Für Band 14 der Beiträge zur Rechts-, Gesellschafts- und Kulturkritik (vormals Sale-cina-Beiträge zur Gesellschafts- und Kulturkritik, trafo Verlag Berlin, http://www.kritische-reihe.de) werden Beiträge zum Thema
Letzte Worte / Letzter Wille
gesucht.
„Letzte Worte“ binden selten die Person alleine, die damit ihren „letzten“ Willen erklärt, sondern vor allem auch diejenigen, welchen eine letztwillige Verfügung gilt: „Der Erblasser kann durch einseitige Verfügung von Todes wegen (Testament, letztwillige Verfügung) den Erben bestimmen“, heißt es in § 1937 BGB. Diese zentrale Norm des Erbrechts knüpft an eine lange Rechtstradition an, die bis in die Antike zurückreicht. Die Bedeutung des Testaments schon in antiken Kulturen zeigt sich etwa anhand der Möglichkeit der testamentarischen Freilassung aus dem unfreien Status der Sklaverei oder des ereignispolitisch relevanten Falls einer Gebietshinterlassenschaft durch die Pergamenische Erbschaft an Rom. Wie man durch einen politischen Gegner mittels der – nicht durch ihn autorisierten - öffentlichen Verlesung von dessen Testament in Misskredit bringen konnte, zeigt exakt jene Methode, die Octavian gegen Marcus Antonius anwandte.
Solche Konzepte verleihen letzten Worten und Willenserklärungen die Möglichkeit, Selbst-Bindungen über den Tod hinaus zu erzeugen, womöglich sogar postmortale Identitäten zu generieren. Das „Gedächtnis des Willens“, welches F. Nietzsche in der Genealogie der Moral beschreibt, dient Menschen offenbar nicht nur dazu, Versprechen abgeben und Verpflichtungen eingehen zu können – die „Mnemotechnik“ begründet auch die Verantwortung gegenüber dem Gedächtnis, wie sie J. Assmann beispielhaft anhand der altägyptischen Gerechtigkeitskonzeption und des „Bindungsgedächtnisses“ beschreibt, das die Lebenden von ihrer Vergänglichkeit zu erlösen verspricht. Überwindung der eigenen Vergänglichkeit ist freilich nicht bloß ein kulturspezifisches Desiderat, sondern darüber hinaus ein geradezu universeller Menschheitstraum. Daraus erklärt sich, warum schließlich auch Denkmälern und Grabmalen ein Status zukommen kann, der sie als stellvertretende Quasi-Objekte in dem Sinne, den vor allem M. Serres formuliert hat, erscheinen lässt. Immer stellt sich jedoch die Frage, ob dieser Status zu Recht besteht – mit anderen Worten: ob das Vertretungsobjekt als authentisch gelten darf, ganz entsprechend, wie stets auch nach der Authentizität, Gültigkeit, gegebenenfalls der Anfechtbarkeit (§§ 2078 ff. BGB) letztwilliger Verfügungen von Todes wegen gefragt werden muss.
Letzte Worte und letzter Wille müssen allerdings auch nicht unbedingt an die Bedingung des Todes geknüpft sein, wie schon das Beispiel der Patientenverfügung für den Fall einer möglichen Willens- oder Entscheidungsunfähigkeit zeigt. Auch der Angeklagte, dem im Strafprozess das „letzte Wort“ gebührt (§ 258 StPO), lebt heute natürlich weiter – wenngleich unter einem nachfolgenden Diktum, das für ihn und andere bindend ist. „Drei Versionen des Schlussworts vor Gericht“ (C. Vismann) gibt es mindestens, aber noch weitaus mehr Worte, die die Form von politischen, literarischen und künstlerischen Vermächtnissen annehmen. Von besonderem Interesse für die Tagung sind daher auch nicht zuletzt Fälle, in denen bewusst gegen den testamentarisch verfügten letzten Willen des Verstorbenen gehandelt wird wie etwa im Fall von nicht autorisierten postumen Publikationen von literarischen, bildlichen oder filmischen Kunstwerken. In diesem Kontext scheint auch das Konzept, noch zu Lebzeiten zum Konservator und Verwalter des eigenen Erbes zu werden (wie aktuell das Beispiel der Gruppe Kraftwerk zeigt) relevant zu sein.
Anmeldungen von Beiträgen: bis zum 31. März 2014.
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Dr. Malte Gruber: gruber@jur.uni-frankfurt.de
Professor Dr. Sabine Müller:
S.Mueller@uibk.ac.at