Kontinuitäten und Diskontinuitäten der Sozialpädagogik und Sozialarbeit im Übergang vom Nationalsozialismus zur Nachkriegszeit

Kontinuitäten und Diskontinuitäten der Sozialpädagogik und Sozialarbeit im Übergang vom Nationalsozialismus zur Nachkriegszeit

Veranstalter
Hochschule Würzburg in Kooperation mit der AG Historische Sozialpädagogik/Soziale Arbeit
Veranstaltungsort
Münzstraße 12, 97070 Würzburg
Ort
Würzburg
Land
Deutschland
Vom - Bis
17.10.2019 - 19.10.2019
Deadline
31.07.2019
Von
Prof. Dr. Ralph-Christian Amthor

Während zur Geschichte Sozialer Arbeit im Nationalsozialismus mittlerweile eine große Zahl von Veröffentlichungen vorliegen, gilt dies für die frühe Nachkriegszeit in der BRD und DDR nicht bzw. nur sehr eingeschränkt: Abgesehen von einigen, wenigen Veröffentlichungen zur institutionell-organisatorischen Neuorganisation der Sozialen Arbeit bzw. Arbeiten, die die Entwicklung einzelner Arbeitsfelder – oft aus einer längerfristig angelegten Untersuchungsperspektive – thematisieren sowie ferner biografische Beiträge zu einzelnen (Fach)Vertreter/innen, ist die Zeit nach der politischen Zäsur von 1945 noch nicht Gegenstand eigenständiger Untersuchungen geworden. Insbesondere die zentrale Frage nach dem Verhältnis von Kontinuitäten und Diskontinuitäten im Übergang von der nationalsozialistischen Diktatur in die Besatzungszeit und die frühe Bundesrepublik und die DDR ist bislang eher am Rande erörtert worden.

Bilanziert man die dazu vorliegenden Beiträge in aller Vorsicht, zeigt sich, dass die politische Zäsur des Jahres 1945 mit Blick auf die institutionelle Infrastruktur, das Personaltableau, aber auch hinsichtlich existierender Deutungs- und Handlungsmuster keineswegs eine „Stunde Null“ war. Im Gegenteil: In den beiden postnazistischen Nachkriegsgesellschaften blieben Denkweisen, Konzepte und Praxen virulent, die bereits während der Jahre der nazistischen Diktatur handlungsleitend waren. Allerdings wäre es zu einfach, hier pauschal von ungebrochenen Kontinuitätslinien in den Nationalsozialismus zu sprechen. Vielmehr ist nach wie vor an dem mehr als 20 Jahre alten Befund von Dieter Oelschlägel (1997) festzuhalten, nach dem sich in der Sozialen Arbeit der Nachkriegszeit „jeweils spezifische Elemente der Kontinuität mit solchen der Diskontinuität“ mischten.
An dieser Stelle will die Tagung in Würzburg ansetzen und die unmittelbare Nachkriegszeit mit Blick auf die Frage nach Brüchen und Kontinuitäten zu den Jahren 1933 bis 1945 aus unterschiedlichen Perspektiven untersuchen und in längerfristige Entwicklungslinien, aber auch die unterschiedlichen Entwicklungslinien der Sozialen Arbeit in Ost- und Westdeutschland einordnen.

Die Tagung findet vom 17. – 19. Oktober an der Hochschule Würzburg statt. Anmeldungen sind bis Ende Juli 2019 möglich unter https://fas.fhws.de/fakultaet/historische-tagung/

Das Tagungsprogramm findet sich unter https://fas.fhws.de/fileadmin/redaktion-historischetagung/Tagungsprogramm_Stand_07.04.2019.pdf

Die Tagung wird von der Fritz Thyssen Stiftung gefördert

Programm

Donnerstag, 17.10.2019

Ab 13.00 Uhr
Tagungsanmeldung

14.00 – 14.30 Uhr
Begrüßung/Organisatorisches
Dekanin der Fakultät für Angewandte Sozialwissenschaften
Begrüßung des Organisationsteams der Tagung

14.30 – 15.15 Uhr
Prof. Dr. Sven Steinacker (Hochschule Niederrhein):
Kontinuitäten und Diskontinuitäten der Sozialen Arbeit in der Nachkriegszeit – Befunde und offene Fragen

