Workshop am Institut für philosophische und ästhetische Bildung der Alanus Hochschule in Alfter und am Institut für Germanistik der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
8. und 9. Juli 2021
Die Veranstaltung findet online statt.
Veranstaltende: Martin Bartelmus und Maurice Saß
Deadline 28. Februar 2021
Ottmar Anschütz, George Shiras und Carl Georg Schillings gehören zu den Pionieren der Wildtierfotografie, die nachhaltig das Bild veränderte, das man sich von freilebenden Tieren machte. Die Entwicklung lichtempfindlicher Trockenplatten, schneller Verschlussmechanis-men sowie optimierter Linsen erlaubte um die Wende zum 20. Jahrhundert, Wildtiere nicht nur als Kadaver und Beute oder in Studio und Gehege abzulichten, sondern ihnen in ihrem natürlichen Habitat nachzuspüren. Die frühen Wildtierfotografen bedienten damit ein popu-läres Interesse an der als lokal, national oder kolonial geschätzten Fauna, steuerten einen wichtigen Beitrag zur zoologischen Forschung ihrer Zeit und verstanden sich nicht selten als Vorkämpfer des Tier- und Naturschutzes. Denn die sublime Kamerajagd ermöglichte Na-turerfahrung, Abenteuer und Trophäen, ohne die begehrten Tiere erlegen zu müssen, was sie dennoch taten.
Vom toten zum lebenden Tier, so kann man die Entwicklung der Wildtierfotografie grob zusammenfassen. Ganz neu stellte sich damit aber auch die Frage, wie man ein Tier richtig fotografiert: technisch, ästhetisch, ethisch? Und was wird eigentlich fotografiert bei der Wildtierfotografie? Die Gattung, die Art, das Individuum im zoologischen Sinn? Oder doch das Wilde, Naturhafte, Andere? Letzteres bringt die Wildtierfotografie in ein Spannungsver-hältnis zum Begriff des „Antlitzes“, der gewöhnlich dem Menschen vorbehalten ist. Jacques Derrida widmet sich diesem Begriff bekanntlich in seinem Seminar „Das Tier, das ich also bin“ in Auseinandersetzung mit Emmanuel Levinas. Eine Betrachtung der Wildtierfotografie mithilfe des Markers „Antlitz“ erlaubt es, so unsere These, nicht nur die historischen Bedin-gungen und den diskursiven Zusammenhang dieses spezifischen Mensch-Tier-Verhältnisses zwischen Natur, Technik und Kultur zu betrachten, sondern auch den ästhetisch-ethischen Eigenwert des tierlichen Fotos zu perspektiveren.
Auf einem Workshop des Instituts für philosophische und ästhetische Bildung der Alanus Hochschule in Alfter und des Instituts für Germanistik der Heinrich-Heine-Universität Düs-seldorf möchten wir das Thema Wildtierfotografie hinsichtlich folgender Aspekte befragen:
- Geschichte der Wildtierfotografie: Welche technischen Bedingungen setzte die Wild-tierfotografie voraus? Welche politischen und vor allem kolonialen Zusammenhänge haben die Wildtierfotografie möglich gemacht und befördert? Mit welchen anderen Bildmedien ging die Wildtierfotografie einher bzw. konkurrierte sie? Welche Reso-nanz produzierte die Wildtierfotografie in der zeitgenössischen Medien- und Foto-theorie?
- Bildanthrozoologie: Welche ästhetischen Strategien der Wildtierfotografie lassen sich identifizieren? Welchen Einfluss haben sie auf das Verhältnis von Jagd und Fo-tografie bzw. von Bild und Tod? Wie ist das Verhältnis von wissenschaftlicher und künstlerischer Darstellungsweise und Praxis? Gibt es ein „richtiges“ Foto von Wild-tieren?
- Akteur*innen, Institutionen, Netzwerke: Welche Zoo-Biographien schreibt die Wild-tierphotographie? Wo wurden die Bilder benutzt, gezeigt und publiziert? Welche so-zialen Verbindungen lassen sich in Bezug auf Kolonialismus, Tierhandel, Wissen-schaft und Unterhaltungskultur identifizieren? Inwiefern ging die Wildtierphotogra-phie mit dem Entwerfen geschlechtlicher, ‚rassistischer‘ und nationaler Identität einher?
- Ökologische Fragen: Welche Rolle spielte die frühe Wildtierphotographie in der Ge-schichte des Tierschutzes und der Gründung von Naturreservoirs und Nationalparks? Gibt es ein Spannungsverhältnis zwischen Ethik und Ästhetik in der Wildtierfotogra-fie?
Der Workshop findet online am 8. und 9. Juli 2021 statt. Wir bitten um deutsche oder engli-sche Abstracts von nicht mehr als 300 Wörtern für einen 20-minütigen Vortrag oder ein Kurzstatement zu oben genannten oder anderen anschlussfähigen Themen bis zum 28. Februar 2021 an folgende Adressen: martin.bartelmus@hhu.de und mauri-ce.sass@alanus.edu
Der Workshop versteht sich als Auftaktveranstaltung zu einer kollaborativen Beschäftigung mit dem Thema der (frühen) Wildtierfotografie. In welcher Form dies geschehen kann möchten wir mit den Teilnehmenden diskutieren. Insofern freuen wir uns auf die Möglich-keit zum Austausch und begrüßen ausdrücklich auch Interessierte, die am Anfang ihrer Re-cherche stehen oder noch kein klar konturiertes Forschungsthema haben, die sich aber an der Diskussion beteiligen und vernetzen wollen. Willkommen sind daher auch Hinweise auf wenig oder nicht erschlossene Nachlässe von Wildtierfotograph*innen sowie Interessensbe-kundungen von Interessierten, die zum Zeitpunkt des Workshops verhindert sein sollten.