Family & Disability. Comparing British and German Histories of Care for the Disabled

Family & Disability. Comparing British and German Histories of Care for the Disabled

Veranstalter
Prof. Dr. Gabriele Lingelbach, Historisches Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel; Prof. Dr. Christina von Hodenberg, Deutsches Historisches Institut London
Veranstaltungsort
Deutsches Historisches Institut London, 17 Bloomsbury Square, London WC1A 2NJ, Vereinigtes Königreich
Ort
London
Land
United Kingdom
Vom - Bis
18.02.2021 - 20.02.2021
Deadline
15.01.2020
Website
Von
Prof. Dr. Gabriele Lingelbach, Prof. Dr. Christina von Hodenberg

Die Pflege durch Alter sowie Behinderung beeinträchtigter Menschen war und ist eine zentrale Herausforderung in allen Gesellschaften. Ein bedeutender Teil der Sorgearbeit fand dabei stets in der Familie statt und prägte darüber deren Alltag und soziale Praktiken. Dabei sind alltägliche Care-Tätigkeiten seitens der verschiedenen Familienmitglieder eingefügt in private Aushandlungsprozesse, gesellschaftliche Anerkennungsökonomien und sozialstaatliche Rahmungen. Bisher hat aber die geschichtswissenschaftliche Forschung die Frage nach dem exakten Verhältnis dieser drei Einflüsse darauf, wer wann und wie in der Familie Pflege gab, an sich zuließ oder aber zurückwies noch nicht ausreichend beantwortet. Noch ist wenig darüber bekannt, wie familiäre Pflegesettings entstanden sind und wie sich die familiäre Verteilung von Sorgeaufgaben im Falle von Behinderung wandelte. Diese von der Fritz-Thyssen-Stiftung geförderte Tagung will daher in einer Synthese von Disability History, Care History und Familiengeschichte Einflussfaktoren auf häusliche Pflegearrangements vergleichend gewichten. Dies soll zum einen epochenübergreifend geschehen, um den Wandel familiärer Pflegeformen darzustellen. In diesem Zusammenhang soll auch diskutiert werden, ob durch die Berücksichtigung von „Behinderung“ die in der Forschung zurzeit gängigen Phaseneinteilungen der Familiengeschichte überdacht werden sollten. Zum anderen soll auch synchron zwischen Deutschland und Großbritannien verglichen werden, um nationale Spezifika herausarbeiten zu können. Auf der Grundlage der Vorträge soll u.a. erörtert werden, ob britisch-deutsche Unterschiede in der familiären Sorgearbeit in der Neuzeit bereits auf divergierende vormoderne Versorgungsstrukturen oder konfessionelle Praktiken rekurrierten oder erst die Genese moderner Sozialstaatlichkeit diese verursachte.

Erbeten werden daher sowohl Vortragsvorschläge mit mediävistischer oder frühneuzeitlicher Schwerpunktsetzung als auch solche zur Entwicklung im 19. und 20. Jahrhundert, die sich mit der deutschen und/oder der britischen familiären alltäglichen Pflege beeinträchtigter Menschen bzw. mit den diesbezüglichen politischen und wissenschaftlichen Debatten sowie medialen Repräsentationen befassen.