15.15 – 16.00 Uhr
Prof. (em.) Dr. Christian Schrapper (Universität Koblenz-Landau):
Hans Muthesius – ein „Paradefall“ für Kontinuität und Diskontinuität Sozialer Arbeit in Deutschland zwischen Kaiserreich und Bundesrepublik

THEMENBLOCK: „PERSONELLE KONTINUITÄTEN/DISKONTINUITÄTEN“ (ARBEITSGRUPPEN)
16.30 – 18.00 Uhr

AG 1: Flucht, Vertreibung, Neubeginn
Prof. (em.) Dr. Joachim Wieler (Fachhochschule Erfurt):
Zusammenbruch und Chaosmanagement mit Hilfe des Völkerbundes und der UNRRA – Mitwirkung von betroffenen SozialarbeiterInnen
Prof.’in (em.) Dr. Sabine Hering (Universität Siegen):
Biografien von Sophie Quast/Ralf Zeitler – zur Geschichte des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen in Berlin

AG 2: Entnazifizierung und Umgang mit „belasteten“ Biografien
Prof.’in Dr. Christa Paulini (HAWK Hildesheim):
Von der Volkspflege zur Sozialen Arbeit. Berufsbiografien und Entnazifizierungsverfahren, Auswirkungen auf Theorie und Praxis
Dr. Uwe Kaminsky (Ruhr-Universität Bochum):
Der Umgang des Landschaftsverbandes Rheinland mit der NS-Belastung seines Fachpersonals

AG 3: Frauenbewegung, Nationalsozialismus und die Nachkriegszeit
Volker Jörn Walpulski M.A. (Hochschule Hannover):
Biografie Dora von Caemmerer (1910-1988) – von der Fürsorgerin und Lehrerin für Volkspflege im NS-Staat zur Pionierin für Casework und Supervision
Prof.’in Dr. Susanne Maurer (Universität Marburg):
Frauenbewegte Akteur*innen Sozialer Arbeit nach 1945

AG 4: Biografische Kontinuitäten und Brüche
Prof.’in Birgit Bender-Junker / Prof.’in Dr. Elke Schimpf (Ev. Hochschule Darmstadt):
Impulse neuer Fachlichkeit durch intergenerative Beziehungen, Reeducation und Fürsorgewissenschaft. Ein Vergleich zweier (Bildungs-)Biographien in der Sozialen Arbeit Ende der vierziger und Anfang der fünfziger Jahre
Prof. Dr. Ralph-Christian Amthor (Hochschule Würzburg):
„Täter, Mitläufer, Widerständige und Exilanten“ – Zu den Nachkriegsbiographien von Frauen und Männern des Widerstandes Sozialer Arbeit

FREITAG, 18.10.2019

9.00 – 9.45 Uhr
Prof. (em.) Dr. Manfred Kappeler (Technische Universität Berlin):
Kirchliche Wohlfahrtsverbände und andere Organisationen 1945 bis 1950

9.45 – 10.30 Uhr
Prof.’in Diana Franke-Meyer / Prof.’in Dr. Carola Kuhlmann
(Ev. Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe):
Kindergärten und Heimerziehung in der frühen Phase der DDR

THEMENBLOCK: „IDEOLOGISCHE KONTINUITÄTEN/DISKONTINUITÄTEN“ (ARBEITSGRUPPEN)
11.00 – 12.30 Uhr

AG 1: Jugendpsychiatrie und Jugendhilfe
Prof. Dr. Jürgen Eilert (CVJM Hochschule Kassel):
Der Fallout der Eugenik – ideologische und operative Kontinuitäten im Grenzgebiet zwischen Fürsorge und Kinder- und Jugendpsychiatrie
Dr. Anne Hans (Hochschule München):
Jugendhilfe-Diskurs in der Nachkriegszeit: Wohlfahrtsverbände als Konstrukteure sozialpädagogischer Problemkonstruktionen

AG 2: Kontinuitäten der Ausgrenzung?
Dipl. Päd. Wiebke Dierkes (Universität Marburg):
„Asozial und Arbeitsscheu?!“ Zur Tradierung oder Re-Aktivierung der Stigmatisierung, Kriminalisierung und Verfolgung sogenannter „Asozialer“ in der DDR
Dr. Ina Schildbach (Technische Hochschule Nürnberg):
Arm = „Asozial“? – (Dis-)Kontinuitäten in Deutung und Ausgrenzung von Armen am Beispiel der Obdachlosenpolitik

