Konzepte für ein "anderes" Europa im 20. und 21. Jahrhundert / Idées pour une « autre Europe » au XXe et au XXIe siècles

Konzepte für ein "anderes" Europa im 20. und 21. Jahrhundert / Idées pour une « autre Europe » au XXe et au XXIe siècles

Veranstalter
Université de Lille, Maison Européenne des Sciences de l'Homme et de la Société (Meshs)
Veranstaltungsort
Maison Européenne des Sciences de l'Homme et de la Société (Meshs)
Ort
Lille
Land
France
Vom - Bis
13.06.2019 - 14.06.2019
Website
Von
Isabell Scheele

Die Europäische Union sei zu liberal, sagen viele ihrer Gegner, und daran ließe sich nichts ändern. Der euroskeptische bzw. -feindliche Diskurs, der zurzeit insbesondere im populistischen, sowohl im rechten als auch im linken Spektrum europaweit Aufwind bekommt, vermittelt den Eindruck, dass die europäischen Verträge an sich der Ausdruck einer wirtschaftlich und politisch liberalen Ausrichtung seien. Daraus folgern viele ihrer Gegner, dass die Länder und Bevölkerungen, die mit dieser vermeintlichen ideologischen Ausrichtung nicht einverstanden seien, keine andere Wahl hätten, als die EU zu verlassen.

Dabei ist der gegenwärtige Zustand der EU keine Selbstverständlichkeit, die europäische Einigung hätte anders verlaufen können. So zum Beispiel forderte Kurt Schumacher 1946 ein „sozialistisches Deutschland in einem sozialistischen Europa“ (1). In der Nachkriegszeit kämpfte die SPD zuerst gegen die Form, die der konservative Bundeskanzler Konrad Adenauer der europäischen Einigung gab. Seitdem haben manche der bekanntesten Intellektuellen in Deutschland und Frankreich (Habermas, Grass, Bourdieu, usw.) über grundlegende Reformen geschrieben, die für die EU unerlässlich seien.

Die geplante Tagung wird gegenwärtige und vergangene Konzepte für ein ‚anderes Europa‘ untersuchen; Vorschläge für eine europäische Gemeinschaft, die zum Beispiel demokratischer wäre oder eine andere politisch-ideologische Ausrichtung hätte: sozialistisch, eurokommunistisch, faschistisch, usw. Die Originalität der Tagung besteht also darin, dass sie nicht nur Gegnerschaft und Skepsis gegenüber der EU, sondern hauptsächlich Konzepte für eine alternative europäische Gemeinschaft behandeln wird.

Und das soll mit Hinblick auf die Langzeitperspektive geschehen. Europaskepsis, so erklärt Claudia Hiepel (2), habe es seit Anfang des europäischen Einigungswerkes gegeben. Die verschiedenen Akteure und Autoren der europäischen Einigung hatten von Anfang an verschiedene Ansichten darüber, wie dieser Prozess vor sich gehen und wie im Endeffekt die europäische Gemeinschaft aussehen und funktionieren sollte. Und sogar vor der europäischen Einigung gab es schon spezifische Europakonzepte, so zum Beispiel bei den Paneuropäern der Zwanziger Jahre. Der Österreicher Karl Anton Rohan etwa bewunderte den italienischen Faschismus, er „imaginierte Vereinigte Staaten von Europa, in denen die parlamentarische Demokratie, der Kapitalismus und der Bolschewismus durch eine ständestaatliche, führerorientierte Gesellschaftsordnung nach dem Vorbild des für ihn exemplarischen italienischen Faschismus ersetzt sein würden“ (3).

Arbeitssprachen werden Französisch, Englisch und Deutsch sein.

