Der Führer der Nation Franz Lad. Rieger und sein Ort in der tschechischen und österreichischen Politik, Kultur und Wissenschaft. Internationale Konferenz zu Riegers 200. Geburts‐ und 115. Todestag

Der Führer der Nation Franz Lad. Rieger und sein Ort in der tschechischen und österreichischen Politik, Kultur und Wissenschaft. Internationale Konferenz zu Riegers 200. Geburts‐ und 115. Todestag

Veranstalter
Masaryk‐Institut und Archiv der Tschechischen Akademie der Wissenschaften; Nationalmuseum in Prag; Karls‐Universität in Prag
Veranstaltungsort
Karls‐Universität, Ovocný trh 5, Vlastenecký sál (Patriotischer Saal)
Ort
Prague
Land
Czech Republic
Vom - Bis
11.12.2018 - 12.12.2018
Deadline
31.05.2018
Website
Von
Martin Klečacký, Department for Research and Source Editions, Masaryk Institute and Archives of the Czech Academy of Sciences

František/Franz Ladislaus Rieger (1818–1903) zählt zu den Schlüsselfiguren der Habsburgermonarchie in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts. Er hinterließ vor allem in der Geschichte der tschechischen modernen Politik, Kultur und Wissenschaft unauslöschliche Spuren. Sein Lebensschicksal ist eng mit der erfolgreichen Entwicklung der modernen Gesellschaft verflochten. An der tschechischen Nationalbewegung hatte sich Rieger bereits in den 1840er Jahren intensiv beteiligt. Als erster Höhepunkt seiner öffentlichen Tätigkeit darf das Engagement in der Revolution von 1848 gelten, wo er zum führenden Abgeordneten des österreichischen Reichstags wurde. Nach der Niederlage der
Revolution bereiste er zahlreiche westeuropäische Länder und studierte dort die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse. Die gewonnenen Erkenntnisse versuchte er anschließend im Milieu der Habsburgermonarchie anzuwenden. Die Zeit der politischen Unfreiheit in der Ära des Neoabsolutismus ließ ihn Zuflucht in der Organisation des gesellschaftlichen, kulturellen und wissenschaftlichen Lebens suchen. Die Eheschließung mit der Tochter František/Franz Palackýs steigerte Riegers gesellschaftliche Bedeutung noch weiter; von seiner Familie sprach man als der
„ersten Familie der tschechischen Nation“.
Ein neuer Abschnitt in Riegers Leben begann mit der Erneuerung des Verfassungssystems im Jahr 1861. Rieger kehrte auf den Boden des Parlaments zurück und stellte sich an die Spitze der
tschechischen Nationalpartei (Národní strana). In einer Zeit zugespitzter ideeller und nationaler Konflikte tauchte erstmals auch Riegers Ehrenbezeichnung Führer der Nation auf. Dem Aufstieg der
tschechischen Gesellschaft in den 1860er und 1870er Jahren folgten allerdings keine politischen Erfolge. Anstelle des staatsrechtlichen Programms hatten daher die Anstrengungen um nationale und sprachliche Gleichberechtigung Priorität. Rieger war in den 1880er Jahren nicht nur bei der Eröffnung des Nationaltheaters, sondern auch bei der Entstehung der tschechischen Universität und dem Neubau des Nationalmuseums präsent. In Wien gehörte er zu den wichtigen politischen Akteuren.
Damals schritt er erneut über die Grenzen des tschechischen politischen Horizonts hinaus, profilierte sich als österreichischer Politiker und betrat auch den Boden der Außenpolitik, wobei er allerdings umsichtiger handelte als früher. Die Jahrzehnte politischer und kultureller Erfolge sollten durch den Abschluss des deutsch‐tschechischen nationalen Ausgleichs gekrönt werden. Die sog. „Punktationen“ wurden jedoch von den konkurrierenden Jungtschechen abgelehnt und Riegers Alttschechen erlitten in den Wahlen 1891 eine vernichtende Niederlage. Rieger wurde als „elender Verräter der Nation“ vom Piedestal des politischen Führers gestürzt...
Die Organisatoren der Konferenz verfolgen nicht bloß die biografische Ebene von Riegers vielfältigem Wirken, sondern möchten allgemeinere Probleme, Themen und Kontexte erfassen, wie sie für Gesellschaft und Politik der Habsburgermonarchie im 19. Jahrhundert typisch waren. Angestrebt wird ein komplexes und vielschichtiges Bild von der Entwicklung der tschechischen bzw.
österreichischen Gesellschaft mit Anbindungen bzw. thematischen Konnotationen zum öffentlichen Engagement F. L. Riegers, seiner engsten Mitarbeiter und auch seiner Gegenspieler. Die Organisatoren sind außerdem an der Tätigkeit und Entwicklung von (politischen, kulturellen, gesellschaftlichen) Institutionen interessiert, die näher mit F. L. Rieger verknüpft waren.
Berücksichtigt werden sollten auch Themen, Prozesse oder Phänomene, die Rieger stark interessierten und denen er sich selbst widmete. Gefragt wird weiterhin nach ähnlich breit aufgestellten Persönlichkeiten des politischen Lebens, wobei hier besonders die anderen Nationalgesellschaften innerhalb der Habsburgermonarchie im Mittelpunkt stehen sollten.

