Belagerte, eroberte und besetzte Städte. Kontexte und Folgen der erfolglosen Verteidigung von Städten seit dem Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert

Belagerte, eroberte und besetzte Städte. Kontexte und Folgen der erfolglosen Verteidigung von Städten seit dem Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert

Veranstalter
Archiv der Hauptstadt Prag in Zusammenarbeit mit dem Institut für Geschichte der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, der Fakultät für Humanistische Studien der Karls-Universität, dem Lehrstuhl für Geschichte der Philosophischen Fakultät der J. E. Purkyně-Universität in Ústí nad Labem und dem Institut für Geschichte und Archivwissenschaft der Pädagogischen Universität in Krakau
Veranstaltungsort
Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, Národní 3, Praha 1
Ort
Prag
Land
Czech Republic
Vom - Bis
06.10.2020 - 07.10.2020
Deadline
15.04.2020
Von
Růčková, Markéta

Der 400. Jahrestag der Plünderung Prags durch die katholische Armee, die nach dem Scharmützel am Weißen Berg kampflos in die Stadt eindrang, die sich durchaus hätte verteidigen können, wirft die allgemeinere Frage nach den Kontexten und Folgen der erfolglosen Verteidigung von Städten seit dem Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert auf.
Es gibt viele Städte, die erobert und dann bis auf die Grundmauern zerstört oder zumindest gründlich geplündert wurden. Wir können mit Troja beginnen, in dem die Armee des Agamemnon marodierte, und über Karthago, das dem Erdboden gleichgemacht wurde, nach Rom reisen, das unter anderem im Jahr 476 von Odoakers Ostgoten erobert und ein gutes Jahrtausend später von den Söldnern Kaiser Karls V. geplündert wurde. Gesamteuropäische Aufmerksamkeit erlangte die Eroberung Konstantinopels durch die Truppen Sultan Mehmeds II. im Jahr 1453. Für Mitteleuropa bietet sich als Exempel die Eroberung und totale Vernichtung Magdeburgs und seiner Einwohner durch den kaiserlichen General Tilly im Jahr 1631 an, für Osteuropa die Eroberung Moskaus durch die Polen im Jahr 1610 oder die Besetzung derselben – jedoch verbrannten – Stadt durch Napoleon im Jahr 1812. Das zwanzigste Jahrhundert liefert uns insbesondere mit den beiden Weltkriegen Beispiele nicht nur für zahlreiche Belagerungen, sondern auch für die Eroberung von Großstädten. Für den Zweiten Weltkrieg ist vor allem die Eroberung Warschaus durch die Deutschen oder jene Berlins durch die Rote Armee zu erwähnen.
Fälle von Eroberung könnten wir auch in der Geschichte Prags finden: beginnend mit dem Jahr 1310 und Johann von Luxemburg über Georg von Podiebrad, die Unterwerfung der Prager Agglomeration durch Ferdinand I. im Jahr 1547, die schon erwähnte Schlacht am Weißen Berg 1620 oder die Besetzung Prags durch die Sachsen 1631/32 bis hin zu der bayerisch-französisch-sächsischen und preußischen Besetzung im 18. Jahrhundert und noch einmal der preußischen im Jahr 1866. Schließlich darf auch der Einmarsch der Wehrmacht 1939 und jener der sowjetischen Truppen 1968 nicht vergessen werden.
Die Menge der Eroberungen von bedeutenden Städten oder gar Metropolen legt nahe, dass die europäische Stadtgesellschaft bestimmte Verhaltensmuster und formale Verfahren entwickeln musste, um derartige Situationen zu meistern. Auf der Konferenz werden uns primär weder ereignisgeschichtliche Schilderungen der Eroberung und Plünderung von Städten noch die Analyse militärischer Strategien zur Überwindung großer und befestigter städtischer Siedlungen interessieren. Vielmehr möchten wir uns auf das Phänomen des „Erobertwerdens“, auf den Umgang der Städte mit dieser Situation und den laufenden Ereignissen konzentrieren.
Warum aber wurden Städte überhaupt erobert? Von Anfang an spielte hier die Vorstellung von einer großen Beute eine wichtige Rolle. Darüber hinaus entstanden oder wurden Metropolen und große Agglomerationen an strategisch wichtigen Orten gegründet, sodass die Herrschaft über die Stadt als „Bonus“ auch die Herrschaft über ein großes, zusammenhängendes Gebiet mit sich brachte. Die Unterwerfung der Hauptstadt bedeutete oft das Ende des gesamten Krieges und damit einen weiteren finanziellen und politischen Gewinn. Inwieweit waren sich sowohl die Belagerten als auch die Belagerer dieses Aspekts bewusst?
War es zeitgenössischer Usus, sich bis zur „letzten Patrone“ zu verteidigen, oder gab es eine respektierte Grenze, nach der es üblich war, sich zu ergeben, um die Bevölkerung vor dem Terror der Eroberer zu bewahren? Welche Gewohnheiten gab es seitens der Sieger gegenüber den besiegten Städten? Existierten allgemeine Regeln der Kapitulation, Verhaltensregeln gegenüber den Siegern und Verfahrensregeln gegenüber den Verlierern? Ebenso wichtig ist es, die „Pflichten“ der Sieger zu thematisieren: Wie wurde das eroberte Gebiet in der Regel verwaltet? Ad hoc oder bereiteten sich die Eroberungstruppen bzw. die Administration irgendwie darauf vor? Und wie verhielten sich die Eroberten? Entwickelten oder rekonstruierten sie die administrativen und organisatorischen Strukturen der Stadt oder warteten sie bis zum Ende der Besetzung? Inwieweit konnte erwartet werden, dass die bestehende Stadtverwaltung nach der Eroberung der Stadt mit den Besatzern zusammenarbeiten würde? Was konkret bedeutete die veränderte Situation für die Armen, für die reichen Eliten und für bestimmte andere Bevölkerungsgruppen (z. B. Juden, die zum Ziel von Pogromen sowohl der Besatzer als auch der eigenen Bevölkerung wurden)? War die Eroberung der Städte ein Anreiz für ihre spätere Modernisierung? Zu guter Letzt möchten wir auch die Frage untersuchen, wie und vor allem worüber im Fall der Eroberung einer Stadt für gewöhnlich berichtet wurde – in den Chroniken, in der zeitgenössischen Nachrichtenpresse, in den Relationen von Diplomaten und Sonderagenten: Gab es gängige Muster für Berichte über eroberte Städte? All dies sind Themen, die uns im Zusammenhang mit dem Jahrestag der Schlacht am Weißen Berg interessieren.

