Spektakel. Wissensvermittlung als ästhetische Praxis.

Spektakel. Wissensvermittlung als ästhetische Praxis.

Veranstalter
Thomas Thiemeyer / Alexander Renz / Helen Ahner
Veranstaltungsort
Schloss Hohentübingen, Fürstenzimmer
Ort
Tübingen
Land
Deutschland
Vom - Bis
21.10.2019 - 22.10.2019
Deadline
01.10.2019
Von
Ludwig-Uhland-Institut für Empirische Kulturwissenschaft

Das Spektakel feiert ein Comeback. Ist der Begriff bislang weder disziplinär klar zuzuordnen noch hinreichend definiert, lässt sich in jüngster Zeit seine Renaissance in den Kunst- und Kulturwissenschaften erkennen. Während Guy Debord in seiner „Gesellschaft des Spektakels“ (DEBORD 1967) kritische und kulturpessimistische Töne anschlug und das Spektakel so – vergleichbar mit Adornos Kulturindustrie (ADORNO 1945) – zu einem Kampfbegriff der Neuen Linken machte, dient es jüngeren Ansätzen zunächst als rein deskriptive (ästhetische) Kategorie. Sie postulieren die Scharnierfunktion des Begriffs und beschwören das ihm innenwohnende, bislang verborgene theoretische Potential (u. a. FRISCH, FRITZ, RIEGER 2018).

Das Spektakel ist eine kollektive, multisensuelle Erfahrung und ein aufsehenerregendes Ereignis, das oft, aber nicht immer, auf Unterhaltung und Vergnügen abzielt. Im Spektakel wird Verschiedenstes aufgeführt und zur Schau gestellt. Kennzeichnend für die Darstellungen sind dabei Immersion, sinnliche Überwältigung, Staunen und Wundern als Schlüsselemotionen und das Aufgehen der Schauenden im Hier und Jetzt. Das Spektakuläre beschreibt also einen spezifischen Wahrnehmungsmodus, der in den unterschiedlichen Kontexten heraufbeschworen wurde und wird: Von antiken Opferriten und mittelalterlichen Machtdemonstrationen über die Theater und Wunderkammern der frühen Neuzeit bis hin zu zeitgenössischen synästhetischen Expositionen und Virtual-Reality-Installationen – sie alle können unter dieser Kategorie subsumiert werden. Dem Spektakulären wird ein besonderes, erkenntnisbringendes Potential zugeschrieben. Das wird nicht nur in den „Wonder Shows“ und Wissenschaftstheatern des 19. Jahrhunderts sichtbar (NADIS 2005, BRUGGMANN 2017), sondern zeigt sich auch in den Diskussionen um Aura und Szenografie in den Museen des 20. und 21. Jahrhunderts (BENJAMIN 1935, BRÜCKNER 2010). Dabei geht es unter anderem um Fragen nach dem ästhetischen und erzieherischen Wert des Spektakels, dem vor allem im bürgerlichen Wertehorizont das Stigma einer voyeuristischen Effekthascherei anhaftet. Im Kontrast dazu stehen die oben eingeführten neueren Ansätze und Interpretationen, die dem entgegen und entgegen einer kulturpessimistischen Lesart à la Debord das aktivierende, ermächtigende, anschauliche und gemeinschaftsstiftende Potential des Spektakels betonen.

Uns solchen Neuvermessungen anschließend wollen wir im Rahmen dieser Tagung das Spektakel auf sein epistemisches Potential hin befragen: Welche Rolle spielt es für die Wissensvermittlung? Wie verhält es sich zum Museum als Ort des Wissens und ästhetischen Genusses? Welche spezifischen Wahrnehmungsmodi eröffnet es? In welchem Verhältnis stehen Episteme und Ästhetik? Wir möchten diese Fragen interdisziplinär mit Praktikerinnen und Theoretikerinnen diskutieren und versuchen, den Begriff Spektakel für das Feld des Museums und der Wissensvermittlung weiter auszudifferenzieren. Dabei soll auch das politische und kulturkritische Potential nicht unbeachtet bleiben, sondern vielmehr als ein Katalysator für Diskussionen um Wahrheit, Wertschöpfung, Distinktion und Partizipation in den Bereichen der Wissenschaftsvermittlung und -popularisierung dienen.

Anmeldung via Mail bei: helen.ahner@uni-tuebingen.de
(Teilnahmegebühr 15 €, Studierende: 10 €)

Programm

Montag, 21.10.2019

12:30 – 13:00 h Ankommen & Registrierung
13:00 h Begrüßung

13:30 – 14:30 h Elisabeth Fritz (Jena): Social Know-How. Epistemological Dimensions of Spectacle in Cultural Theory and Aesthetic Practice

14:30 – 15:30 h Iris Laner (Wien): Sehen in Gemeinschaft – Über das Spektakel kollektiven Betrachtens und die Praxis ästhetischer Bildung

15:30 – 16:00 h Kaffeepause

16:00 – 17:00 h Arno Böhler (Wien): Ist kunstbasiertes Philosophieren spektakulär?

17:00 – 18:00 h Alison Griffiths (New York): Medieval Media Studies: Dreams, Spectacle, and the Digital Imaginary

18:00 – 18:30 h Pause

18:30 – 20:00 h Podiumsdiskussion

20:00 h Gemeinsames Abendessen

Dienstag, 22.10.2019

9:00 h – 9:30 h Ankommen & Kaffee

9:30 – 10:30 h Charlotte Bigg (Paris):The view from here, there and nowhere? Situating the observer in the planetarium and in the solar system

10:30 – 11:30 h tba

11:30 – 12:30 h Pause

12:30 – 13:30 h William Boddy (New York): ‚Thrills sweep like electric currents through multitudes’: Spectacle, sociality and media competition in mid-century America

13:30 – 14:30 h Kaspar Maase (Tübingen): Spektakel: Populärkultur, Sinnlichkeit (und Utopie)

14:30 – 15:30 h Abschlussdiskussion

Kontakt

Helen Ahner

helen.ahner@uni-tuebingen.de

https://uni-tuebingen.de/de/160408