In der heutigen akademischen Philosophie dominiert die Auffassung, dass zwischen „historischer“ und „systematischer“ Forschung zu unterscheiden ist. Mit „historisch“ ist dabei gemeinhin die Rekonstruktion vergangener philosophischer Positionen gemeint, während „systematisch“ einen Bezug auf aktuelle Debatten und Argumentationszusammenhänge bezeichnet, der auf eine Auseinandersetzung mit historischen Kontexten der Philosophiegeschichte verzichtet.
Auch wenn diese Unterscheidung ohne Frage heuristischen Wert besitzt, so erweist sie sich unter theoretischen Gesichtspunkten dennoch als problematisch und für den Begriff von Philosophie selbst folgenreich. Auf welcher theoretischen Grundlage ist das Verhältnis von Historie und Systematik überhaupt als kontradiktorisch zu bestimmen? Da jegliches Denken auf die Gegenstände seiner Gegenwart bezogen ist und notwendig aus zeitbedingten Kontexten, Diskursen und Horizonten hervorgeht, lässt sich immerhin bezweifeln, dass es sich aus diesen verlustfrei herauslösen lässt. Ist damit historisches Arbeiten im Sinne eines Ausleuchtens von Prämissen, Katalysatoren, Dynamiken und Interferenzen der philosophischen Wissensproduktion für ein angemessenes Verständnis von philosophischen Konzepten aber nicht vielmehr notwendig und konstitutiv? Oder kann sich systematisches Forschen nur um den Preis einer radikalen Enthistorisierung vollziehen?
Geht man davon aus, dass die Geschichte zur Philosophie gehört und historische Herangehensweisen systematische Methoden nicht nur komplettieren, sondern deren Kerngehalte mitbestimmen, dann bleibt dennoch unklar, was jeweils unter „Geschichte“ bzw. „Philosophie“ verstanden werden soll. Wie kann ein vermittelndes, historisch fundiertes Philosophieren – auch unter Rückgriff auf Archivquellen und Materialien – aussehen?
Bei der Beschäftigung mit dieser Frage können drei zentrale Ebenen unterschieden werden: Erstens lässt sich allgemein das Verhältnis von Philosophiegeschichte und an systematischen Fragen orientierter Philosophie thematisieren, das etwa als logisch getrennt, dialektisch vermittelt oder integrativ begriffen werden kann. Zweitens lässt sich nach dem konkreten Zugang philosophiehistorischen Arbeitens fragen, das beispielsweise ideengeschichtlich, begriffsgeschichtlich oder diskursanalytisch verfahren kann. Drittens lässt sich nach dem Mehrwert einer historischen Perspektive für philosophisches Denken fragen, d.h. inwiefern diese für ein adäquates Verständnis philosophischer Ideen, Begriffe und Argumente relevant ist.
Dieser Problemkonstellation möchte sich der Workshop „Methode und Material. Philosophisches Arbeiten zwischen Systematik und Geschichte“ widmen. Ziel des Workshops ist es, über mögliche Vor- und Nachteile philosophischen Forschens zwischen Geschichte und systematischen Fragen zu diskutieren und methodische Zugänge aber auch Probleme zu reflektieren.
Gesucht werden Beiträge von Doktorand/innen und Postdoktorand/innen, die sich vorzugsweise auf die Philosophiegeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts beziehen und im Spannungsfeld zwischen historischer und systematischer Forschung bewegen. Anhand der eigenen Forschung soll aufgezeigt werden, welche Vorteile aber auch Spannungen eine historische Perspektive für das behandelte Thema bietet, ferner welche methodischen Probleme bestehen.
Das Netzwerk Philosophiehistorisches Arbeiten bittet um
Zusendung eines Abstracts (max. 3500 Zeichen inkl. Leerzeichen) für einen Vortrag (max. 25 min.) und eines kurzen biographischen Abrisses bis zum 31.03.2021 an:
netzwerk-philosophiehistorie@uni-jena.de
Veranstalter/innen:
Julia Gruevska (FSU Jena)
Nicholas Coomann (FSU Jena)
Max Beck (FSU Jena)
Dr. Kevin Liggeri (TU Darmstadt)