Die Homosexualitäten im deutschsprachigen Raum (19.–21. Jh.)

Die Homosexualitäten im deutschsprachigen Raum (19.–21. Jh.)

Veranstalter
Revue d'Allemagne et des pays de langue allemande
PLZ
67000
Ort
Strasbourg
Land
France
Vom - Bis
10.11.2020 -
Deadline
13.12.2020
Von
Frédéric Stroh, EA 3400 ARCHE, Université de Strasbourg

Als mehrsprachige und interdisziplinäre Zeitschrift untersucht die Revue d’Allemagne et des pays de langue allemande mit Hilfe sozial- und geisteswissenschaftlicher Methoden unter Berücksichtigung der Langzeitperspektive alle Bereiche der Geschichte sowie aktuelle Fragen des deutschsprachigen Raumes. Ab sofort können Beiträge für eine Sonderausgabe zum Thema „die Homosexualitäten im deutschsprachigen Raum (19.-21. Jh.)“, die Ende 2021 erscheinen soll, eingereicht werden.

Die Homosexualitäten im deutschsprachigen Raum (19.–21. Jh.)

Wegen der psychopathologischen Erklärung des gleichgeschlechtlichen Begehrens sowie der Entwicklung der ersten homosexuellen Bewegung der Welt am Ende des 19. Jhs., wurde Deutschland als Ort der „Erfindung der Homosexualität“ -um den Titel des Bestsellers von Robert Beachy zu übernehmen- beschrieben. Zumindest Homosexualität im „modernen“ Sinn von Michel Foucault. Gleichzeitig war Deutschland aber auch ein Ort der Verfolgung der Homosexualität, dessen Höhepunkt in der NS-Zeit erreicht wurde. Diese beiden Merkmale sind nicht widersprüchlich. Im Gegenteil sie sind miteinander verknüpft und ihre Verbindung kann als Muster der Homosexualitäten deutschsprachiger Länder im ersten Teil des 20. Jhs. betrachtet werden. Dasselbe galt nämlich in Österreich und in der deutschsprachigen Schweiz, während es im französischsprachigen Raum in dieser Zeit weder Gesetzgebung gegen die Homosexualität noch organisierte Strukturen von Homosexuellen gab. Die Auswirkung dieser sonderlichen Vergangenheit dehnt sich bis zur heutigen Zeit aus.

Einerseits hat die Geschichtsschreibung der Homosexualitäten -insbesondere über die Zeit vor 1945- im deutschsprachigen Raum ein Integrationsniveau im universitären Feld ohne Vergleich im Kontinentaleuropa erreicht. Die Vermehrung der Forschungsprojekte und wissenschaftlichen Veröffentlichungen beweisen sogar eine Beschleunigung dieser Tendenz und zeigen wie vielseitige und komplexere Themen und Interpretationen sowie theoretische und methodische Perspektiven dieses Forschungsbereichs seit den ersten Studien der siebziger und achtziger Jahren geworden sind. Der besonders starke Einsatz der englischen und nordamerikanischen Forscher für die Geschichte der Homosexualitäten im deutschsprachigen Raum trägt zu dieser Erneuerung der Geschichtsschreibung und ihrer wissenschaftlichen Anerkennung bei. Andererseits beeinflusst die einheimische Geschichte der Homosexualitäten vor 1945 -oder vielmehr ihre Verwendung- die Weiterentwicklung der Homosexualitäten im deutschsprachigen Raum ständig: Fortsetzung der alten Gesetzgebung in der frühen BRD, Anrufung des Opferbilds der „Rosa Winkel“ von der zweiten homosexuellen Bewegung, Entwicklung des Gedächtnisses der NS-Verfolgung der Homosexualität als Komponente der heutigen staatlichen Politik gegen Diskriminierung der Homosexuellen, usw. Aber trotz ihren Bezug auf ihre eigene Geschichte, scheint die Entwicklung der Homosexualitäten im deutschsprachigen Raum -vor allem ab den siebziger Jahren- ihre Besonderheiten progressiv zu verlieren, und die überwiegend aus Nordamerika verbreiteten gemeinsamen Eigenschaften des Westens anzunehmen.

Diese Sonderausgabe der Revue d’Allemagne soll die Merkmale der Homosexualitäten im deutschsprachigen Raum über eine lange Zeit schildern und die Existenz eines spezifischen Musters der Homosexualitäten in deutschsprachigen Ländern vor sowie nach 1945 und heute hinterfragen. Gleichzeitig soll auch der aktuelle Stand und die Zukunftsperspektive der geistes- und sozialwissenschaftlichen Homosexualitätenforschung für den deutschsprachigen Raum sichtbar gemacht werden. Willkommen sind sowohl empirische als auch theoretische Artikel. Der betrachtete Zeitraum läuft vom 19 Jh. bis zur heutigen Zeit. Räumlich kommen Themen in Bezug auf alle deutschsprachigen Länder (Deutschlands, Österreich, Luxemburg, Lichtenstein, deutschsprachigen Schweiz und Belgien) in Frage, aber auch auf Gebieten, die historisch mit dem deutschsprachigen Raum verbunden sind (Baltikum, Mittel- und Osteuropa, deutsche Kolonien) und Regionen mit deutschen Minderheiten in aller Welt. Besonders erwünscht sind Beiträge, die die zeitlichen sowie räumlichen Verhältnisse, Kontinuitäten und Brüche hinterfragen, und solche, die die gegenwärtige Entwicklung thematisieren. Die Beiträge können aus allen Disziplinen der Geistes- und Sozialwissenschaften eingereicht werden.

Mögliche Gegenstände, Themen und Fragestellungen sind bspw.:
- Die Geschichte und Soziologie der Homosexualitäten im deutschsprachigen Raum: vielfältige Formen der Diskriminierung und Verfolgung der Homosexuellen, staatliche Politik gegen die Diskriminierung der Homosexuellen, „Homoehe“, Sozialbewegungen und Begründungsmodelle für sowie gegen die Entkriminalisierung und die Erweiterung der Rechte der Homosexuellen, Selbst- sowie Fremdbilder der Homosexuellen, Lebenswelten und Handlungsspielräume der Homosexuellen, Einzelbiographien, AIDS-Krise, Umgang nach 1945 mit der einheimischen Geschichte der Homosexualitäten, usw.
- Die geistes- und sozialwissenschaftliche Forschung der Homosexualitäten im deutschsprachigen Raum: Geschichtsschreibung der Homosexualitätenforschung, Stelle der Homosexualitätenforschung im aktivistischen bzw. universitären Feld, Erneuerung der Themen, Quellen sowie methodologische und theoretische Fragestellungen der Homosexualitätenforschung, Beiträge der Queer Studies, alte und aktuelle Forschungsdebatte über die Geschichte und Soziologie der Homosexualitäten, usw.

Wir bitten um Beitragsvorschläge auf Deutsch, Französisch oder Englisch (Abstract in max. 2.000 Zeichen inkl. Leerzeichen und kurze Vita mit Publikationen) bis zum 13. Dezember 2020 an den Herausgeber Dr. Frédéric Stroh (frederic.stroh@wanadoo.fr). Eine Rückmeldung über die Annahme Ihres Beitrags erhalten Sie bis zum 20. Dezember. Die vollständigen Artikel (40.000 Zeichen inkl. Leerzeichen und Fußnoten) sollen am 20. Mai 2021 abgegeben werden.

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Sprach(en) der Veranstaltung
Englisch, Französisch, Deutsch
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