Die Analyse der Quellen über die Entnazifizierung der Hochschulen in der Steiermark macht die Ambivalenz des Mai 1945 für die österreichischen Hochschulen zwischen Neubeginn und Kontinuität evident. Zwar bemühten sich die österreichischen Universitäten nach dem Ende der NS-Herrschaft eine „Stunde null“ zu proklamieren, die sich jedoch auf Grund von verschiedensten Interessen einzelner Akteur/innen ebenso wie der Notwendigkeit den Forschungs- und Lehrbetrieb aufrechtzuerhalten alsbald als illusorisch erweisen sollte. Unter der Prämisse, dass die Universitäten einen wichtigen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen, avancierten Fragen nach personellen wie auch inhaltlichen Neuorientierungen – früher oder später – zum vieldiskutierten Politikum. Der ambivalente und inkonsistente Prozess des demokratischen Neubeginns und der Entnazifizierung sollte letztlich die Hochschulen über Jahrzehnte bis in die Gegenwart prägen.
Auf Basis eines am Centrum für Jüdische Studien seit 2017 laufenden Forschungsprojektes zur „Entnazifizierung“ der Grazer Hochschulen möchte das Symposion die Projektergebnisse zur Steiermark zur Diskussion stellen und mit anderen Universitäten in Österreich und Deutschland in Beziehung setzen. Im Zentrum des Interesses steht neben der Einordnung der Grazer Situation in einen österreichischen und deutschen Kontext vor allem die Frage nach den Strategien und Handlungsspielräumen von Akteur/innen, Institutionen und Netzwerken.
Konkrete Fragestellungen werden sein:
- Inwieweit kamen die einzelnen Universitätsstandorte der Forderung nach Entnazifizierung und Demokratisierung nach? Welche institutionellen, personellen und inhaltlichen Konsequenzen hatte die Forderung nach Entnazifizierung? (Ab wann) Kann von einer erfolgreichen Entnazifizierung gesprochen werden?
- Welche Handlungsspielräume hatten Akteur/innen? Welche (Argumentations)Strategien sind erkennbar? Welche Netzwerke wurden mobilisiert und erwiesen sich als nützlich?
- Unter welchen Vorzeichen bildete sich die „neue“ Studierenden- und Lehrendengeneration? Und explizit: Was bedeutete die Entnazifizierung für Wissenschaftlerinnen? Was für Studentinnen?
- Welche überregionalen und internationalen Akteure beeinflussten die Prozesse der Entnazifizierung und Demokratisierung der Universitäten?
- Inwiefern kann die Entnazifizierung der österreichischen Hochschulen im Kontext des Kalten Krieges, Marshallplans sowie des globalen Austauschs von Wissenschafter/innen gesehen werden?
- Wie gestaltete sich der erinnerungspolitische Umgang der Universitäten mit ihrer spezifischen NS-Geschichte? Welche Erinnerungsinitiativen und -projekte gibt es?
Forschende unterschiedlicher Disziplinen sind dazu eingeladen ein Abstract (max. 300 Worte und Kurzbiografie) bis 30. Jänner 2019 an susanne.korbel@uni-graz.at und gerald.lamprecht@uni-graz.at zu senden.
Das Symposion findet von 16. bis 17. Mai 2019 an der Karl-Franzens-Universität Graz statt. Die Organisator/innen bemühen sich um die Übernahme der Reise- und Aufenthaltskosten aller Vortragenden.