Die natürliche Ordnung. Konflikte, Brüche, Kontinuitäten im Naturverständnis von 1600 bis 1900

Die natürliche Ordnung. Konflikte, Brüche, Kontinuitäten im Naturverständnis von 1600 bis 1900

Veranstalter
Lisa Glänzer, Sophie Bitter-Smirnov, Zentrum für Wissenschaftsgeschichte, Karl-Franzens-Universität Graz
Veranstaltungsort
Universität Graz
Ort
Graz
Land
Austria
Vom - Bis
13.06.2019 -
Deadline
15.03.2019
Website
Von
Zentrum für Wissenschaftsgeschichte KFU Graz

Die Ordnung der Natur ist seit jeher integraler Bestandteil naturphilosophischer Auseinandersetzungen im Zuge der Erfassung und Abbildung der Welt. Man fragte nach dem Garanten für die natürliche Ordnung – ist sie in der Unveränderlichkeit Gottes zu suchen (Descartes), folgt sie geometrischen Prinzipien (Hobbes) – und nach dem Zusammenhang zwischen der moralischen und natürlichen Ordnung der Welt (Naturrechtsgedanke). Zudem brachten der europäische Kolonialismus und die so genannten „Entdeckungsfahrten“ die Naturforscher ab dem 16. Jahrhundert mit zahllosen neuen Pflanzen- und Tierarten in Berührung, die in die bestehenden Naturvorstellungen integriert werden mussten. Ferner kamen Fragen nach dem Ursprung jener außereuropäischen Völker auf, mit denen man im Zuge der Kolonialisierung erstmals zusammentraf und welche man in das bestehende Weltbild einzufügen versuchte. Durch die langsame Abkehr von einem Scala Naturæ-Denken wurde die Frage laut, in welchem Verhältnis die unterschiedlichen Arten zueinander stehen: Der Gedanke eines linearen Aufbaus wirkte noch lange nach, zunehmend tauchten jedoch auch Vorschläge zu netz- oder baumartigen Systematisierungen der Natur auf und es konnten sich allmählich neue Ordnungsschemata etablieren. Schließlich stieß die Darwin'sche Evolutionstheorie im 19. Jahrhundert Überlegungen dahingehend an, wie eine Natur geordnet werden könne, die nicht aus unveränderlichen Arten zusammengesetzt ist, sondern auf der unermesslichen Anzahl an Varietäten basiert.

Das eintägige Kolloquium möchte ExpertInnen und NachwuchsforscherInnen zusammenbringen und dazu einladen, sich dem Thema „Die natürliche Ordnung: Konflikte, Brüche und Kontinuitäten im Naturverständnis von 1600 bis 1900“ aus unterschiedlichen Perspektiven anzunähern.
Die Vorstellung einer geordneten Natur liegt seit jeher den naturwissenschaftlichen Untersuchungen zu Grunde. Wissenschaftshistorische Forschungen zur Geschichte der Naturwissenschaften stoßen meist unweigerlich auf unterschiedliche Vorstellungen und Konzepte, die in Bezug auf die Ordnung der Natur und die Systematisierung und Klassifikation ihrer Lebewesen vorherrschten. Die unterschiedlichen Bedeutungen, welche der Naturordnung zugeschrieben wurden, sowie die verschiedenen Anschauungen, die in Bezug auf die natürliche Ordnung der Welt existierten, stellen demnach einen Themenkomplex dar, welcher paradigmatisch und bestimmend für das Verständnis und die Analyse von naturwissenschaftlichen Quellen in den vergangenen Jahrhunderten ist.
Die epochenübergreifende Ausrichtung des Kolloquiums ermöglicht es, Praktiken und Theorien des Ordnens, die Organisation der Natur sowie die Darstellungsweisen der natürlichen Ordnung im Spannungsfeld von linearer und dynamischer Naturbetrachtung zu beleuchten.

Das Kolloquium möchte sich dabei verstärkt den folgenden Themenkomplexen und Fragen widmen:

-) Der Mensch in der Ordnung der Natur:
Welche Störfälle konnten die Ordnung der Natur durcheinanderbringen? Wie wurde mit der Tatsache umgegangen, dass der Mensch sowohl als Ordner der Natur (Erstellung von Taxonomien) als auch als Verursacher von Chaos (Hybridisierung, Kreuzungsexperimente, Eingriffe in die „natürliche“ Gestalt der Lebewesen) fungierte?
Wie veränderte sich der Blick auf die Stellung des Menschen in der Natur und inwiefern wurde dadurch das Verhältnis zwischen Tier und Mensch neu ausverhandelt? Was bedeutete die Suche nach dem „Missing Link” für die Diskussion rund um den Ursprung (bzw. die Ursprünge) des Menschengeschlechts?
Wie veränderte sich der Blick auf die „Menschenrassen” und ihre Ordenbarkeit an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert?

