Transformation der Aufarbeitung – Transformation der Erinnerung

Transformation der Aufarbeitung – Transformation der Erinnerung. Umbenennung und Denkmalsturz in der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland seit 1990

Veranstalter
Deutsches Polen-Institut, Darmstadt
Veranstaltungsort
Online
Gefördert durch
Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur
PLZ
64283
Ort
Darmstadt / Online
Land
Deutschland
Vom - Bis
28.06.2021 - 29.06.2021
Deadline
17.05.2021
Von
Julia Röttjer (Deutsches Polen-Institut, Darmstadt) und Jakub Szumski (Imre Kertész Kolleg Jena)

Transformation der Aufarbeitung – Transformation der Erinnerung

Der Workshop untersucht den Umgang mit dem symbolischen und materiellen Erbe des Kommunismus in Deutschland und Polen an den Schnittstellen zwischen Aufarbeitung, Erinnerung und Geschichtspolitik. Durch Historisierung und vergleichende Analyse von Fallbeispielen, der damit verbundenen Debatten und ihrer Konsequenzen soll ein Beitrag zum Verständnis der gesellschaftlichen Transformationsprozesse in Europa seit 1990 geleistet werden.

Transformation of (Post-)Communist Memory

The workshop examines how the symbolic and material legacy of communism in Germany and Poland is dealt with in terms of memory, history politics and critically reappraising the socialist past. By historizing and comparing debates, case studies and societal implications, a contribution to the understanding of the transformation processes in Europe since 1990 is sought.

Transformation der Aufarbeitung – Transformation der Erinnerung. Umbenennung und Denkmalsturz in der Republik Polen und der Bundesrepublik Deutschland seit 1990

Im Verlauf der letzten zwei Jahre hat es in Deutschland in vielen Kommunen und auch darüber hinaus einige Aufmerksamkeit für öffentliche Einrichtungen und Orte gegeben, deren Benennungen aufgrund von historischen Befunden in Frage gestellt werden. Während sich die aktuelle Debatte hauptsächlich auf die koloniale Vergangenheit Deutschlands bezieht, werden auch Diskussionen erneut belebt, in denen es um die Aufarbeitung nationalsozialistischer Geschichte geht. Schließlich werden Phänomene der Auseinandersetzung mit der Geschichte der Deutschen Demokratischen Republik in den Blick genommen und hier teilweise ältere Debatten neu verhandelt. Verschiedene Wahrnehmungen erregten die mediale Aufmerksamkeit: Umbenennung von Straßen, Plätzen oder ganzen Städten während des Kommunismus, ihre (vermeintlich) in aller Stille vollzogene oder voreilige Rück-Benennung in der Zeit unmittelbar nach der friedlichen Revolution von 1989/90 – oder der Verzicht darauf. Der Umgang mit Denkmälern aus kommunistischer Zeit ist erneut zu einer breit wahrgenommenen Frage geworden: Die Art der gesellschaftlichen Diskussionsprozesse bzw. ihr Fehlen werden thematisiert, nicht stattgefundene Denkmalstürze genauso wie stattgefundene.

In Polen existiert eine sehr lebhafte öffentliche Debatte über die eigene Geschichte und den Umgang damit, die auch – aber bei weitem nicht ausschließlich – durch die Bedeutung gespeist wird, die die aktuelle Regierung der Geschichtspolitik zumisst. Hauptsächlicher historischer Referenzrahmen ist hierbei der Zweite Weltkrieg. Allerdings wird zuletzt immer deutlicher, wie sehr öffentliche historische Deutungen des Kriegs und der deutschen wie der sowjetischen Besatzung mit der folgenden Zeit des Kommunismus und der Abhängigkeit von der Sowjetunion zusammen formuliert werden. In den vergangenen 30 Jahren hat es in Polen unterschiedliche Phasen von Denkmalstürzen und Umbenennungen gegeben, die viel radikaler als in Ostdeutschland waren. Nicht nur werden diese Phasen jetzt von den verschiedenen politischen Standpunkten aus konträr gedeutet. Seit April 2016 wird auf Initiative der Zentralregierung auf regionalen und lokalen Ebenen die weitere Umkodierung des öffentlichen Raums intensiviert. Symbole und Namen, die vom Gesetzgeber als totalitär beschrieben werden, werden untersagt und die Regelung mit verwaltungsrechtlichen Mitteln durchgesetzt. Das Schlagwort für diesen kontroversen Vorgang, das einen noch viel umfassenderen gesellschaftlichen Prozess beschreibt, lautet „Dekommunisierung“.

Hierzu veranstaltet das Deutsche Polen-Institut, gefördert durch die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, einen Workshop. Ziel der Veranstaltung ist es, den Umgang mit dem symbolischen und materiellen Erbe des Kommunismus in Deutschland und Polen an den Schnittstellen zwischen Aufarbeitung, Erinnerung und Geschichtspolitik zu vergleichen und zu analysieren. Hierfür sollen ganz konkret sowohl polnische als auch deutsche Fallbeispiele der Auseinandersetzungen mit Straßennamen, Denkmälern und anderen Formen des öffentlichen Gedenkens aus der Zeit des Kommunismus gesammelt, dokumentiert und mit folgenden erkenntnisleitenden Fragen vergleichend diskutiert werden:
• Wie wurde mit dem Erinnerungszeichen (Straßenname, Gedenktafel, Denkmal, Erinnerungsort, Gedenkstätte) nach 1989/1990 umgegangen?
• Warum sind Umdeutungen erfolgt oder unterblieben? Wer waren die maßgeblichen Akteure? Welche Konsequenzen haben sich aus der Form der Aufarbeitung ergeben?
• In welchen Konjunkturen sind die Aufarbeitungsprozesse verlaufen? Welche Phasen lassen sich ableiten?
• Mittels welcher Kategorien und Begrifflichkeiten lassen sich diese Entwicklungen begreifen?
• Wie unterscheiden sich die einzelnen Phänomene in Deutschland und Polen voneinander, was eint sie?
• Gibt es gemeinsame Konjunkturen und vergleichbare Phasen und wie unterscheiden sich die Entwicklungen über die letzten 30 Jahre, welche Zäsuren und Trends lassen sich ermitteln?

