Wissen auf den ersten Blick. Illustrierte Buch-Anfänge in der Frühen Neuzeit

Wissen auf den ersten Blick. Illustrierte Buch-Anfänge in der Frühen Neuzeit

Veranstalter
Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel; Leitung: Stefan Laube (HU Berlin), Volker Bauer (HAB)
Veranstaltungsort
Bibelsaal in der Bibliotheca Augusta
Ort
Wolfenbüttel
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.04.2019 - 03.04.2019
Website
Von
Volker Bauer, Abteilung für Stipendienprogramme, Nachwuchsförderung und Wissenschaftliche Veranstaltungen, Herzog August Bibliothek

Ein Charakteristikum der Wissensliteratur insbesondere des 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts besteht in der großen Verbreitung und aufwändigen Gestaltung von Bildern im Titelapparat einschlägiger Werke. Dabei lassen sich unterschiedliche mediale Kombinationen unterscheiden: Auf der eine Seite stehen illustrierte Titelblätter, die neben einer bildhaften Darstellung Textinformationen etwa zu Titel und Autor eines Werkes enthalten, bis hin zum komplett gestochenen Kupfertitel, auf der anderen Seite Frontispize, also die vor das Titelblatt gebundenen Bildseiten ohne werkkennzeichnende Angaben. Neben der in beiden Fällen konstitutiven Druckgraphik konnte überdies der Titel selbst noch ein Sprachbild aufweisen. Die geplante Tagung zielt darauf ab, die bildlichen Verfahren zu untersuchen, mit deren Hilfe der Inhalt eines Buches visualisiert wird. Es geht also um das Verhältnis von Titelbild einerseits und Gegenstand bzw. Aussage, bisweilen auch Titelformulierung eines Werkes andererseits. Zentral ist in diesem Zusammenhang die Frage nach Autorisierung und Legitimation des je vermittelten Wissens. So mag ein metonymisches Frontispiz wie ein Autorenporträt in besonderem Maße die Leistung und Reputation eines Gelehrten auf das von ihm verfasste Buch übertragen und umgekehrt. Jedoch muss ein Titelbild die Botschaft eines Buches nicht zwangsläufig bestätigen und bestärken. Gerade in extrem kontroversen, beispielsweise auch konfessionell aufgeladenen Fachgebieten konnte eine ikonische Fassung Konflikte und Unvereinbarkeiten auch eher abmildern oder tarnen, wie es in der Astronomie des 17. Jahrhunderts geschah.

Die Relevanz bildhafter Titelgestaltung liegt nicht zuletzt darin begründet, dass ein auf Bildelementen fußender Titelapparat aufgrund der den bildgebenden Verfahren innewohnenden Verdichtungen in besonderem Maße geeignet ist, Aufschluss über frühneuzeitliche Wissensordnungen zu geben. Frontispize und Titelkupfer verdeutlichen auf einen Blick Geltungsansprüche und Position des jeweils behandelten Wissensfeldes in der zeitgenössischen Gelehrtenkultur, sie machen dessen interne Strukturierung und Hierarchisierung etwa nach Relevanzkriterien evident und visualisieren Traditionen, in die sich Autor und Werk einfügen oder die sie ganz bewusst zu überwinden suchen. Insofern besitzt das Tagungsthema grundlegende Bedeutung für die Wissensgeschichte der frühen Neuzeit.

Auf der Grundlage dieser Überlegungen wird die Tagung

– der Vielzahl frühneuzeitlicher Bildtypen und Bilderfindungen Rechnung tragen (vgl. Diagramme und geometrische Ordnungen, Autorenporträts, allegorische Personifikationen, Impresen, Embleme und Hieroglyphen), um beispielsweise jene Bestandteile des frühneuzeitlichen Bildervorrats zu identifizieren, die für die Verwendung in der Titelei besonders geeignet schienen und daher häufig genutzt wurden;

– die Intermedialität von Frontispiz und (illustriertem) Titelblatt und typographischem Buchtext genauer untersuchen. Im Rahmen vielfältiger Konstellationen und Interferenzen ist etwa zu fragen, ob und inwieweit die Komplementarität von Text und Bild eher zu einer Medienharmonie oder zu einer Medienkonkurrenz geführt hat, zumal gerade auf den Anfangsseiten des Buches Zeichen so arrangiert werden, dass sie sogleich ins Auge springen;

– konkrete technische und ökonomische Fragen der Buchherstellung aufwerfen, die z.B. auch die Komplexität der Bildverwendung steuern, indem die Titelbilder aufgrund kommerzieller Erwägungen einerseits einen gewissen Grad der Verrätselung aufweisen, andererseits aber grundsätzlich les- und deutbar sein müssen.

Gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung

Programm

Montag, 1. April 2019

14:00-14:45 Volker Bauer (Wolfenbüttel) / Stefan Laube (Berlin/Wolfenbüttel)
Begrüßung und Einführung

14:45-17:30 Sektion I: Titelbilder in der konfessionellen Arena

14:45-15:30 Thijs Weststeijn (Utrecht)
Hieroglyphic and Pictographic Images in 17th Century with a Special Focus on the Books of Kircher

15:30-16:15 Lucinda Martin (Gotha)
Philadelphia and Zion. Radical Pietist Frontispieces and the Millenium

16:15-16:45 Kaffeepause

16:45-17:30 Carsten-Peter Warncke (Göttingen)
Abraham van Diepenbeecks Frontispiz zum ersten Band der Acta Sanctorum, Antwerpen 1643

Abendvortrag im Anna-Vorwerk-Haus

17:45-19:00 Laurence Grove (Glasgow)
Emblematic Title Pages from Pia Desideria to All Star Superman

Im Anschluss Empfang im Anna-Vorwerk-Haus

Dienstag, 2. April 2019

09:00-12:15 Sektion II: Produktionsbedingungen und Medienwandel

09:00-09:45 Christian Bracht (Marburg)
Frontispize in digitalen Forschungsinfrastrukturen. Gegenwart und Zukunftschancen.

09.45-10:30 Christoph Reske (Mainz)
Technische und ökonomische Aspekte bei der Herstellung von Buchillustrationen

10:30-11:00 Kaffeepause

11:00-11:45 Anja Wolkenhauer (Tübingen)
Wandel und Verschwinden – Druckerzeichen in der visuellen Kultur der Frühen Neuzeit

11:45-12:30 Holger Thomas Gräf (Marburg)
Das fragmentarische "Arbeitsbuch" des Johann Philipp Thelott (1639-1671) – eine bislang unbekannte Quelle zu dem Netzwerk eines Frankfurter Kupferstechers

12:30-14:00 Mittagspause

14:00-15:00 Bibliotheksführung

15:00-17:45 Sektion III: Vermessung der Natur

15:00-15:45 Robert Felfe (Mainz)
Anverwandlungen – Frontispize als Ort der Adaption und Metamorphose von Bildern

15:45-16:30 Peter J. Forshaw (Amsterdam)
Redistillations of Images/Symbols on Hermetic Frontispieces

16:30-17:00 Kaffeepause

17:00-17:45 Stefan Laube (Berlin/Wolfenbüttel)
Schichten und Schächte. Unterirdische Welten auf Titelbildern

20:00 Gemeinsames Abendessen

Mittwoch, 3. April 2019

09:00-12:30 Sektion IV: Visuelles Herrschaftswissen

09:00-09:45 Carolin Behrmann (Florenz)
Der Nomos der Bilder. Recht und Gesetz im Eingangsbild

09:45-10:30 Volker Bauer (Wolfenbüttel)
Wissensbäume, Wissensräume: Bildertitel in der genealogischen Literatur im Alten Reich (1650–1750)

10:30-11:00 Kaffeepause

11:00-11:45 Ute Schneider (Essen)
Titelkupfer in Atlanten des 16. und 17. Jahrhunderts

11:45-12:30 Delphine Schreuder (Louvain)
Another Glance on Fortress Building: Title-Pages of Early Modern Fortification Treatises

12:30-14:00 Mittagspause

14:00-17:30 Sektion V: Gelehrteninszenierung

14:00-14:45 Katie Reinhart (Cambridge)
Translated Frontispieces and Visual Strategy in the Early Royal Society

14:45-15:30 Hole Rößler (Wolfenbüttel)
Das Autorenporträt und seine Kritiker. Bemerkungen zur sozialen Funktion gedruckter Porträts in der frühneuzeitlichen Gelehrtenkultur

15:30-16:00 Kaffeepause

16:00-16:45 Thomas Habel (Göttingen)
Beobachtungen zum Frontispiz in Gelehrtenjournalen der Aufklärung

16:45-17:30 Constanze Keilholz (Göttingen)
Bildkommentare zum Künstlerberuf. Frontispize in der europäischen Kunstliteratur

17:30-18:00 Schlussdiskussion

Kontakt

Dr. Volker Bauer

Herzog August Bibliothek, Postfach 13 64, D-38299 Wolfenbüttel

forschung@hab.de