Enttäuschungsdiskurse. Zur kritischen Auseinandersetzung mit und (künstlerischen) Darstellung von Misstrauen, Ressentiment und Verbitterung im Osten

Enttäuschungsdiskurse. Zur kritischen Auseinandersetzung mit und (künstlerischen) Darstellung von Misstrauen, Ressentiment und Verbitterung im Osten

Veranstalter
Prof. Dr. Ton Nijhuis, (Politologie, Geschichtswissenschaften) Universität von Amsterdam / Deutschlandinstitut
PLZ
1012 CE
Ort
Amsterdam
Land
Netherlands
Vom - Bis
30.07.2021 -
Deadline
15.10.2021
Von
Prof. Dr. Ton Nijhuis, Universität von Amsterdam

Im Zentrum stehen Enttäuschungsdiskurse und die kritische Auseinandersetzung mit und (künstlerische) Darstellung von Misstrauen, Ressentiment und Verbitterung im Osten. Es interessieren die negativen Gefühle und Emotionen, die das (politische/gesellschaftliche) Handeln gegenwärtig motivieren und die Perzeption der BürgerInnen steuern.

Enttäuschungsdiskurse. Zur kritischen Auseinandersetzung mit und (künstlerischen) Darstellung von Misstrauen, Ressentiment und Verbitterung im Osten

CFA: Publikation (Synchron Wissenschaftsverlag)

by Ton Nijhuis / Anna Seidl
Der Ton in gesellschaftlichen und politischen Debatten hat sich in den letzten Jahren dramatisch verschärft. Rechtspopulismus, Extremismus, Fake News und Verschwörungstheorien sind keine Randphänomene mehr, sondern stehen inzwischen im Zentrum gesellschaftlicher Diskussionen.

In politischen Analysen wird die zunehmende Verhärtung der Fronten oft auf eine Polarisierung zurückgeführt. Als Ursachen dieser Entwicklung wird dabei häufig Ungleichheit und Deprivation genannt: einerseits im Hinblick auf soziale Differenzen bzw. Stratifizierung, andererseits aber auch im Hinblick auf die geographische Lokalisierung wie beispielsweise bei den neuen Bundesländern sowie Ländern in Mittel- und Osteuropa.

Bei den Diskussionen rund um europäische Ost-West-Unterschiede oder Phänomene wie „die Mauer im Kopf“ werden die durch Frustration ausgelösten tieferen emotionalen und psychischen Dynamiken hingegen nur selten thematisiert.

Dies erstaunt, da in den In den letzten Jahrzehnten in den Sozial- und Geisteswissenschaften die Aufmerksamkeit gegenüber der Bedeutung von Emotionen für das Verständnis gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Handelns zugenommen hat.

In unserer geplanten Publikation konzentrieren wir uns speziell auf die negativen Gefühle und Emotionen, die das (politische/gesellschaftliche) Handeln gegenwärtig motivieren und die Perzeption der BürgerInnen steuern. In erster Instanz sind es enttäuschte Erwartungen, die im Weiteren zu Frustrationen führen und am Ende negative Gefühle wie Misstrauen, Ressentiment oder Verbitterung hervorrufen. Diese prägen dann sowohl die weiteren Erwartungen als auch die Perzeption gesellschaftlicher und politischer Verhältnisse und Prozesse.

Ausgehend von der Annahme, dass politisches und gesellschaftliches Handeln stark durch Emotionen motiviert und legitimiert wird, sollen die Gründe und Folgen der negativen Gefühlslage im Osten genauer betrachtet werden. Dabei ist zum einen zu untersuchen, auf welche Weise Gefühle medial generiert bzw. literarisch und künstlerisch dargestellt und reflektiert werden; zum anderen sind aber auch die Wahrnehmungsmuster – im Blick auf sich selbst und auf andere – von Bedeutung. Wenn BürgerInnen bzw. WählerInnen das „Gefühl“ haben, nicht gesehen und gehört zu werden und sich zunehmend fremd in der eigenen Heimat fühlen, wenn sie befürchten, zu kurz zu kommen, weil von ihnen gefordert wird, Solidarität für andere aufzubringen, während sie selbst keine empfangen, dann kann schnell der Eindruck entstehen, ein(e) Bürger(in) zweiter Klasse zu sein.

