Die materielle Kultur im frühmittelalterlichen westslawischen Siedlungsraum gewann vom 6./7.–12./13. Jh. beständig an Vielfalt und Komplexität. Das ging mit einer Zunahme und Professionalisierung der nichtagrarischen Produktion sowie einer Verdichtung des überregionalen Kommunikationsnetzwerkes einher und war mit der Entfaltung der sozialen und politischen Verhältnisse verbunden. Diese Prozesse sind an der Keramik, aber auch an Schmuck, Gerät, Waffen und vielen anderen Dingen, namentlich an deren technischer Qualität und kunsthandwerklicher Ausgestaltung erkennbar. Zudem liefern Ausgrabungen in Siedlungen, Burgen und frühstädtischen Zentren vielfach Hinweise auf Handwerkstätigkeit und Werkstätten: Zu nennen sind hier beispielsweise die Relikte der Knochen- und Geweihschnitzerei, der Erzeugung von Glasperlen, der Arbeit mit Buntmetall, des Verhüttungs- und Schmiedewesens, der Töpferei und der Holzteererzeugung. Die handwerkliche Produktion, der Handel mit besonders qualitätvollen Objekten und auch die verstärkte Verwendung gehobenen Gutes waren oft an ökonomische Zentren und Gebiete hoch entwickelter politisch-herrschaftlicher Organisation geknüpft.
Die notwendigen Rohstoffe konnten dabei teilweise lokal oder zumindest regional gewonnen werden, was etwa für Ton, Geweih, Bienenwachs, Holz oder auch Raseneisenerz galt. Andere Materialien gab es nur in bestimmten Teilen des westslawischen Raums, etwa für hochwertige Mahl- und Wetzsteine geeignete Steinvorkommen, und wieder andere Roh- und Grundstoffe wurden von weither importiert, etwa Silber und Buntmetalle. Daraus und aus der Notwendigkeit des Absatzes der Fertigprodukte ergibt sich die enge Verflechtung des Handwerks mit dem Fernhandel und seine Einbindung in ein überregionales Kommunikationsnetzwerk, in dessen Rahmen auch technische Innovationen oder stilistisch-kunsthandwerkliche Impulse vermittelt wurden. Der Themenkreis trägt insofern auch zum Verständnis wechselnder wirtschaftlicher Verbindungen zwischen kulturellen Großräumen bei. Rohstoffgewinnung und -verarbeitung konnten sich ferner auf die Umwelt und die Siedlungslandschaft auswirken.
Für das Schwerpunktthema sind also archäologische, historische, namenkundliche und naturwissenschaftliche, aber auch kulturanthropologische und technikgeschichtliche Forschungen zu den Themenfeldern Technologie, Handwerk und Rohstoffgewinnung von Interesse: Betrachtungen zu einzelnen Wirtschaftssparten oder Materialgruppen, zu zeitlich und räumlich übergreifenden Entwicklungen der nichtagrarischen Produktion, zur Wechselwirkung sozialer und ökonomischer Veränderungen, zur Wiederverwertung bzw. zum Recycling von Objekten, zu Handwerkstechniken und Rohstoff-Abbaumethoden sowie zum Transfer technischer Innovationen und stilistischer Elemente. Im Fokus stehen aber auch archäologische Befunde und Funde mit Bezug zu Handwerk, Rohstoffabbau oder -handel, zu Werkstätten und anderweitigen Produktionsrelikten. Zeitlich geht es um das frühe und hohe Mittelalter (6./7.–12./13. Jh.), räumlich um den westslawischen Raum (Ostdeutschland, Polen, Tschechien, die Slowakei und benachbarte Gebiete).
Wie auf den bisherigen Treffen soll es auch in Jena wieder Raum geben für aktuelle Beiträge aus der Forschung zur slawischen Frühgeschichte, die keinen engeren Bezug zum Schwerpunktthema haben. Für diesen Teil der Sektion zur slawischen Archäologie sind Beiträge ebenfalls sehr willkommen. Aufgrund des diesjährigen Tagungsortes gilt das besonders auch für Vorträge über die Slawen in Thüringen und dessen Nachbargebieten.
Bitte melden Sie Ihren Vortrag (20–25 Minuten Länge, in deutscher oder englischer Sprache) unter Angabe des Titels und mit einer kurzen Zusammenfassung (maximal 250 Worte) bis zum 15. Mai 2021 unter der Mailadresse felix.biermann@usz.edu.pl an. Eine anschließende Veröffentlichung der Beiträge in einem Tagungsband ist für das Jahr 2022 vorgesehen.
Für die Teilnahme an der Tagung ist außerdem eine Anmeldung beim MOVA (Mittel- und Ostdeutscher Verband für Altertumsforschung) notwendig; Tagungsgebühr und sonstige Kosten sind von den Teilnehmerinnen und Teilnehmern selbst zu bestreiten. Bitte informieren Sie sich direkt dort: www.mova-online.de. Hier finden Sie ggf. auch Informationen zu etwaigen Änderungen infolge möglicher Maßnahmen zur Einschränkung der Corona-Pandemie.