Das Helle und das Dunkle der Paulskirche

Das Helle und das Dunkle der Paulskirche

Veranstalter
Geschichte und Zukunft e.V.; in Kooperation mit Goethe-Universität Frankfurt, Konrad Adenauer Stiftung
Veranstaltungsort
1. Tag: SH 5.101, Seminarhaus, Norbert-Wollheim-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main, 2. Tag: Clifford Chance LL.P. Mainzer Landstraße 46, 60325 Frankfurt am Main
Ort
Franfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
24.10.2019 - 25.10.2019
Deadline
20.10.2019
Von
Prof. Dr. Anja Lobenstein-Reichmann, Dr. Michael Fahlbusch

Die Frankfurter Paulskirche gilt als architektonisches Symbol nicht der ersten demokratischen Versuche auf deutschem Boden, aber doch der bis dahin wichtigsten. Diese Versuche führten zwar nicht direkt zur gewünschten Demokratisierung, dienten mit einer parlamentarischen Arbeit aber doch zur Einübung und Prägung politischer Rede und Gepflogenheiten. Die mit der Märzrevolution 1848 vorübergehend einsetzende Pressefreiheit löste eine mediale Blütezeit politischer Textsorten, und damit letztlich die Politisierung breiter Bevölkerungsschichten aus.

Die Paulskirche gilt als Beginn der ständigen Institutionalisierung politischer Öffentlichkeit, in deren Folge sich nicht nur die Parteien konstituierten, sondern auch deren Ideologien und damit auch deren gruppengebundene Ideologiewortschätze. Zur „Sprache der Parteilichkeit“ (Holly 1991) gehören die heute noch in der Diskussion stehenden Ideologeme sozial, national, liberal, freiheitlich, Volk.

In den Kanon der parlamentarisch-demokratischen Diskurspraxis flossen aber auch jene Schreibweisen der politischen Intoleranz, der Menschenverachtung und nicht zuletzt des Antisemitismus ein, die spätestens seit 1871 von den Völkischen wie später von den Nationalsozialisten radikalisiert wurden.
Ziel dieser Tagung ist es, die dunklen und die hellen Traditionen der Paulskirche herauszuarbeiten, das heißt die Schreibweisen, die in ihrem Parlament konditioniert um dann Vorbild gebend für das demokratische wie für das völkische Denken zu werden, als Matrix der gegenwärtigen Debatten zu diskutieren. Innerhalb der Selbstfindung der sich gegenüber anderen europäischen Staaten ausprägenden deutschen Gesellschaft spielte die semantische Konkurrenz um Begriffe wie ‚Volk‘, ‚Nation‘ und ‚deutsch‘ eine bedeutende und noch wenig untersuchte Rolle. Dasselbe gilt für die parteiübergreifenden Inklusions- und Exklusionspraktiken von „Germanophilie“ und des Antisemitismus bzw. Fremdenfeindlichkeit. Deutschland und Europa im Jahr 2018 zeigen, dass solche Fragen nicht national begrenzt zu lösen sind, sondern geradezu nach europäischen oder globalen Antworten verlangen. Alle anvisierten Panels zu „Sprechweisen der Politik seit der Paulskirche“, „Demokratisierungsdiskurse und ihre völkischen Gegendiskurse seit der Paulskirche“, „völkische und demokratische Politisierung und ihre Öffentlichkeit(en)“, „Semiotisierungen des Politischen in Architektur und Denkmal am Beispiel der Paulskirche“ sind darauf ausgerichtet, im europäischen Vergleich betrachtet zu werden.

Programm

Vorläufiges Programm 24./25.Oktober 2019

24. Oktober 2019 (SH 5.101, Seminarhaus, Norbert-Wollheim-Platz 1, 60323 Frankfurt am Main)

9:15h Begrüßung und Eröffnung
Dr. Michael Fahlbusch und Dr. Julien Reitzenstein

9:30h Die Paulskirche und die Außenpolitik - von Polenfrage bis zu diplomatischen Missionen

Prof. em. Dr. Hanshenning Hahn, Oldenburg:
Vorstellungen in der Paulskirche von internationaler Politik und das europäische Staatensystem

Dr. Christian Wevelsiep, Bochum:
Die Gewaltfähigkeit des Staates

Prof. Dr. Frank Lorenz Müller, St. Andrews:
Die Paulskirche auf der „Bahn der Macht“: Nationalstaatsgründung und imperiale Ambitionen in der deutschen Revolution von 1848/49

10:45h Kaffeepause

11:15h Nationale Stereotypen

PD Dr. Hans-Christian Petersen, Oldenburg:
Deutsche Antworten auf die „slavische Frage“.