Negative Emotionen und die hierdurch ausgelösten psychologischen Mechanismen und Prozesse können sich im öffentlichen Raum politisch sehr unterschiedlich äußern, wobei die Frustrationen in osteuropäischen Ländern und die als „Ostwind“ (Wolfgang Schröder) bezeichneten Minderwertigkeits- und Entbehrungsgefühle in den Neuen Bundesländern auch die Dynamik des europäischen und gesamtdeutschen Parteienwettbewerbs prägen. Dieser Mechanismus lässt sich beispielhaft am Aufkommen von rechtspopulistischen Parteien, dem Widerstand gegen den europäischen Integrationsprozess, einer allgemeinen Politikverdrossenheit oder auch der Hinwendung zu Verschwörungstheorien aufzeigen.

Neben dem öffentlichen und politischen Diskurs haben sich inzwischen auch Kunst und Literatur des Themas der emotionalen Politik von Enttäuschung, Ressentiment, Verbitterung, etc. angenommen und zeichnen dabei oftmals ein komplexeres Bild dieser spezifischen Gesellschaftsproblematik, als dies in politikwissenschaftlich orientierten journalistischen Artikeln gelingt. Ausgehend von den individuellen Konflikten der ProtagonistInnen, deren rigide Wahrnehmung z.B. als „abgewiesene Liebhaber und sitzengelassene Bräute“ (Ingo Schulze) problematisiert werden, geraten hier die emotionalen Abgründe in den Blick, die vor dem Hintergrund der durch Traditionen, Werte und Geschichte geprägten Wahrnehmungsmuster reflektiert werden.

Ausgehend von diesen Vorüberlegungen stellen sich folgende Fragen:

- Mit welchem emotionalen Begriffsrepertoire wird die aktuelle Ost-West-Problematik in Deutschland und Europa in den Medien sowie in Kunst und Literatur kommentiert und welche Erklärungsmodelle bzw. Diagnosen werden angeboten?
- Welche psychischen Mechanismen verbergen sich hinter Kränkung, Misstrauen, Ressentiment und Verbitterung und welchen Reaktionen werden hierdurch ausgelöst?
- Welche politisch motivierten negativen Gefühle werden gegenwärtig in Kunst und Literatur thematisiert und welche emotionale Beweisführung dafür angeboten?
- Welche Darstellungsformen ostdeutscher oder osteuropäischer „Unlustgefühle“ lassen sich (in der Kunst/Literatur) ausmachen?
- Wie werden die von Traditionen, Werten und Überzeugungen geprägt Wahrnehmungsmuster bei der Darstellung von Kränkung, Misstrauen, Ressentiment und Verbitterung etc. reflektiert?
- Welche künstlerischen Darstellungen und Kommentierungen von Verschwörungstheorien lassen sich finden?
- Wie wird frustrierten Erwartungen in Ländern Mittel – und Osteuropas künstlerisch Form gegeben?

Wir freuen uns über wissenschaftliche Beiträge, zu solchen und ähnlichen Fragen. Bei Interesse senden Sie bitte bis spätestens 15. Oktober 2021 eine knappe Skizze Ihres Beitrags an:

Prof. Dr. Ton Nijhuis (Universität von Amsterdam / Deutschlandinstitut Amsterdam): a.j.j.nijhuis@uva.nl

und / oder

Dr. Anna Seidl (Universität von Amsterdam): a.s.seidl@uva.nl

Kontakt

a.j.j.nijhuis@uva.nl
a.s.seidl@uva.nl

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Deutsch
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