1) SCHUMACHER Kurt, Neue Zeitung, 1946: „Die deutsche Sozialdemokratie [...] will ein sozialistisches Deutschland in einem sozialistischen Europa.“ Zit. n.: LOTH Wilfried, „Von Heidelberg nach Godesberg: Europa-Konzepte der deutschen Sozialdemokratie zwischen Utopie und Politik“, in: CLEMENS Gabriele, KRÜGER Peter (Hrsg.), Nation und Europa: Studien zum internationalen Staatensystem im 19. und 20. Jahrhundert, Festschrift für Peter Krüger zum 65. Geburtstag, Stuttgart, Steiner, 2001, S. 203-219, hier S. 209.
2) HIEPEL Claudia, Rezension zu: Wassenberg, Birte; Clavert, Frédéric; Hamman, Philippe (Hrsg.): Contre l’Europe?. Anti-européisme, euroscepticisme et alter-européisme dans la construction européenne de 1945 à nos jours (Volume 1): les concepts. Stuttgart 2010 , in: H-Soz-Kult, 15.06.2012,
<www.hsozkult.de/publicationreview/id/rezbuecher-17435>.
3) PAUL Ina Ulrike, «Die alte Generation hat Europa verwüstet und zerstückelt: die neue soll es einigen und schaffen!» – Die Mission der «jungen Generation» nach 1918 bei R. N. Coudenhove-Kalergi und Karl Anton Rohan, [i.E.]
4) Guido Thiemeyer erklärt z.B., dass die Gesellschaften Europas das Demokratiedefizit der europäischen Gemeinschaften bis zum Ende der 80er Jahre hingenommen haben; umgekehrt schwinde dieser Konsens über die Bedeutung der europäischen Gemeinschaft seitdem immer mehr. THIEMEYER Guido, «Das Demokratiedefizit der Europäischen Union. Geschichtswissenschaftliche Perspektiven», in : Themenportal Europäische Geschichte, 2008, URL: <http://www.europa.clio-online.de/2008/Article=292>.

Programm

JEUDI, 13 JUIN 2019

14h Mot d'introduction des organisateurs
Isabell Scheele, Rafaël Cos, Dominique Herbet

14h15 Une Europe post-nationale ? Perspectives institutionnelles depuis les années 1950
Coordination de séance : Yohann Morival
Quentin LOÏEZ (Lille / Liège), La Communauté européenne de défense (CED) comme contre-modèle
Victor JAESCHKE (Potsdam), Towards an « excessively centralist community » ? Reactions to the European Parliament’s 1984 « Draft Treaty establishing the European Union » in Great Britain and Germany.

15h40 Une Europe post-nationale ? Perspectives institutionnelles aujourd'hui
Coordination de séance : Pauline Ravinet
Dominique HERBET (Lille), « Europhoriques » vs « Eurosceptiques » : l'année 2012, du « Manifeste pour une révolution post-nationale » au prix Nobel de la Paix pour l'UE
Simon PERSICO (Grenoble), Pile je perds, face tu gagnes ! À quoi servent les élections européennes pour les partis souhaitant une autre Europe ?

17h Les « autres Europes » dans les expressions artistiques
Coordination de séance : Marie Brunhes
Christian LUCKSCHEITER (Berlin)/ Lena WETENKAMP (Mayence), Heterogene Europa-Entwürfe in der Neuen Rundschau
Amélie MUSSACK (Fribourg en Br.), « Murx den Europäer. Murx ihn. » - Paul Scheerbart's conception of a new European spirit through (Glass-)Architecture

VENDREDI, 14 JUIN 2019

9h30 Une Europe communiste ?
Coordination de séance : Rémi Lefebvre
Nicolas AZAM (CESSP, Paris), Le Parti communiste français et l'Europe
Ulrich PFEIL (Université de Lorraine), L’eurocommunisme en Allemagne et les réactions du SED à l’eurocommunisme en France

11h Une Europe fasciste ?
Coordination de séance : Martine Benoit
Nadine TAUCHNER (Leicester), Lord’s kingdom, German Reich, European Empire- Exploiting and Re-shaping the idea of a united Europe before, during and after National Socialism
Silvia MADOTTO (FU Berlin), Overtaking National Borders. Concepts of Europe in the Plans of Academics in Resistance against Fascism (1939-1945)
Helmut FEHR (Berlin), « Rückkehr nach (Ost-) Europa » – Vergangenheit als Zukunft der EU?

14h30 L'Europe néo-libérale vs. L'Europe des travailleurs
Coordination de séance : Rafaël Cos
Karim FERTIKH (Strasbourg), Faire « l'Europe des travailleurs » : une sociologie d'un mot d'ordre de l'action publique transnationale
Laurent WARLOUZET (Université du Littoral), Europe sociale vs Europe néolibérale : l'Union européenne depuis 1957
Yohann MORIVAL (Lille), D'une vision patronale de l'Europe à une autre. L'évolution des conceptions de l'intégration européenne au sein du patronat organisé français depuis 1948

16h30 « L’Europe » des intellectuels
Coordination de séance : Isabell Scheele
Laurent STEVENY (Lille), L’UE à la lumière de la philosophie économique de Hayek
Nicolas DESSAUX (Lille), Europe et mouvement ouvrier chez Karl Marx

17h30 Bilan de la journée d'étude et discussion

Kontakt

Isabell Scheele
Université de Lille, Campus Pont-de-Bois, département d'études germaniques

isabell.scheele@univ-lille.fr


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