AG 3: Ideologie und Biografie
Dr. Bernhard Bremberger (Museum Pankow):
Josef Tress als Fürsorger im Berliner Arbeits- und Bewahrungshaus Rummelsburg 1934 bis 1943 und als Leiter der Arbeitserziehungsanstalt Breithülen in Württemberg (1948/49)
Dr. Peter Szynka (Diakonisches Werk Ev. Kirchen in Niedersachsen):
Karl Willmanns (1873-1945) und die Vagabunden

AG 4: Kontinuitäten in Berufskarrieren
Prof.’in Dr. Michaela Köttig (Frankfurt University)/
Prof. Dr. Nikolaus Meyer (IUBH Frankfurt):
Kontinuitäten in der Frankfurter Jugendfürsorge nach 1945
Prof.’in Dr. Anne-Dore Stein (Ev. Hochschule Darmstadt):
Perspektiven des Sozialen und der ordnenden Vernunft – das Beispiel Wilhelm Polligkeit

THEMENBLOCK: „ORGANISATORISCH-INSTITUTIONELLE KONTINUITÄTEN / DISKONTINUITÄTEN IN OST UND WEST“ (ARBEITSGRUPPEN)
13.30 – 15.00 Uhr

AG 1: Heimerziehung in Ost und West
Prof. Dr. Hans-Ullrich Krause (Alice-Salomon-Hochschule Berlin):
„Versuche eines Neubeginns“ – zur Entwicklung der Heimerziehung in der DDR
Prof. Dr. Holger Wendelin (Ev. Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe):
Kontinuitäten/Diskontinuitäten am Beispiel der „Düsselthaler Anstalten“ (Düsseldorf)

AG 2: Jüdische Wohlfahrtspflege in Deutschland nach 1945
Norman Böttcher M.A. (Hochschule Ludwigshafen):
Jüdische Jugendarbeit und der sozialpädagogische Diskurs nach der Shoa
Prof.’in (em.) Dr. Susanne Zeller (Fachhochschule Erfurt):
Die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland nach der Katastrophe als identifikatorische Kulturarbeit

AG 3: Berufsverbände
Michael Leinenbach (Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit):
DBSH Saar – eine eigene Geschichte – eng mit der Region verbunden
Dr. Claudia Wiotte-Franz (Deutscher Berufsverband für Soziale Arbeit):
Sozial – International – Emanzipiert. Gründerinnen aus der Profession gingen ihren eigenen Weg in der Balance zwischen Frauenverbänden und Gewerkschaften 1927 bis 1956

AG 4: Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe
Prof. (em.) Dr. Bernd Seidenstücker (Technische Universität Berlin/Hochschule Darmstadt):
Organisatorisch-institutionelle Brüche der Sozialen Arbeit/Sozialpädagogik in der SBZ
Oliver Gaida M.A. (Humboldt Universität Berlin):
Die Sozial- und Jugendfürsorge der Metropole Berlin 1933 bis 1961

THEMENBLOCK: „KONTINUITÄTEN/DISKONTINUITÄTEN AUF DER EBENE VON POLITIKEN UND PRAXEN“ (ARBEITSGRUPPEN)
15.30 –17.00 Uhr

AG 1: Anstalten – Anstaltsmorde
Reinhard Neumann (Fachhochschule der Diakonie):
Von der NS-„Kinder-Euthanasie“ zu den staatlichen Repression der jungen DDR (Brüderhaus Lindenhof)
Dr. habil. Ingo Harms (Universitäten Heidelberg/Oldenburg):
Kontinuitäten und Brüche der Anstaltsfürsorge 1932 bis 1960 am Beispiel Oldenburg

AG 2: Zum Umgang mit jugendlicher Devianz vor und nach 1945
Prof.’in Dr. Maria Meyer-Höger (Ev. Hochschule Darmstadt):
Der Jugendarrest als „Zuchtmittel“ – Kontinuitäten und Diskontinuitäten einer jugendstrafrechtlichen Sanktion
Dr. Christa Paul (Internationale Berufsakademie Hamburg):
Fürsorgeerziehung, Entmündigung und Bewahrung in der Zeitspanne von 1936 bis 1956 (Hamburg)

