Letzte Worte / Letzter Wille

Letzte Worte / Letzter Wille

Veranstalter
Malte Gruber, Goethe-Universität Frankfurt am Main; Sabine Müller, Universität Innsbruck / Universität Kiel
Veranstaltungsort
Goethe-Universität Frankfurt
Ort
Frankfurt am Main
Land
Deutschland
Vom - Bis
18.07.2014 - 19.07.2014
Deadline
31.03.2014
Website
Von
Sabine Müller

Für Band 14 der Beiträge zur Rechts-, Gesellschafts- und Kulturkritik (vormals Sale-cina-Beiträge zur Gesellschafts- und Kulturkritik, trafo Verlag Berlin, http://www.kritische-reihe.de) werden Beiträge zum Thema

Letzte Worte / Letzter Wille

gesucht.

„Letzte Worte“ binden selten die Person alleine, die damit ihren „letzten“ Willen erklärt, sondern vor allem auch diejenigen, welchen eine letztwillige Verfügung gilt: „Der Erblasser kann durch einseitige Verfügung von Todes wegen (Testament, letztwillige Verfügung) den Erben bestimmen“, heißt es in § 1937 BGB. Diese zentrale Norm des Erbrechts knüpft an eine lange Rechtstradition an, die bis in die Antike zurückreicht. Die Bedeutung des Testaments schon in antiken Kulturen zeigt sich etwa anhand der Möglichkeit der testamentarischen Freilassung aus dem unfreien Status der Sklaverei oder des ereignispolitisch relevanten Falls einer Gebietshinterlassenschaft durch die Pergamenische Erbschaft an Rom. Wie man durch einen politischen Gegner mittels der – nicht durch ihn autorisierten - öffentlichen Verlesung von dessen Testament in Misskredit bringen konnte, zeigt exakt jene Methode, die Octavian gegen Marcus Antonius anwandte.

Solche Konzepte verleihen letzten Worten und Willenserklärungen die Möglichkeit, Selbst-Bindungen über den Tod hinaus zu erzeugen, womöglich sogar postmortale Identitäten zu generieren. Das „Gedächtnis des Willens“, welches F. Nietzsche in der Genealogie der Moral beschreibt, dient Menschen offenbar nicht nur dazu, Versprechen abgeben und Verpflichtungen eingehen zu können – die „Mnemotechnik“ begründet auch die Verantwortung gegenüber dem Gedächtnis, wie sie J. Assmann beispielhaft anhand der altägyptischen Gerechtigkeitskonzeption und des „Bindungsgedächtnisses“ beschreibt, das die Lebenden von ihrer Vergänglichkeit zu erlösen verspricht. Überwindung der eigenen Vergänglichkeit ist freilich nicht bloß ein kulturspezifisches Desiderat, sondern darüber hinaus ein geradezu universeller Menschheitstraum. Daraus erklärt sich, warum schließlich auch Denkmälern und Grabmalen ein Status zukommen kann, der sie als stellvertretende Quasi-Objekte in dem Sinne, den vor allem M. Serres formuliert hat, erscheinen lässt. Immer stellt sich jedoch die Frage, ob dieser Status zu Recht besteht – mit anderen Worten: ob das Vertretungsobjekt als authentisch gelten darf, ganz entsprechend, wie stets auch nach der Authentizität, Gültigkeit, gegebenenfalls der Anfechtbarkeit (§§ 2078 ff. BGB) letztwilliger Verfügungen von Todes wegen gefragt werden muss.

Letzte Worte und letzter Wille müssen allerdings auch nicht unbedingt an die Bedingung des Todes geknüpft sein, wie schon das Beispiel der Patientenverfügung für den Fall einer möglichen Willens- oder Entscheidungsunfähigkeit zeigt. Auch der Angeklagte, dem im Strafprozess das „letzte Wort“ gebührt (§ 258 StPO), lebt heute natürlich weiter – wenngleich unter einem nachfolgenden Diktum, das für ihn und andere bindend ist. „Drei Versionen des Schlussworts vor Gericht“ (C. Vismann) gibt es mindestens, aber noch weitaus mehr Worte, die die Form von politischen, literarischen und künstlerischen Vermächtnissen annehmen. Von besonderem Interesse für die Tagung sind daher auch nicht zuletzt Fälle, in denen bewusst gegen den testamentarisch verfügten letzten Willen des Verstorbenen gehandelt wird wie etwa im Fall von nicht autorisierten postumen Publikationen von literarischen, bildlichen oder filmischen Kunstwerken. In diesem Kontext scheint auch das Konzept, noch zu Lebzeiten zum Konservator und Verwalter des eigenen Erbes zu werden (wie aktuell das Beispiel der Gruppe Kraftwerk zeigt) relevant zu sein.

