Innere Kolonisation? Preußische Geschichte als Polnische Geschichte und umgekehrt

Innere Kolonisation? Preußische Geschichte als Polnische Geschichte und umgekehrt

Veranstalter
Deutsches Historisches Institut Warschau (Felix Ackermann, DHI Warschau; Markus Krzoska, Justus-Liebig-Universität Gießen; Agnieszka Pufelska, Universität Wien / Nordost-Institut Lüneburg)
Ausrichter
Felix Ackermann, DHI Warschau; Markus Krzoska, Justus-Liebig-Universität Gießen; Agnieszka Pufelska, Universität Wien / Nordost-Institut Lüneburg
Veranstaltungsort
Online
PLZ
00540
Ort
Warszawa
Land
Poland
Vom - Bis
19.11.2020 - 19.11.2020
Deadline
18.11.2020
Von
Felix Ackermann, German Historical Institute Warsaw

Die Teilungen des Polnisch-Litauischen Reichs führten von 1772 an zur Einverleibung von Gebieten der polnischen Krone unter anderem in das Königreich Preußen. Die Teilnehmer des Runden Tisches zur Geschichte des folgenden langen 19. Jahrhunderts diskutieren, ob man die Aneignungs- und Modernisierungsprozesse in den polnischsprachigen Gebieten Preußens als „innere Kolonisation“ beschreiben kann.

Innere Kolonisation? Preußische Geschichte als Polnische Geschichte und umgekehrt

Der Runde Tisch greift die Debatte um das koloniale Erbe preußischer und deutscher Geschichte auf, die derzeit mit Fokus auf die zukünftigen Sammlungen des neu errichteten Berliner Stadtschlosses und „kontaminierte“ Straßennamen geführt wird. Auf Grundlage aktueller Forschungsarbeiten zur preußisch-polnischen Geschichte des 19. und frühen 20. Jahrhundert diskutieren die Teilnehmer/innen, wie die Aneignung polnischer Territorien durch Preußen sowie nach 1871 die unterschiedlichen Facetten des Kulturkampfs gegen katholische Bürger in den Ostprovinzen des Deutschen Reichs im Komplex post-kolonialer Aufarbeitung wissenschaftlich bearbeitet werden können. Statt dies auf der Metaebene zu tun, werden konkrete methodische und theoretische Zugänge vorgestellt und anhand von vier Forschungsarbeiten beleuchtet. Das Format des Runden Tischs richtet sich an ein breites Fachpublikum und hat zum Ziel, Ansätze für den systematischen Vergleich der drei imperialen Kontexte der Teilungen Polen-Litauens am Beispiel Preußens zu formulieren.

Die Teilungen des Polnisch-Litauischen Reichs führten von 1772 an zur Einverleibung von Gebieten der polnischen Krone unter anderem in das Königreich Preußen. Die Teilnehmer des Runden Tisches zur Geschichte des folgenden langen 19. Jahrhunderts diskutieren, ob man die Aneignungs- und Modernisierungsprozesse in den polnischsprachigen Gebieten Preußens als „innere Kolonisation“ beschreiben kann. Dabei steht der politische, wirtschaftliche und kulturelle Umgang mit der Differenz der katholischen Untertanen im neuen Osten Preußens im Mittelpunkt. Ausgehend von einer kritischen Diskussion bisheriger Forschungsansätze, etwa zu Westpreußen und Großherzogtum Posen, mithilfe post-kolonialer Theorie sowie im Vergleich zu deutschen Überseekolonien zu deuten, bringen die Teilnehmer ihre Perspektive aus den neuesten Forschungsarbeiten zur Geschichte des 19. Jahrhunderts ein. Dazu gehört der Fokus auf einzelne Institutionen, die als Räume des Aushandelns von Differenz funktionierten.

Empirisch werden sowohl das Verhältnis von evangelischer und katholischer Gefängnisseelsorge im Strafvollzug preußischer Strafgefängnisse als auch die Entwicklung preußischer Hygiene-Diskurse in den Blick genommen. In einem direkten Zusammenhang mit der gezielten Ansiedlung von deutschsprachigen Kolonisten im Osten und Norden der Provinz Posen steht die Tätigkeit der Ansiedlungskommission. Diese wird in Bezug auf ihren Umgang mit der Verbringung von Kindern aus dem Zentrum des Deutschen Reichs an die Peripherie der Provinz Posen untersucht. Zu guter Letzt wird der wirtschaftliche Aspekt einer zunehmenden Politisierung und Nationalisierung des Handels mit Grund und Boden beleuchtet. „Innere Kolonisation“ wird als zeitgenössisches Konzept eingeführt und kritisch diskutiert, wie man heute die Gesamtheit der preußischen Aneignungsprozesse und Herrschaftstechniken in Polen fassen könnte. Nach Impulsvorträgen folgt eine offene Diskussion über die methodischen und theoretischen Herausforderungen bei der Beantwortung der Frage nach einem inneren polnischen Vektor imperialer preußischer Politik. Da die Projekte während des Roundtables nicht umfassend dargestellt werden, fügen wir eine Bibliographie an.

Bibliographie:

Territorialisation and Incarceration: The Nexus between Solitary Confinement, Religious Praxis and Imperial Rule in nineteenth-century Poland and Lithuania, in: Acta Poloniae Historica 118 (2018), str. 5–37. http://aph-ihpan.edu.pl/images/APH118/01_Ackermann.pdf

Agnieszka Pufelska. Osteuropas Moderne zwischen Globalgeschichte und postcolonial studies, in: Mitteleuropa? Zwischen Realität, Chimäre und Konzept, hg. von Johann P. Arnason, Petr Hlaváček; Stefan Troebst, Prag 2015, S. 179–188.

Daniel Stienen: Landownership between Nationalization and De-Liberalization: Changes in Prussian Property Regimes, 1886–1914, in: Zeitschrift für Ostmitteleuropa-Forschung, 69 (2020), S.355-377. https://www.zfo-online.de/portal/index.php/zfo/article/view/10772/10775

Justyna Turkowska: Der kranke Rand des Reiches. Sozialhygiene und nationale Räume in der Provinz Posen um 1900, Verlag des Herder-Instituts, Marburg 2020.

Lenny Urena Valerio, Colonial Fantasies, Imperial Realities: Race, Science and the Making of Polishness on the Fringes of the German Empire, 1840-1920, Ohio University Press 2019.

Programm

Einführung: Ostmitteleuropaforschung und Postkalonialismus, Agnieszka Pufelska (Wien)

Felix Ackermann (Warschau): Flüchtlingskirche und Gefängniskapelle. Religiöse Praxis im aufgelassenen Reformatenkloster zu Rawitsch als preußischer Strafanstalt

Justyna Turkowska (Edinburgh): Genesung des Ostens: Preußischer imperialer Raum in biopolitischer Lenkung

Daniel Stienen (Berlin): Wie kolonial war die preußische Siedlungspolitik?

Roii Ball (Los Angeles): Constructing the Imperial Frontier: A social history of the Prussian settler-colonial project in the German-Polish borderlands

Kommentar: Markus Krzoska (Gießen)

Online-Roundtable, 19.11.2020, 18.00–20.00 Uhr, Deutsch und Englisch

Anmeldung per E-Mail bis 18.11., Zoom-Link wird vorab verschickt

Kontakt

Felix Ackermann, ackermann@dhi.waw.pl

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Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Deutsch
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