AG 3: Jugendhilfe und Jugendarbeit
Prof.’in Dr. Claudia Streblow-Poser (Fachhochschule Dortmund):
Divergenz und Ambivalenz in Praktiken der jugendamtlichen Fürsorge in der Nachkriegszeit
Dr. Melanie Oechler (Technische Universität Dortmund):
Jugendarbeit in der Nachkriegszeit zwischen Innovation und Restauration

AG 4: Aus- und Weiterbildung
Doris Neppert M.A. (Fachhochschule Kiel):
Von der Volkspflege- zur Wohlfahrtsschule Schleswig-Holstein. Probleme und Erfolge eines Neuanfangs (1945-1955)
Prof. Dr. Sandro Bliemetsrieder / Prof.’in Dr. Gabriele Fischer / Prof.’in Dr. Julia Gebrande (Hochschule Esslingen):
Ausbildung und Menschenverachtung – Ausbildungsgeschichte Esslingen

SAMSTAG, 19.10.2019

THEMENBLOCK: „REZEPTION, AUFARBEITUNG UND GEDENKEN AN DEN NS – UND ÜBER DEN NS HINAUS“ (ARBEITSGRUPPEN)
09.00 – 10.30 Uhr

AG 1: Erinnerungspolitiken
Prof. Dr. Claus Melter (Fachhochschule Bielefeld):
Wie umgehen mit der offenen Frage, ob als „krank“ und „behindert“ angesehene Kinder in Bethel im NS und bis 1950 systematisch getötet wurden?
Prof.’in D. Annerose Siebert (Hochschule Ravensburg-Weingarten):
Das Feld der Behindertenhilfe von 1949 bis 1975 – randständig und unbeachtet. Ergebnisse aus der Studie „Heimkinderzeit in der katholischen Behindertenhilfe“

AG 2: Möglichkeiten/Unmöglichkeiten des Neubeginns
Prof. Dr. Dr. Jochen Fuchs (Hochschule Magdeburg-Stendal):
Die Errichtung und Entwicklung der Mahn- und Gedenkstätten in der Nachkriegszeit und zu Wirkungen von Besuchen bei Studierenden der Sozialen Arbeit
Prof. Dr. Michael Tetzer (Fachhochschule Kärnten):
Habituelles Erbe – Verbindungen und vermeintliche Brüche vom Nationalsozialismus über die Nachkriegszeit bis in die Gegenwart

AG 3: Erinnerungspolitik – jenseits des Nationalsozialismus
Prof. Dr. Gisela Hauss (Fachhochschule Nordwestschweiz):
Historische Aufarbeitung geschehenen Unrechts in der Schweiz. Fragen an die Soziale Arbeit in einem demokratischen Land
Prof. (em.) Dr. Christian Niemeyer (Technische Universität Dresden):
Über jugendbewegte Erinnerungspolitik nach 1945 bis heute, mit Seitenblick auf Hermann Poperts Anti-Syphilis-Roman „Helmut Harringa“

AG 4: Kindheit und Migration in der Nachkriegszeit
Tilmann Kallenbach (Universität Bamberg):
Kämpfe der Migranten in der Nachkriegszeit
Prof.’in Dr. Rita Braches-Chyrek / Julia Gottschalk M.A. (Universität Bamberg):
Kindheitsverläufe zwischen Kriegsende und Reform

AG 5: „Vergessene“ Konzepte, Ansätze
Dr. Sebastian Engelmann (Universität Tübingen):
Vergessene Entwürfe – Minna Spechts Konzept zur Organisation der Reeducation nach 1945
Prof. Dr. Christoph Meyer (Hochschule Mittweida):
Zur Biografie von Greta Wehner – Sozialfürsorgerin

11.00 – 11.45 Uhr
Prof. Dr. Dieter Röh / Barbara Dünkel M.A. / Friederike Schaak (HAW Hamburg):
(Wie) konnte man einfach so weitermachen? Einblicke in den Umgang mit der NS-Zeit im Sozialpädagogischen Institut Hamburg

Ca. 12.30 Uhr Tagungsabschluss

Kontakt

Ralph-Christian Amthor
Hochschule Würzburg, Fakultät Angewandte Sozialwissenschaften
Münzstraße 12, 97070 Würzburg
0931 3511 - 8801

ralph.amthor@fhws.de

https://fas.fhws.de/fakultaet/historische-tagung/