Anmeldungen von Beiträgen: bis zum 31. März 2014.

Bitte senden Sie Ihre Themenvorschläge mit einem Exposé und kurzen biobibliographischen Angaben an eine der folgenden Anschriften:
Dr. Malte Gruber: gruber@jur.uni-frankfurt.de
Professor Dr. Sabine Müller:
S.Mueller@uibk.ac.at

Programm

Die Frankfurter „Beiträge zur Rechts-, Gesellschafts- und Kulturkritik“, herausgegeben von Malte-Christian Gruber, führen die im Jahr 1996 von Gisela Engel begründeten „Salecina-Beiträge zur Gesellschafts- und Kulturkritik“ mit einer zusätzlichen rechtswissenschaftlichen Akzentuierung fort. Der ursprüngliche Name der Reihe geht auf die früher jeweils in den Sommermonaten im Bildungszentrum der Stiftung Salecina (Maloja / Schweiz) veranstalteten Tagungen zur Gesellschafts- und Kulturkritik zurück. Inzwischen finden die Veranstaltungen in Frankfurt am Main statt und erfahren dort eine the¬matische Erweiterung um Fragen der Rechtskritik.

Die daraus hervorgehende Reihe soll nunmehr auch der besonderen Bedeutung von Rechtsphilosophie und Rechtstheorie für gesellschaftliche sowie kulturelle Fragestellungen Rechnung tragen und insoweit eine auch im Vergleich zu normativer Ethik und Moralphilosophie erweiterte kritische Perspektive eröffnen. Zugleich will die Reihe die Unverzichtbarkeit der Rechtsphilosophie für die universitäre rechtswissenschaftliche Ausbildung verdeutlichen. Sie richtet sich dabei vor allem auch an den wissenschaftlichen Nachwuchs, den sie ausdrücklich zur Mitarbeit ermutigen will. Die rechtswissenschaftliche Grundlagenforschung soll damit einerseits noch weitere Unterstützung erfahren, andererseits aber auch selbst einen Beitrag zu geisteswissenschaftlichen Fragen leisten: Denn das Recht, verstanden als ein Bestandteil von Gesellschaft und Kultur, muss nach einem interdisziplinären Austausch der damit befassten Gesellschafts-, Geistes- und Kulturwissenschaften suchen. Naturalistische Betrachtungen sollen dabei zwar nicht von vornherein ausgeschlossen werden, müssen sich aber zumindest auch mit einer kritischen, verstehenden Perspektive auseinandersetzen.

Kritik heißt in diesem Sinne, die in gesellschaftlichen Strukturen und kulturellen Gedankenformationen enthaltenen Uniformisierungen, Hierarchisierungen, Totalisierungen in Zweifel zu ziehen und ihnen die emanzipatorische Einbeziehung von Alteritäten gegenüberzustellen. Dies gilt in besonderem Maße auch für die selbstbezüglichen Tendenzen einzelner Disziplinen. Erst die Begegnung mit den Sichtweisen der Anderen befähigt zur Selbstkritik. Vor diesem Hintergrund bietet die Reihe ein Forum für interdisziplinäre Arbeiten zu aktuellen gesellschaftlichen Fragen. Sie stellt sich damit der besonderen Herausforderung, denen die disziplinenübergreifende Arbeit notwendig begegnet: Wenn es darum geht, eine gemeinsame Sprache zu finden, um sich über den zu behandelnden Gegenstand und die eigenen, fachspezifischen Vorstellungen zu verständigen, sind die Themen zwar zunächst allgemein zu bestimmen, bedürfen aber in der näheren Befassung einer deutlicheren Fokussierung. Bei aller Annäherung an ein gemeinsames Thema erscheint es allerdings als erstrebenswert, den Diskurs aus pluralen Perspektiven weiterhin anschlussfähig zu gestalten. Nur auf diese Weise vermag Rechts-, Gesellschafts- und Kulturkritik dem Ziel näher zu kommen, Kritik nicht alleine abstrakt, „von außen“ zu üben, sondern auch aus einer immanenten, teilnehmenden Sicht zu konkretisieren. Dann jedenfalls bedeutet Kritik mehr als bloße Verweigerungshaltung, nämlich Irritation und Provokation zur Selbstreproduktion – oder auch Anregung zu selbständigem Streben nach Veränderung.

Kontakt

Dr. Malte Gruber: gruber@jur.uni-frankfurt.de
Professor Dr. Sabine Müller:
S.Mueller@uibk.ac.at


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