Transformation einer Volkswirtschaft: Neue Perspektiven auf die Geschichte der Treuhandanstalt
Workshop, 31. Januar/1. Februar 2019, Institut für Zeitgeschichte München – Berlin, Abteilung Berlin, Finckensteinallee 85/87, 12205 Berlin
Mit den beiden Staatsverträgen vom 18. Mai bzw. 31. August 1990 wurden das westdeutsche Wirtschafts- und Sozialsystem sowie die Verfassungsordnung in den ostdeutschen Bundesländern übernommen. In der Forschung ist mittlerweile unstrittig, dass der damit einhergehende Umbruch in Deutschland von einer „doppelten Transformation“ geprägt wurde, in der einigungsbedingte Probleme und globale Veränderungen des Wirtschafts- und Finanzsystems sich überlagerten und gegenseitig verschärften. So erfolgte die Transformation Ostdeutschlands nicht nur nach westdeutschem Vorbild, sondern auch unter den Bedingungen einer weltweit vernetzten Wirtschaft, die ihrerseits den Westen unter Reformdruck setzte. In dem Zusammenhang spielten die wirtschaftsliberal bzw. „neoliberal“ geprägten Debatten über den Wirtschaftsstandort Deutschland in den 1980er Jahren eine wichtige Rolle. Die Vorstellung einer quasi nachholenden Modernisierung in den ostdeutschen Bundesländern nach 1990 greift allerdings zu kurz, da sich die Bundesrepublik als Zielgröße selbst veränderte.
Im Mittelpunkt der Transformationsprozesse nach 1990 stand zweifellos die Privatisierung der ostdeutschen Wirtschaft, die zu einer radikalen Veränderung der Eigentums- und Produktionsverhältnisse auf dem Gebiet der ehemaligen DDR führte. Die dabei erfolgte Veräußerung von öffentlichem beziehungsweise staatlichem Eigentum ist beispiellos in der Geschichte moderner Industriegesellschaften. Die Transformation von der Planwirtschaft sozialistischen Typs zur sozialen Marktwirtschaft in nur wenigen Jahren erfolgte nicht nach einem kohärenten Masterplan und war von zahlreichen Faktoren abhängig. Die Treuhandanstalt – von DDR-Bürgerrechtlern ursprünglich zur treuhänderischen Verwaltung des Volkseigentums ins Leben gerufen – nahm dabei eine wichtige Rolle ein, denn sie wurde ab dem 1. März 1990 Eigentümerin der volkseigenen Betriebe und damit verantwortlich für rund vier Millionen Beschäftigte. Schon bald diente sie als Privatisierungsbehörde und fungierte in diesem Zusammenhang als „Zwischeneigentümerin“ beziehungsweise als „Auktionsbörse und Industrieministerium“.
Vor dem Hintergrund der Öffnung neuer, umfangreicher Quellenbestände möchte der Workshop erstens Struktur und Arbeitsweise der Treuhandanstalt und deren Stellung im politischen Kräftefeld der Bundesrepublik untersuchen, zweitens die unterschiedlichen Wirtschaftskonzepte beleuchten, drittens die Aktivitäten der Treuhandanstalt an ausgewählten Beispielen analysieren und viertens die Folgen der Privatisierungspolitik in den Blick nehmen. Auf diese Weise sollen erste vorläufige und empirisch fundierte Antworten auf die Frage nach dem historischen Ort der Treuhandanstalt in der Geschichte der Berliner Republik geliefert werden.
Aufgrund begrenzter Platzkapazitäten wird um schriftliche Anmeldung bis spätestens 18. Januar 2019 per Email (berlin@ifz-muenchen.de) gebeten.