-) „Natur“, Naturrecht/-gesetz und Geschichte:
Was bedeutete es, die „Natur“ sowohl im physischen als auch im moralischen Bereich der menschlichen Handlungen als naturgesetzlich geregelt aufzufassen?
Wie wurde die Beziehung zwischen Natur und Geschichte erfasst und wie veränderte sich dieses Verhältnis im Laufe des 19. Jahrhunderts?
Wie beeinflusste die sich verändernde Vorstellung von Zeit, Zeitlichkeit und dem Alter der Erde die Ordnung der Natur?
Welche Umstände trugen dazu bei, dass sich Naturgesetze im naturwissenschaftlichen Diskurs etablieren konnten und wie beeinflussten diese die (Selbst-)Positionierung des Menschen in der Natur?
Welches war die Grenze der Übertragung physikalischer Gesetzmäßigkeiten der unbelebten auf die belebte Natur und was waren hier die Konsequenzen für den Naturbegriff?
Welche epistemologischen Erwartungen werden mit der Einführung und Etablierung des Naturgesetzbegriffs verknüpft?

-) Sammeln, Klassifizieren, Ordnen:
Wie trugen Sammlungen als epistemologische Objekte und Verbände zum Erkenntnisfortschritt bei? Wie veränderten sich Formen und Praktiken des Sammelns und welche Vorstellungen und Konzepte wurden unter dem Begriff des Sammelns subsumiert?
Welche Rolle spielte die Anatomie als visuelle wie beschreibende Disziplin für die Naturgeschichte? Welcher Stellenwert kommt vor diesem Hintergrund der Sektion für die Weiterentwicklung und Etablierung (neuen) Wissens zu?
Inwiefern kann durch die Analyse der unterschiedlichen Darstellungsweisen von Tieren ein Rückschluss auf das sich verändernde Verhältnis zwischen Tier und Mensch gezogen werden? Kann anhand einer Analyse taxidermischer Praktiken der Diskurs zwischen Mensch-Tier/Tier-Mensch herausgebildet werden?

Das Kolloquium setzt sich aus drei Panels zusammen. Diese werden jeweils von einem Experten eröffnet, der mittels eines Impulsreferates an das Thema heranführt. Danach erhalten NachwuchsforscherInnen die Möglichkeit, ihre Forschungsprojekte in einem je 20-minütigen Vortrag vorzustellen und Aspekte des Themas im Rahmen ihres Referates zu vertiefen.

Aufbau des Kolloquiums:

Panel I wird von Herrn Dr. Georg Toepfer (ZfL Berlin) eingeführt und widmet sich dem Thema „Serie, Baum, Kreis und andere Modelle von Naturordnungen im 19. Jahrhundert“.

Panel II wird durch den Impulsvortrag von Herrn Dr. Mario Marino (BTU Cottbus-Senftenberg) eröffnet und befasst sich mit dem Thema „Natürliche Ordnungen und kulturelle Konstrukte in der Rassenklassifikation um 1800“.

An Panel III führt Herr Prof. Simone De Angelis (KFU Graz) heran, es beschäftigt sich mit dem Thema „'Natur', Naturrecht/-gesetz und Geschichte“.

Eröffnet wird die Tagung mit einer Keynote von Herrn Prof. Staffan Müller-Wille (Egenis, The Centre for the Study of Life Sciences/University of Exeter).

Interessierte Nachwuchswissenschafterinnen und Nachwuchswissenschafter sind herzlich eingeladen, Beiträge zum Thema des Kolloquiums einzureichen. Die Vorhaben können, müssen sich jedoch nicht auf die oben angeführten Fragen und Themenkomplexe beziehen. Die Vortragslänge beträgt 20 Minuten.

Die Konferenzsprache im Plenum ist Deutsch. Diskussionsbeiträge können jedoch auch in englischer Sprache gehalten werden.

Übermitteln Sie Ihre Bewerbung bestehend aus Abstract (max. 400 Wörter, inkl. Vortragstitel), Kurzvita und Kontaktdaten bitte bis spätestens 15. März 2019 an: sophie.bitter-smirnow@uni-graz.at und lisa.glaenzer@uni-graz.at.
Die Benachrichtigung über die Annahme der Beiträge erfolgt Ende März.

Die Teilnahme am Kolloquium ist kostenlos. Ein Reisekostenzuschuss kann beantragt werden und wird gemäß der Fördersumme ausbezahlt.

Bei etwaigen Fragen wenden Sie sich gerne an uns.

Kontakt:
Lisa Glänzer, Sophie Bitter-Smirnov,
Zentrum für Wissenschaftsgeschichte, Karl-Franzens-Universität Graz
lisa.glaenzer@uni-graz.at, sophie.bitter-smirnow@uni-graz.at

Programm

Kontakt

Lisa Glänzer, Sophie Bitter-Smirnov
Mozartgasse 14,
8010 Graz

lisa.glaenzer@uni-graz.at
sophie.bitter-smirnow@uni-graz.at


Redaktion
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