Dr. Christoph Kienemann, Düsseldorf:
Quo Vadis Deutschland? – Der Einfluss nationaler und völkischer Stereotype auf die territorialen Debatten in der Paulskirche

12:15h Mittagessen

13:30h Nationale Stereotypen (Fortsetzung)

Dr. Wolfgang Freund, Metz:
1848 in Frankreich und in Deutschland und Entwicklung der Demokratie im 19. Jh. in beiden Ländern

Dr. Ingo Haar, University Changchun:
Juden, Liberale und die 1848er-Revolution

15:00h Fremd- und Selbstwahrnehmung

PD Dr. Henning Türk, Bonn:
Politische Öffentlichkeit und Geschlecht: Fremd- und Selbstwahrnehmungen der Parlamentszuschauerinnen in der Paulskirche 1848/49

Prof. Dr. Thomas Michael Seibert, Frankfurt:
Der sogenannte Frankfurter Abgeordnetenmord, am 18.9.1848 an den im Café Milani tätigen Abgeordneten Fürst Lichnowsky und General v. Auerswald

Prof. Dr. Ubaldo Villani-Lubelli, Università del Salento in Lecce:
Volk und Nation von der Paulskirche bis zur Weimarer Republik

Kaffeepause

Tobias Hirschmüller, Eichstätt:
Ein „Frankfurter Beispiel“? Die Rolle der großdeutschen Idee in der Erinnerung an die Revolution von 1848/1849

Dr. Tina Theobald, Heidelberg:
Presse- und Sprachentwicklung im Kontext der Paulskirchenversammlung

Prof. Dr. Sven Günther, Chanchun, China:
Die Gewänder der antiken Demokratie(n) und ihre Rezeption im langen 19. Jahrhundert

Diskussion / anschließend ab 18:30 Uhr Apero für die Referenten

25. Oktober 2019 (Clifford Chance LL.P. Mainzer Landstraße 46, 60325 Frankfurt am Main)

9:00h Parlamentarische Diskurse

Dr. Sebastian Rosenberger, Göttingen/Heidelberg:
Großdeutsch oder kleindeutsch? Zu Inklusions- und Exklusionsmechanismen in Parlamentsreden in der Paulskirche

Laura Nippel M.A., Berlin:
„An meine Wähler!“ – Die Rechenschaftsberichte der Abgeordneten der Deutschen Nationalversammlung 1848/49

Dr. Katja Leyhausen-Seibert, Frankfurt:
Beleidigungen, Frechheiten, Zwischenfälle in der Frankfurter Nationalversammlung

Dr. Karin S. Wozonig, Ústí nad Labem:
Deutschland? Böhmen? Italien? – Habsburg! Die politischen Feuilletons der Schriftstellerin Betty Paoli (1814−1894) aus den Jahren 1848 und 1849

Abschlussdiskussion

12:00h Begrüßung durch Dr. Michael Borchard (Konrad-Adenauer-Stiftung) und
Prof. Dr. Anja Lobenstein-Reichmann (Geschichte & Zukunft e.V.)
anschließend Mittagessen

13:30h Die Wirkung der Paulskirche im Rückblick

Dr. Michael Borchard, Berlin
Die Farben der Bundesflagge Symbol der Nation oder der Sozialrevolutionäre?

Prof. Dr. Rüdiger Hachtmann, Berlin:
Der Berliner Friedhof der Märzgefallenen und die europäische Dimension der Revolution von 1848/49

Dr. Elvira Groezinger, Berlin:
Dankesreden der seit 1950 mit dem Friedenspreis des Deutschen Buchhandels ausgezeichneten Laureaten, wie u.a. Karl Dedecius, Martin Walser und Navid Kermani

16:00h Abschlussdiskussion mit Impulsreferaten

Sven Felix Kellerhoff, DIE WELT, moderiert:

Dr. Felix Klein, Beauftragter der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus:
Paulskirchenverfassung und Gleichberechtigung der Juden

Dr. Julien Reitzenstein, Düsseldorf, stellv. Vorsitzender Geschichte und Zukunft e.V.:
Die Paulskirche als positiver Erinnerungsort der Demokratie in Deutschland und den USA

Prof. Dr. Peter Schiffauer, stellvertretender Direktor des Dimitris-Tsatsos-Institut für Europäische Verfassungswissenschaften der Rechtswissenschaftlichen Fakultät, Fern-Universität Hagen:
Die Bedeutung der Paulskirchenversammlung für die europäische Verfassungsgeschichte

Dr. Elio Adler, Vorsitzender der Werteinitiative deutsch-jüdische Positionen e.V.:
Deutsch-jüdische Positionen in der Paulskirche und heute im Parlamentarischen Kontext

Ende gegen 18h

Die Teilnahme an der wissenschaftlichen Tagung kostet EUR 10,00 pro Teilnahmetag (Donnerstag ganztags und Freitag bis zum Mittag / die Teilnahme am Forum Demokratie ist kostenfrei).

Eine Anmeldung bis zum 20.10.2019 wird für die wissenschaftliche Tagung höflich erbeten über https://ge-zu.org/kontakt/

Eine Anmeldung für das Forum Demokratie wird höflich erbeten über

https://aoweb.kas.de/KAS_VaAnmeldung/Teilnehmerdaten.aspx?id_v=63159&a_A=1_A=1

Aufgrund begrenzter Kapazitäten empfehlen wir eine frühzeitige Anmeldung. Die Anmeldungen werden in der Reihenfolge ihres Eingangs bestätigt.

Die Tagung wird von Clifford Chance LL.P., dem Historischen Institut der Universität Frankfurt und dem Wissenschaftshistoriker PD Dr. Fabian Link unterstützt.

Das Forum Demokratie der Konrad-Adenauer-Stiftung und des Geschichte & Zukunft e.V. wird von der Konrad-Adenauer-Stiftung ausgerichtet.

Kontakt

Dr. Michael Fahlbusch

gezutagung2019@gmx.de

https://www.ge-zu.org/