Die Organisatoren schlagen u. a. die folgenden Themenbereiche für Referate vor:

Die Formierung der modernen Nationalgesellschaften in Mitteleuropa: Nationalitäten‐ und Sprachpolitik in der Habsburgermonarchie, Tschechen contra österreichische/böhmische Deutsche, Engagement politischer Führer in nationalen Organisationen, Rieger und die tschechische Politik/Gesellschaft mit den Augen der übrigen europäischen Nationen gesehen.

Politische und parlamentarische Kultur in der Habsburgermonarchie und Riegers Anteil an ihrer Herausbildung: Formierung politischer Parteien und Presse, parlamentarische Kultur und Wahlkultur, Phänomen der politischen und nationalen Führerschaft, Formen der politischen Kommunikation im 19. Jahrhundert, Phänomen der politischen Rede, Entfaltung des Vereinslebens.

Kulturelle Emanzipation: Kulturelle und wirtschaftliche Aktivitäten als Ersatz für fehlende politische Foren und als Instrumente zur Formierung der Nationalgesellschaft, Bedeutung des Theaters und der historischen Narrative für die Gesellschaft des 19. Jahrhunderts und deren Potential zur politischen Mobilisierung der Gesellschaft, Riegers Einfluss auf die tschechischen Kultureinrichtungen.

F. L. Rieger und der öffentliche Raum: Bemühungen politischer Führer um die Nationalisierung des öffentlichen Raums und die Kontrolle der zeitgenössischen Diskurse, deren Vordringen in den öffentlichen Raum (z. B. Rieger gewidmete Denkmäler, Straßen, Parks usw.), Riegers Bild in der Historiographie.

Wissenschaft und Aufklärung als Instrumente zur Kultivierung der Gesellschaft im 19. Jahrhundert: Weiterentwicklung des Schulwesens und wissenschaftlicher Institutionen unter Bezug auf die Person F. L. Riegers, Bedeutung der Enzyklopädistik, Nationalpartei als Hinterland des tschechischen Kapitals, Unternehmertum des 19. Jahrhunderts im Bereich Medien, F. L. Rieger als Volkswirtschaftler.

Die „erste Familie der Nation“: Die „matriarchalische Dynastie“ Palacký – Rieger – Bráf; kulturelle, wirtschaftliche, soziale und politische Aktivitäten von Mitgliedern der Familie Rieger, Alltag und Lebensweise der bürgerlichen Eliten (Salons, Reisen, Lebensniveau, „zweite Gesellschaft“ u. ä.), Verwandtschafts‐ und Interessenbeziehungen innerhalb der bürgerlichen Eliten.

Die Organisatoren behalten sich das Recht vor, Beiträge für das Programm der Konferenz auszuwählen und über deren Aufnahme in den geplanten Konferenzband zu entscheiden. Die Länge der auf der Konferenz gehaltenen Referate darf 15 Minuten nicht überschreiten. Interessenten registrieren sich bitte bis zum 31. Mai 2018 unter der Email‐Adresse: fabini@mua.cas.cz

Programm

Kontakt

Pavel Fabini

Masarykův ústav a Archiv AV ČR, v. v. i., Gabčíkova 2362/10 Praha 8 182 00 Tschechien

fabini@mua.cas.cz


Redaktion
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Land Veranstaltung
Sprach(en) der Veranstaltung
Czech, Deutsch
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