Russland-Versteher - Wenn es doch welche gäbe!

Russland-Versteher - Wenn es doch welche gäbe!

Veranstalter
Mosse-Lectures
Veranstaltungsort
Senatssaal der Humboldt-Universität, Unter den Linden 6
Ort
Berlin
Land
Deutschland
Vom - Bis
22.11.2018 -
Von
Elisabeth Wagner

Russland-Versteher – Wenn es doch welche gäbe! Über eine neue Wirklichkeit und alt gewordene Kategorien

1989 hieß es: Nichts bleibt, wie es war. Und alle stimmten dem spontan zu. Dass dem aber wirklich so ist, ist erst jetzt, ein Vierteljahrhundert später, wirklich angekommen. Die
Redewendung, die dem Rechnung trägt, lautet: Die Welt ist aus den Fugen. In der großen Verwirrung, die auch Russland und unser Bild von Russland erfasst hat, ist ein Kampf um Deutungshoheit entbrannt, in dem es um nicht weniger als um »Verstehen« geht. Kein geringer Anspruch, wo es vielleicht zunächst um etwas anderes geht: Genau hinsehen.

Autokratien
Herausforderungen der Demokratie

Die Hoffnung war, dass sich nach dem Ende des Kalten Krieges mehr und mehr Staaten mit einer gewissen Zwangsläufigkeit ‚demokratisieren‘ würden. Seit der Jahrtausendwende wurden diese Erwartungen jedoch zusehends enttäuscht. Unter dem Druck grassierender Globalisierungsängste, mit dem Erstarken populistischer Bewegungen und im Zeichen von Wirtschafts- und Sicherheitskrisen scheint mittlerweile das zur Option geworden zu sein, was man als Autokratie beschreibt: eine Herrschaftsform, die auf Selbstermächtigung und Machtmonopolisierung gründet und die sich durch den Ausschluss des Anderen und Fremden konsolidiert. In der geopolitischen Strategieplanung der Demokratieforschung der 1990er Jahren wurde, zumeist im Auftrag westlicher Staaten, ein weltweiter Systemwechsel beobachtet. Die Vorstellungen vom Autokratismus im Anschluss an die Totalitarismus-Forschung der Nachkriegsjahre haben sich als wenig aussagekräftig erwiesen. Autokraten gelangen heute in populistischer Manier und nicht zuletzt mit Techniken und Praktiken neoliberaler Governance an die Macht. Einmal etabliert, wenden sie sich nicht vom Volke ab, sondern koppeln ihre eigene Berechtigung an messbare Erfolge wie Wohlstand, religiöse und moralische Erneuerungen oder expansive Macht. Autokratien kann man als Hybride verstehen, die die sozialen Systeme von Wirtschaft, Politik und Recht engst möglich verkoppeln. Es gilt, die historische und zeitgenössische Spezifik dieses Machttypus zu erfassen: die ‚elektorale Autokratie‘ im Rußland Wladimir Putins, Recep Erdogans Programm einer islamischen Präsidialautokratie, die Weiterentwicklung der iranischen Theokratie, die in der Volksrepublik China in Aussicht genommene digital gestützte Sicherung der Einparteienherrschaft, nicht zuletzt die verfassungsrechtlich bedenklichen autokratischen Tendenzen in Europa und in den USA.

Karl Schlögel, Professor emeritus, zuletzt Lehrstuhl für Osteuropäische Geschichte an der Europa Universität Viadrina in Frankfurt an der Oder. Schwerpunkte seiner Forschung: Russland im 19. und 20. Jahrhundert, Zwangsmigration und Diaspora, Stadtkulturen in Osteuropa, Raum und Zeit als Probleme der Historiographie. Zu seinen Veröffentlichungen zählen: »Im Raume lesen wir die Zeit« (2003), »Petersburg 1909-1921. Laboratorium der Moderne« (1986), »Das russische Berlin« (1907), »Terror und Traum. Moskau 1937« (2008), »Das sowjetische Jahrhundert. Archäologie einer untergegangenen Welt« (2017).

Ulrich Schmid ist außerordentlicher Professor für Kultur und Gesellschaft Russlands an der Universität St. Gallen, zudem ständiger freier Mitarbeiter im Feuilleton der Neuen Zürcher Zeitung. Zuletzt erschienen: »Techchnologien der Seele. Vom Verfertigen der Wahrheit in der russischen Gegenwartskultur« (2015) und »De profundis. Vom Scheitern der russischen Revolution« (2017).

Beginn: 19 Uhr.

Programm

Kontakt

Elisabeth Wagner

Phil.Fak. II, Humboldt-Universität zu Berlin

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