Das Ende der Anstalt? Stationäre Großeinrichtungen, öffentliche Kritik und Deinstitutionalisierung seit den 1970er Jahren

Das Ende der Anstalt? Stationäre Großeinrichtungen, öffentliche Kritik und Deinstitutionalisierung seit den 1970er Jahren

Veranstalter
Franz-Werner Kersting / Malte Thießen, LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte; Marc von Miquel, Dokumentations- und Forschungsstelle der Sozialversicherungsträger - sv:dok; Wilfried Rudloff, Akademie der Wissenschaften und Literatur Mainz / Universität Kassel
Veranstaltungsort
LWL-Landeshaus, Freiherr-vom-Stein-Platz 1, 48147 Münster
Ort
Münster
Land
Deutschland
Vom - Bis
14.03.2019 - 15.03.2019
Deadline
07.03.2019
Von
Malte Thießen, LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte

Das Ende der Anstalt? Stationäre Großeinrichtungen, öffentliche Kritik und Deinstitutionalisierung seit den 1970er Jahren

Öffentliche Tagung am 14. und 15. März 2019 im LWL-Landeshaus in Münster

Seit den 1960er Jahren standen Anstalten zunehmend in der Kritik: Sie galten als starres Instrument der Sozialpolitik, als "totale Institutionen" und Widerspruch zu zeitgemäßen Lebensformen. "Deinstitutionalisierung" lautete das neue Paradigma. Der gesellschaftliche Umgang mit Hilfebedürftigen und "Randgruppen" sollte nicht länger der Eigenlogik eines "ghettoisierenden" Systems folgen, sondern individuellen Bedürfnissen, Rechten und Ansprüchen der Betroffenen Rechnung tragen. Seither entwickelten sich offene, integrative, gemeindenahe und selbstbestimmte Hilfeangebote und -formen.
Die Tagung spürt dieser Geschichte der Deinstitutionalisierung auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Feldern nach. Die Referentinnen und Referenten fragen nach den Entstehungsbedingungen, Widersprüchen und Beharrungskräften. Schließlich war der Wandel keine konfliktfreie Erfolgsgeschichte. Reformbedarf und -impulse trafen bei den Sozialleistungs- und Einrichtungsträgern auf Verdrängungsängste und Widerstände. Das Recht auf ein selbstbestimmtes Leben musste von den Betroffenen erst erstritten werden.
Der Wandlungsprozess wird daher durch einen multiperspektivischen Zugriff in den Blick genommen. Aus einer politik-, sozial- und kulturgeschichtlichen Perspektive sowie im regionalen und transnationalen Vergleich nehmen die Vortragenden die Heimerziehung und Jugendhilfe, die Versorgungsstrukturen für Menschen mit Behinderungen, das Feld der Psychiatrie sowie den Umgang mit Strafgefangenen und Suchterkrankten in den Blick. Damit bietet die Tagung erstmals einen systematischen Überblick und die Gelegenheit für einen intensiven Austausch über die Frage nach dem "Ende der Anstalt" seit den 1970er-Jahren.

Programm

Donnerstag, 14.03.2019

9.30 Anreise und Stehkaffee

10.00 Begrüßung
Matthias Löb (Direktor des Landschaftsverbands Westfalen-Lippe)
Thomas Keck (Erster Direktor Deutsche Rentenversicherung Westfalen)
Prof. Dr. Malte Thießen (LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte)

10.15 Einführung in die Tagung
Dr. Wilfried Rudloff (Kassel): Die Anstalt als Hilfe- und Lebensform und der Wandel der bundesdeutschen Gesellschaft

1. Sektion: "Heimerziehung und Jugendhilfe"
(Moderation: Prof. Dr. Malte Thießen, Münster)

10.50 Dr. Uwe Kaminsky (Bochum): Heimerziehung und Krise der Anstalt
11.35 Kaffeepause
11.55 Prof. Dr. Carola Kuhlmann (Bochum): Vom Heim zur sozialpädagogischen Lebensgemeinschaft – Konzeptionelle Reformen in der Erziehungshilfe nach 1970
12.40 Prof. Dr. Karsten Laudien (Berlin): Heimerziehung und Jugendhilfe in der DDR

13.25 Mittagspause

2. Sektion: "Versorgungsstrukturen für Menschen mit Behinderungen"
(Moderation: Prof. Dr. Heiner Fangerau, Düsseldorf)

14.40 Dr. Ulrike Winkler (Trier): Heime im Umbruch – Entgrenzungen und Schwellen
15.25 Jonas Fischer (M.A.) (Bochum): Die Selbstbestimmt-Leben-Bewegung – Heimkritik und ambulante Versorgungsstrukturen
16.10 Kaffeepause
16.30 Dr. Marc von Miquel (Bochum): Kritik an der Rehabilitation – Akteure und Handlungsfelder 1980er bis 2000er Jahre

19.00 Gemeinsames Abendessen

Freitag, 15.03.2019

3. Sektion: "Psychiatrische Versorgung"
(Moderation: Prof. Dr. Franz-Werner Kersting, Münster)

9.00 Prof. Dr. Hans-Walter Schmuhl (Bielefeld): Aufbrüche und Umbrüche. Die Psychiatriereform in den v. Bodelschwinghschen Anstalten Bethel in den 1970er/1980er Jahren
9.45 Dr. Christof Beyer (Heidelberg): Radikale Psychiatriekritik und die Transformation des Anstaltswesens
10.30 Kaffeepause
10.50 Dr. Jens Gründler (Münster): Antipsychiatrie und administrativer Pragmatismus. Anstaltsschließungen in Großbritannien Ende des 20. Jahrhunderts in der Praxis – das Beispiel Glasgow
11.35 Prof. Dr. Franz-Werner Kersting (Münster): Die "brutale Realität" sichtbar machen! Eine Fotodokumentation aus dem Westfälischen Landeskrankenhaus Warstein (1970)

12.20 Mittagspause

4. Sektion: "Umgang mit Devianz"
(Moderation: Dr. Wilfried Rudloff, Kassel)

13.30 Dr. Annelie Ramsbrock (Potsdam): (Un)Sinn der Strafanstalt. Alternative Konzepte der Freiheitsstrafe seit den 1970er Jahren
14.15 Sebastian Haus (M.A.) (Marburg): "Helfender Zwang?" Zum behördlichen Umgang mit Heroinabhängigen in Frankfurt am Main, 1975-1985
15.00 Kaffeepause
15.20 Dr. Christoph Wehner (Bochum): Vom stationären Dogma zum flexiblen Versorgungssystem? Wandlungsprozesse in der Rehabilitation von Abhängigkeitskranken ab den 1970er Jahren

16.05 Prof. Dr. Martin Lengwiler (Basel): Schlusskommentar

16.30 Ende der Tagung

Kontakt

Monika Kestermann
LWL-Institut für westfälische Regionalgeschichte, Karlstr. 33, 48147 Münster
0251-5915684

Monika.Kestermann@lwl.org

https://www.lwl-regionalgeschichte.de