Der Workshop ist in zwei Teilen mit anschließender Publikation geplant – eine Dokumentation der wissenschaftlichen Ergebnisse mit Fallbeispielen. Der erste Teil des Workshops findet in einem digitalen Format statt, am 28.–29. Juni 2021. Er dient der Vorstellung der individuellen Projekte und der Verständigung über Forschungsstände und methodische Ansätze in Bezug auf Polen, Deutschland und darüber hinaus. Der zweite Teil des Workshops wird am 2.– 3.12.2021 nach Berücksichtigung der Pandemielage möglichst „live“ in Person in Darmstadt, am Sitz des Deutschen Polen-Instituts, organisiert. Die einzelnen Fallbeispiele und die dann weit fortgeschrittenen Texte werden diskutiert, die gemeinsamen Erkenntnisse zusammengetragen. Anschließender Termin für die Abgabe der Druckmanuskripte ist der 3.01.2022.

Konferenzsprachen sind Deutsch und Englisch.

Bitte bewerben Sie sich mit einem Abstract (300 Wörter) und einer biographischen Notiz bis zum 17.05.2021 an roettjer@dpi-da.de. Eine Bestätigung über die Annahme Ihrer Präsentation erhalten Sie im Anschluss schnellstmöglich.

Julia Röttjer (Darmstadt), Jakub Szumski (Jena)

Transformation of (Post-)Communist Memory. Renaming Public Spaces and Redefining Monuments in the Republic of Poland and the Federal Republic of Germany since 1990

In the course of the last two years attention in many German municipalities was drawn to the names of public places or institutions that raise questions of legitimacy due to historical findings. While the current debate mainly relates to Germany's colonial past, also discussions concerning dealings with the history of national socialism are revived. Finally, phenomena related to the history of the German Democratic Republic are examined, often leading to renegotiating already controversial debates. Various perceptions attracted media attention: the renaming of streets or even entire cities during communism followed by the (supposedly) quietly executed or so-called premature renaming in the period immediately after the peaceful revolution of 1989/90 – or the lack of it. Dealing with heritage from the communist era has once again become a widely perceived question.

In Poland there is a very lively public debate about dealing with national history, which is also – but by no means exclusively – fueled by the importance that the current government attaches to history politics. The main historical frame of reference is the Second World War. However, it is becoming increasingly clear how much public historical interpretations of the war and the German and Soviet occupations are understood only in conjunction with the subsequent period of communism and the dependence on the Soviet Union. In the past 30 years there have been different phases of ‘Denkmalsturz’ and renaming public spaces in Poland. Since April 2016, on the initiative of the central government, re-coding of public space has been intensified at regional and local levels. Symbols and names that the legislature describes as totalitarian are prohibited, and this regulation is enforced through administrative means. The catchphrase for this controversial process, which encompasses a much broader societal context, is “decommunization”.

The German Institute of Polish Affairs is organizing a workshop, funded by the the Federal Foundation for the Study of the Communist Dictatorship in Eastern Germany. The aim of the event is to compare and analyze the handling of the symbolic and material legacy of communism in Germany and Poland at the interfaces between critical reappraisal, memory and history politics. For this purpose, both Polish and German case studies of the post-communist dealings with street names, monuments and other forms of public commemoration from the time of communism are to be collected, documented and discussed comparatively with the following questions:
• How was the place of memory (street name, plaque, monument, memorial, place of remembrance) discussed and publicly maintained after 1989/1990?
• Why were reinterpretations made, why did they not take place or fail? Who were the key players? What are the consequences?
• In which conjunctures did the reappraisal processes take place? Which phases can be observed?
• What categories and terms can be designed to understand and differentiate these developments?
• Are there common developments and comparable phases and how do the conjunctures in Germany and Poland differ over the last 30 years, which turning points and trends can be identified?

The workshop is planned in two parts in 2021, with a subsequent publication in the next year. The first part of the workshop will take place in a digital format, on 28–29 June 2021. It serves to present the individual projects and to discuss the state of research and methodological approaches in relation to Poland, Germany and beyond. The second part of the workshop will be organized "live" in person in Darmstadt, at the German Institute of Polish Affairs, on 2–3 December 2021, if possible, after considering the pandemic situation. The individual case studies and the then far advanced texts are discussed and the common findings are compiled. The deadline for submitting the print manuscripts will be 3 January 2022.

Conference languages are German and English.

Please apply with an abstract (300 words) and a biographical note until 17 May 2021 to roettjer@dpi-da.de. You will receive confirmation of acceptance of your presentation as soon as possible.

Julia Röttjer (Darmstadt), Jakub Szumski (Jena)

Kontakt

Julia Röttjer, Deutsches Polen-Institut, Tel. 06151-4202-23, roettjer@dpi-da.de

https://www.deutsches-polen-institut.de