Auf der Tagung wird die Frage nach nationalen Konturen häuslicher Pflegearrangements einerseits auf die Wechselwirkungen von Familienkonstellationen und Behinderung zugespitzt. Somit sollen nicht nur Entwicklungslinien konkreter Pflegepraktiken untersucht werden. Vielmehr ist geplant, die Folgen einer auftretenden Behinderung für das Selbstverständnis mehrgenerationaler Gemeinschaften umfassend zu untersuchen. Dies schließt nicht nur die Familiendefinitionen, Lebensentwürfe und Zugehörigkeitsgefühle ihrer Mitglieder, sondern auch Fremdwahrnehmungen mit ein. Gewannen zum Beispiel Akteure jenseits der Kernfamilie an Legitimität durch Care-Arbeit an beeinträchtigten Menschen? Dem Ansatz der Disability History verpflichtet, wird Behinderung dabei nicht als individuelle, medizinisch definierte Eigenschaft, sondern als Produkt kontingenter soziokultureller Zuschreibungen und Praktiken verstanden. Vertreterinnen und Vertreter dieses in Deutschland wie Großbritannien weiterhin jungen Forschungsfeldes betonen, dass die Lebenslagen einzelner Gruppen behinderter Menschen nicht zuletzt von der gesellschaftlichen Akzeptanz ihrer jeweiligen Beeinträchtigung und der damit einhergehenden Legitimierung der Dringlichkeit ihres Pflegebedarfs abhingen. Die Annahme, dass die Gepflegten dabei rein passive Sorgeempfänger waren, soll jedoch, einem der Hauptanliegen der Disability History folgend, hinterfragt werden. Wir begrüßen daher Einsendungen, die wandelnde Aufmerksamkeitskonjunkturen für verschiedene Gruppen behinderter Menschen sowie deren Handlungsspielräume bei der Annahme und Ausgestaltung von Pflegeformen ausloten.

Anderseits soll die Aufmerksamkeit auf die geschlechts- und generationsspezifischen Verteilungen häuslicher Pflegetätigkeiten gelenkt werden. Vor allem die inkludierenden und exkludierenden Effekte familiärer Sorgearbeit an behinderten Menschen stehen hier im Vordergrund. Insbesondere wird nach Ursprüngen und früheren Ausprägungen der Tendenz zur Übernahme von Sorgetätigkeiten durch Mütter, Töchter und andere weibliche Angehörige gefahndet. Ist es zuvorderst der moderne Sozialstaat, dessen an Erwerbsarbeit orientierte Unterstützungssysteme eine Verrichtung von zeitintensiven Pflegetätigkeiten durch weibliche Familienmitglieder wahrscheinlicher machte? Oder sind es vielmehr durch Behinderung verstärkte, aber bereits etablierte Aufgabenverteilungen und gesellschaftlich wirksame Geschlechterkonzepte, die weibliche Care-Tätigkeiten für Familien unabdingbar und unhinterfragbar erscheinen ließen? Doch auch hier soll über die Praxisebene hinaus auf politische Rahmungen und mediale wie wissenschaftliche Verhandlungen dieser Tätigkeiten geblickt werden. Zu klären ist hier auch, ob die häusliche Pflege behinderter Menschen in der Öffentlichkeit anders verhandelt wurde als durch die betroffenen Familien selbst. Wir erbitten Beiträge, die geschlechtsbedingte und andere innerfamiliäre Bruchlinien bei der Verteilung von Pflegetätigkeiten hervorheben und ihre Kontexte differenzieren.

Exposés (Umfang: etwa 500 Wörter) mit einem kurzen Lebenslauf erbitten wir bis zum 15.1.2020 an die folgenden zwei Email-Adressen: lingelbach@histosem.uni-kiel.de; c.hodenberg@ghil.ac.uk.

Die Tagung soll auch Nachwuchshistorikerinnen und Nachwuchshistorikern die Möglichkeit geben, ihre Forschungsergebnisse zu präsentieren und zu diskutieren. Die Konferenzsprache ist Englisch. Eine (englischsprachige) Publikation ausgewählter Beiträge ist vorgesehen. Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten werden für alle Vortragenden übernommen.

Für nähere Auskünfte stehen die beiden Veranstalterinnen der Tagung gern zur Verfügung.

Programm

Kontakt

Prof. Dr. Gabriele Lingelbach
Historisches Seminar der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel
lingelbach@histosem.uni-kiel.de

Prof. Dr. Christina von Hodenberg
Deutsches Historisches Institut London
c.hodenberg@ghil.ac.uk