Flaschenpost. Die Migration der Schriften

Flaschenpost. Die Migration der Schriften

Veranstalter
Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow
Veranstaltungsort
digital
PLZ
04103
Ort
Leipzig
Land
Deutschland
Vom - Bis
03.12.2020 - 04.12.2020
Deadline
01.12.2020
Von
Julia Roos, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur - Simon Dubnow

Aufgrund der Corona-Pandemie findet die Jahreskonferenz des Dubnow-Instituts digital statt. Bitte melden Sie sich bis zum 1. Dezember 2020 an, um einen Link zum digitalen Vortragsraum zu erhalten. Schicken Sie hierzu bitte eine E-Mail an jahreskonferenz2020(at)dubnow.de mit der Angabe des Veranstaltungstitels »Flaschenpost«, Ihres Namens, ggf. Institution und der E-Mailadresse, an die wir den Link zum Veranstaltungsraum schicken sollen.

Flaschenpost. Die Migration der Schriften

Als 1944 die »Dialektik der Aufklärung« fertiggestellt wurde, hatte sich im emigrierten Institut für Sozialforschung dafür längst die Metapher der Flaschenpost durchgesetzt. Denn das Buch, in dem Max Horkheimer und Theodor W. Adorno die historischen, politischen und sozialen Kräfte auf den Begriff zu bringen versuchten, die sie ins Exil gezwungen hatten, besaß kein Zielpublikum: Die Schrift war auf Deutsch in Amerika verfasst worden, reflektierte die amerikanische Erfahrung, ohne amerikanisch zu sein, und bediente sich der europäischen philosophischen Traditionen, ohne darin aufzugehen. Die Rezeption setzte zu einer anderen Zeit, an einem anderen Ort ein. Diese räumliche und zeitliche Verschiebung brachte die in das Buch eingeschriebenen Kontexte zum Verschwinden.

Auch bei anderen Exilschriften aus dem Umfeld der Arbeiterbewegung, der politischen Linken und ihren Intellektuellenkulturen traten Erfahrungs-, Entstehungs- und Rezeptionszusammenhang deutlich auseinander. Sie standen teils quer zu Strömungen ihrer Zeit, hatten aufgrund ihrer Entstehung im Exil andere historische Erfahrungen in sich aufgenommen oder, wie die auf Jiddisch verfassten Schriften, ihre Leserschaft verloren. Zugleich verdrängten aktuellere Schriften die Flaschenpostsendungen aus der Zeit des Exils, oder es wurden Texte rezipiert, die vor langer Zeit entstanden waren. Mit ihrer Hilfe wurde über den Zivilisationsbruch hinweggegangen.

Im Rahmen der Jahreskonferenz wird anhand exemplarischer Exilschriften insbesondere aus dem deutschsprachigen Raum der Migration von Texten, Theorien und Ideen nachgegangen, mit denen auf den Nationalsozialismus, den Holocaust, ihre Vorgeschichte und ihre Auswirkungen reflektiert wurde. Es wird nach den in ihnen niedergelegten historischen Erfahrungen, dem Einfluss des Exils auf die Theoriebildung, Missverständnissen der Rezeption, Chiffrierungen und Kodierungen gefragt. Auseinanderdriftende Erfahrungs-, Entstehungs- und Rezeptionsbedingungen der Texte werden enggeführt. Ergänzend werden Texte herangezogen, die für konkurrierende Ereignisse und Erinnerungen stehen. Auf diese Weise soll die historische Geltungskraft arbeiter- und gewerkschaftsbewegter Begriffe ebenso herausgearbeitet werden wie die Bedingungen von Erkenntnis über den Nationalsozialismus und den Holocaust.

Programm

Donnerstag, 3. Dezember 2020

12.30 Begrüßung
Yfaat Weiss
Michaela Kuhnhenne
Wolfgang Uellenberg-van Dawen

12.45 Einführung
Jan Gerber

13.00 Beschädigte Überlieferung
Moderation: Doris Maja Krüger

Magnus Klaue: Durch das Eismeer der Geschichte. Über Exil, Emigration und Kulturtransfer

Kommentar: Mona Körte

14.00 Vor der Zeit
Moderation: Carolin Piorun

Zarin Aschrafi: From the Jewish to the National Question. On the reception of Ber Borochov in Western Europe during the late 1960s

Kommentar: Daniel Gutwein

14.45 Pause

15.30 Vor der Katastrophe
Moderation: Elisabeth Gallas

Tom Navon: The Decline of a Book. Otto Heller’s »The Decline of Judaism«

Kommentar: Jack Jacobs

16.30 Angesichts der Vernichtung
Moderation: Philipp Graf

Robert Zwarg: Restauration, Reaktion, Revolution. Georg Lukács’ »Der Rassenwahn als Feind des menschlichen Fortschritts«

Kommentar: Stephan Braese

Freitag, 4. Dezember 2020

10.00 Aus der Zeit getreten
Moderation: Anne Klotz

Anja Jahn: Re-calling the days that were entirely night. Distant readings of Rachel Auerbachs »Yitzkor«

Kommentar: Boaz Cohen

11.00 Deckereignisse
Moderation: Lukas Böckmann

Lutz Fiedler: Überlagerungen. Jean Amérys widersprüchliche Fanon-Lektüren

Kommentar: Claus Leggewie

11.45 Pause

13.00 Gegenwart und Zukunft
Moderation: Martin Jost

Felix Pankonin: Dissonante Rezeption. Die drei Ausgaben von Richard Löwenthals »Jenseits des Kapitalismus«

Kommentar: Mike Schmeitzner

14.00 Flaschenpost
Moderation: Enrico Lucca

Udi Greenberg: Ernst Fraenkel’s »The Dual State.« From Subversive Anti-Capitalist Critique to Anti-Nazi Classic

Kommentar: Alfons Söllner

15.00 Abschlusskommentare
Moderation: Imanuel Clemens Schmidt

Michael Schneider
Heidemarie Uhl
Jan Gerber

15.30 Ende der Jahreskonferenz

Kontakt

Leibniz-Institut für jüdische Geschichte und Kultur – Simon Dubnow
Goldschmidtstraße 28, 04103 Leipzig
+49 341 21 735 50
jahreskonferenz2020@dubnow.de

https://www.dubnow.de/veranstaltungen/konferenzen/