, Literaten und Künstler_innen, die in der Aneignung der (griechischen) Antike das Potenzial zu einem ästhetischen und gesellschaftlichen Neuanfang sahen.
Das Museum August Kestner bot sich als zentraler Tagungsort nicht nur durch seine einzigartig-vielfältigen Sammlungsbestände ägyptischer, antiker und kunstgewerblicher Objekte an, sondern auch durch die Gestalt des Sammlungsgründers August Kestner (1777–1853), der 36 Jahre in Rom gelebt hat und wahrlich ein „Passioante Follower“ Winckelmanns war. Zweiter prominenter Tagungsort ist das Roemer- und Pelizaeus-Museum in Hildesheim mit seiner weltweit bedeutenden Ägyptensammlung.
Die Beiträge verteilen sich auf folgende Sektionen:
- Homosexualität(en) in den antiken Kulturen und ihr Nachleben heute
- Archäologie und Erotologie als kulturelle Praxis
- Agenten des Geschmacks : Winckelmanns Zeitgenoss_innen
- Institutionalisierung der Archäologie, Musealisierung der Antike
- Queere Lesarten: Winckelmanns Nachleben in den bildenden Künsten und in der Literatur
- LGBT-Forscher in den Altertumswissenschaften und der Kunstgeschichte
Die Fachtagung ist gezielt interdisziplinär und international angelegt. Beiträge im Spektrum von einem allgemein-theoretischen Überbau bis zu Case Studies zu markanten Persönlichkeiten sind erwünscht. Der Call for Papers wendet sich an Forscher_innen aller Disziplinen: Klassische Archäologie, Ägyptologie, Kunst- und Bildgeschichte, Gender Studies, Geschichte und deren verwandte Teildisziplinen (Sozialgeschichte, Mediengeschichte), Vergleichende Literaturgeschichte.
Beiträge und Einsendungen sind in den Sprachen Englisch, Deutsch und Französisch möglich. Ihren Themenvorschlag in Form eines Abstracts (max. 1.000 Zeichen) sowie einen kurzen CV reichen Sie bitte bis spätestens 28.5.2018 per E-Mail ein.