Call For Papers
Symposium „Aspekte der Medizinphilosophie“ 2015 – Thema: „Vom Geheimen und vom Verborgenen: Enthüllen und Entdecken in der Medizin“
Westfälische Wilhelms-Universität Münster
10.-11. Oktober 2015, Beginn: jeweils 9:00 Uhr
Zum Thema des Symposiums 2015:
Die ärztliche Schweigepflicht, die Aufdeckung medizinischer Skandale, die Entwicklung neuer Technologien zur Diagnose, das therapeutische Entdecken des „Selbst“ – dies alles sind Aspekte des „Verborgenen“ und „Geheimen“ in der Medizin, denen wir uns in unserem diesjährigen Symposium widmen wollen. Kommunikationen und Politiken des Umgangs mit dem medizinischen (Noch-((Nicht-))Wissen sind hierbei zentral.
Dies betrifft zunächst das Verborgene in Form von kommunikativ, kulturell oder technisch (noch) nicht zugänglichen Bereichen, die es zu erhellen gilt. Man denke etwa an die Erkundungen des Körperinneren, von der Autopsie bis hin zur bildgebenden Diagnostik. Oder an die Entdeckung des Unterbewussten in der Psychoanalyse. Auch bildet das Verborgene einen essentiellen Bestandteil medizinischen Wirkens in schamanistischen Praktiken oder initiatorischen „Heilkulten“. Kennzeichen des Geheimen ist hingegen seine soziale Verfasstheit: Jemand hat ein Wissen, das sie oder er (noch) nicht teilen oder preisgeben möchte – oder darf.
Dass die Bereiche des Geheimen und Verborgenen nicht überschneidungsfrei sind, verdeutlicht schon ein Blick auf das Arzt-Patienten-Verhältnis: Es gibt nicht nur den Geheimhaltungs- oder Verschwiegenheitsaspekt auf Seiten des Arztes, sondern auch der Patient kann Wissen um seinen Zustand zurückhalten. Aus der Perspektive des Behandelnden entsteht hierdurch unter Umständen dann ein Bereich des Verborgenen, den es zu enthüllen gilt. Umgekehrt müssen Therapeutinnen und Therapeuten sich stets fragen, inwieweit sie den Patienten über alles in Kenntnis setzen, was sie über deren Gesundheitszustand wissen – und welchen Modus des Enthüllens sie wählen. Kennzeichnend für den Bereich des Geheimen ist somit auch eine grundlegende Asymmetrie zwischen den Wissenden und den (Noch-)Nicht-Wissenden.
Formen des Aufklärens, des behutsamen in Kenntnissetzen des Noch-Nicht-Wissenden spielen hierbei freilich nicht nur in der Arzt-Patienten-Aufklärung eine Rolle. Die Sexual-Aufklärung der Heranwachsenden sei hier nur als ein weiteres Beispiel genannt.
Insgesamt kann es auch um ein „Zuviel“ des Enthüllens gehen: Wie beeinträchtigt die Enthüllung oder Nicht-Enthüllung die Gesundheit des Patienten? Diese Frage stellt sich zum Beispiel in rezenten Diskussionen um den tatsächlichen Nutzen der intensivierten Screenings zur Brustkrebsvorsorge.
Zentral tritt die Frage nach der Organisation von Wissenshierarchien auf den Plan: Wer soll/darf/kann wann was wissen? Aber auch: Wer soll/darf/kann wann was verschweigen? Wie wird medizinisches Wissen gedeutet? Wann wird es enthüllt oder gar zensiert? Hier spielen rechtliche Aspekte ebenso eine Rolle wie kulturelle Unterschiede im Umgang mit Wissen. Auch gilt es die Rolle des Journalismus zu reflektieren, sofern es seine Aufgabe ist, Missstände in der Medizin aufzudecken.
Über diese und verwandte Fragestellungen wollen wir im Rahmen des Symposiums diskutieren. Die folgende Liste mit Stichworten möge als Anregung (aber nicht Einengung) dienen:
1. Kommunikation
- Arzt-Patient-Verhältnis
- Arztgeheimnis
- Verschweigen von Diagnosen / Anamnese – Arzt/Patient
- Aufdecken von Geheimnissen
- Modi des Entbergens / Enthüllens – Asymmetrie der Arzt/Patienten-Beziehung
- Allgemein
- Scham / Intimssphäre
- (Sexual-)Aufklärung
- Massenkommunikation im Spannungsfeld von Exhibitionismus und Enthüllungsjournalismus
2. Technische Sichtbarmachung
- Der Natur ihre Geheimnisse entreißen
- Folgen des Enthüllens / Entdeckens
- Überwachung: Nichts bleibt mehr verborgen
- Übertechnisierung – Zuviel an Enthüllungen (Brustkrebs-Screenings)
3. Arbeit am verborgenen Subjekt
- Selbsterkenntnis und Selbstheilung
- Umgang mit medizinischen Internetforen und Ratgeberliteratur
4. Kontexte des Entdeckens und Enthüllens
- Kultur-Sensibilität
- Folgen des Enthüllens / Entdeckens
- „Esoterisches“ Wissen
- „Zensur“ in der Medizin
- Recht auf Nicht-Wissen
- Hermeneutik
Diese Themenvorschläge dienen nur als Anregung. Bitte beachten Sie aber, dass Ihr Beitrag einen klaren Bezug zu medizinischen und therapeutischen Themen aufweisen sollte.
Allgemein:
Die „Medizinphilosophie“-Symposien dienen der interdisziplinären Zusammenarbeit verschiedener Fachrichtungen, insbesondere der Medizin, Medizingeschichte, der Psychologie, der Psychoanalyse und der im weitesten Sinne geistes- und sozialwissenschaftlichen Fächer, vor allem der Philosophie und der Kulturwissenschaften. Die Themen der Symposien werden so gewählt, dass sie allen Fachrichtungen einen kreativen und freien Zugang gewähren. Gesucht sind Beiträge, die das Spektrum der jeweiligen Themen interdisziplinär kreativ ausschöpfen, wobei von uns eine Mischung aus klassischen und progressiven Themen angesteuert wird.
Vortragseinreichung:
Die Vorträge sollten auf Deutsch oder auf Englisch gehalten werden. Dauer: 20 Minuten. Ihre Bewerbung für einen Beitrag sollte enthalten:
Name, Titel des Beitrags, Kurzzusammenfassung des geplanten Beitrags (max. 500 Worte), Kurzbiographie und Kontaktdaten: E-Mail, Telefon, Adresse
Senden Sie die Unterlagen per Email bis zum 31.05.2015 an:
callforpapers@medizin-philosophie.de
Publikation:
Die Beiträge der Veranstaltungsreihe werden nach Review der ausgearbeiteten Fassung in der gleichnamigen Buchreihe veröffentlicht. Zusätzliche Vorschläge von Nicht-Referent(inn)en sind ausdrücklich erwünscht.
Weitere Informationen:
Weitere Informationen erhalten Sie auf Anfrage an callforpapers@medizin-philosophie.de oder auf unserer Webseite www.medizin-philosophie.de.