Die 15. Jahrestagung der Gesellschaft für Comicforschung (ComFor) möchte versuchen, über den Begriff der medialen ‚Handlungsmacht‘ bzw. ‚Handlungsinitiative‘ (Agency) einen Dialog zwischen den verschiedenen disziplinären Zugängen zum Medium Comic und verwandten populären narrativen Bildern (etwa Mangas, Graphic Novels oder Cartoons) herzustellen. Zu diesem Zweck sollen bspw. Perspektiven der seit den 1990er Jahren boomenden Akteur-Netzwerk-Theorie und einer daran anschließenden Akteur-Medien-Theorie für die Comicforschung produktiv gemacht werden, um die Komplexitäten medial verteilter Handlungsmacht im Kontext historischer wie gegenwärtiger Comickulturen zu rekonstruieren.
Eine Akteurin ist hier jede Entität, die in komplexen Verflechtungen aus Handlungsketten als Auslöser erkennbar wird und der sich Agency in diesem allgemeinen Sinne zuschreiben lässt. Konfigurationen, in denen eine solche Agency wirksam wird, können in ‚neomaterialistischen‘ Zugängen neben ‚natürlichen‘ Personen gleichermaßen Materialitäten, Apparate, Inskriptionen oder Programme umfassen. Die Jahrestagung wird dabei die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen (Gruppen von) individuellen, kollektiven und institutionellen bzw. industriellen Akteurinnen fokussieren – und dabei nicht zuletzt Unterscheidungen wie die zwischen Produzentinnen und Konsument*innen von Comics als Effekte der Distribution von Agency innerhalb historisch gewachsener medialer Konfigurationen zum Vorschein bringen.
Agency steht schließlich auch auf dem Spiel, wenn Rezipientinnen sich den hegemonialen Bedeutungen bzw. Deutungsmuster multimodaler Texte widersetzen und gegenläufige Positionen beziehen, wobei Autorinnenschaft als Attribution von Deutungshoheit zwischen diversen Instanzen – wie etwa Szenaristinnen, Zeichnerinnen, Koloristinnen und anderen Künstlerinnen, aber auch Herausgeberinnen oder Rechteinhaberinnen, Verlagen oder Konglomeraten und natürlich Rezipientinnen oder Fans – verstanden werden kann. Entsprechend lassen sich aus der skizzierten Perspektive Aspekte der Produktion von Comics (Autorinnenschaft und Institutionalisierung) auf Aspekte ihrer Rezeption (Appropriation und Diskursivierung) ebenso wie auf Aspekte ihrer Zirkulation (Partizipation und Kanonisierung) sowie auf ihre Potentiale zur Transmedialisierung und Öffentlichkeitsbildung beziehen.
Vor diesem Hintergrund freuen sich die Veranstalter*innen über Beitragsvorschläge auch – aber keineswegs ausschließlich – zu den folgenden thematischen Bereichen:
- (De-)Konstruktion von Autor*innenschaft
- Untersuchungen zu Produktionsvorgängen
- Fan-Diskurse und Rezensions-Mechanismen
- Probleme der kulturellen Teilhabe und Partizipation
- Kanonisierung sowie Einschlüsse und Ausschlüsse aus Continuity-Fragen
- Kontrolle über transmediale Franchises, Storyworlds und Figuren
- Einflüsse wandelbarer Techniken und Technologien auf Praktiken der Produktion, Distribution und Rezeption von Comics
- Der Einfluss ökonomischer Aspekte und Comic-Kulturen
- Fragen unterschiedlicher Öffentlichkeitsbildungen mit und durch Comics
Die Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch. Die Tagungsbeiträge sollen eine Länge von 20 Minuten plus Diskussion nicht überschreiten. Eine Publikation ausgewählter Beiträge ist geplant. Für die Einreichung eines Beitragsvorschlags ist die Mitgliedschaft in der ComFor nicht erforderlich. Die Teilnahme von Nicht-ComFor-Mitgliedern ist herzlich willkommen!
Die ComFor verfolgt über die je spezifischen Tagungsthemen hinaus das Ziel, die Zusammenarbeit und den Austausch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Comics zu stärken. Zusätzlich zum Tagungsthema bietet die Jahrestagung daher ein thematisch offenes Forum, auf dem angedachte und laufende Forschungsprojekte aller Art vorgestellt und gemeinsam konstruktiv diskutiert werden können. Das Format richtet sich an Kolleg*innen in allen Phasen und von Forschungsprojekten, von Abschlussarbeiten über Promotions- und Habilitationsprojekte bis zu freien und außerakademischen Vorhaben. Vorträge im Rahmen des Forums sollen 15 Minuten plus Diskussion nicht überschreiten.
Bitte schicken Sie ein Abstracts von etwa 500 Wörtern als PDF- und Word-Datei mit kurzen biobibliographischen Angaben in deutscher oder englischer Sprache bis zum 31. Mai 2020 an comfor2020@comicgesellschaft.de. Markieren Sie bitte, ob es sich um einen Vorschlag für einen Vortrag zum Tagungsthema oder einen Diskussionsbeitrag zum Forum handelt.