Potenzielle Referenten bitten wir, den geplanten Titel ihres Vortrags zusammen mit einem aussagekräftigen Abstract und einer Kurzbiographie bis zum 15. April 2020 an die unten angegebene Adresse einzureichen. Die Organisatoren behalten sich vor, unter den eingesandten Beiträgen eine Auswahl zu treffen. Die vorgetragenen Referate werden für die Veröffentlichung in der Reihe Documenta Pragensia berücksichtigt. Die Unterbringung der ausländischen Referenten erfolgt auf Kosten der Organisatoren, ein Tagungsbeitrag wird nicht erhoben. Die offiziellen Tagungssprachen sind Tschechisch und Deutsch (ggf. Englisch), eine Simultanübersetzung wird gewährleistet.

Für die Organisatoren:
doc. PhDr. Olga Fejtová, Ph.D.; prof. PhDr. Martin Holý, Ph.D.; prof. PhDr. Jiří Pešek, CSc.; prof. PhDr. Michaela Hrubá, Ph.D.; dr. Agnieszka Chłosta-Sikorska

Programm

Kontakt

Markéta Růčková

Archiv hl. města Prahy, Archivní 6, CZ-149 00 Praha 4, Tschechische Republik

marketa.ruckova@praha.eu

http://www.ahmp.cz/eng/index.html?mid=55