Le IIIe Reich et la musique

Le IIIe Reich et la musique

Veranstalter
Pariser Goethe Institut
Ort
Paris
Land
France
Vom - Bis
08.10.2004 - 09.01.2004
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Martin Lücke, Bochumer Symphoniker

Bis zum 9. Januar diesen Jahres fand in der architektonisch äußerst ansprechenden Pariser Cité de la Musique auf Initiative des Pariser Goethe Instituts die Ausstellung „Le IIIe Reich et la musique“ statt, die einen umfassenden Einblick in die Musik in der Phase des Nationalsozialismus geben wollte, organisiert von einem Fachmann für die Musik der Weimarer Republik - Pascal Huynh. Einen Umstand, den man der übersichtlich gehaltenen Ausstellung auch an vielen Stellen anmerkte, da sich ein Großteil der ausgestellten Exponate - Partituren, Bilder, Fotos - sowie einige der vorhandenen Klang- und Filmbeispiele auf die Jahre vor 1933 beschränkten. Nun ist es unzweifelhaft, dass das Verhältnis von Musik und Politik im Nationalsozialismus nicht ohne die Ereignisse in der Weimarer Republik zu erklären und zu deuten sind, doch war das Verhältnis für eine Ausstellung dieses Namens (und der Größe) nicht passend.
Zunächst ein kleiner Rückblick: Die in der Literatur bereits ausführlich dokumentierte – nicht stringent verlaufene - Musikpolitik der Nationalsozialisten beeinflusste auch Deutschlands Nachbarländer, so z.B. der Raub von Noten und Instrumenten durch den so genannten Sonderstab Musik. Schon 1988 wurde in Düsseldorf, 50 Jahre nach der gleichnamigen Ausstellung an gleichem Orte, die Ausstellung „Entartete Musik – eine kommentierte Rekonstruktion“ gezeigt, die auch im benachbarten Ausland zu sehen war. Nicht aber in Frankreich. Erst jetzt widmete sich die Cité de la musique der Musikpolitik des Dritten Reichs.

Die Bedeutung der Ausstellung für die historische Musikwissenschaft lag in der geschickt angeordneten Präsentation attraktiver Originale, wobei die Gegenüberstellung des Erwünschten und des Verbotenen den Roten Faden bildete, wobei Werke der bildenden Kunst dabei eine wichtige Rolle besaßen. Bereits zu Beginn wurde ein Gemälde Schmutzlers mit dem Titel „Arbeitsmaiden, vom Felde heimkehrend“ von 1940 mit Kandinskys brillanter „Composition IX“ von 1936 kontrastiert. Beachtenswert war auch der mannigfache Bezug auf Johann Sebastian Bach in Grafiken von Kokoschka und einer heldenhaften Landschaft von Edmund Steppes. Neben Bach stand Beethoven im Mittelpunkt der Exponate. So zeigten zwei unterschiedliche Bühnenbilder zu Beethovens Oper „Fidelio“ von 1927 und von 1938 eine offensichtliche Verschiebung des Beethoven-Bildes. Auch die von Hitler verehrten Komponisten Anton Bruckner und Richard Wagner waren umfassend vertreten. Dem standen als Kontrast diffamierte Komponisten wie Arnold Schönberg oder Anton Webern gegenüber (obwohl Webern zur Zeit des Nationalsozialismus gar nicht verboten war).
Paris bot eine luxuriöse Gestaltung mit insgesamt 200 Ausstellungsstücken aus 46 vornehmlich deutschen Sammlungen. Wichtige Exponate gehörten zum Kapitel „Musik und Widerstand“. Besonders Eindrucksvoll waren die ausgestellten Noten des so genannte „Moorsoldatenliedes“ ein Stück, das im KZ Börgermoor entstanden ist. Wertvoll waren auch die große Anzahl von 50 Hör- und ca. 20 Videobeispielen, darunter auch Seltenes wie Ausschnitte aus dem NS-Propagandafilm „Der Führer schenkt den Juden eine Stadt - Theresienstadt“.

Obwohl der Generaldirektor der Cité de la musique in seinem Vorwort die Deutschen zurechtgewiesen hatte, wäre dieses Projekt ohne eine enge Nationenübergreifende Zusammenarbeit kaum realisierbar gewesen, und so trugen französische und deutsche Autoren in gleichem Maße zum Katalog bei. Im umfangreichen Begleitprogramm standen den Pariser Orchestern und dem von Pierre Boulez gegründeten Ensemble Intercontemporain deutsche Künstler wie Matthias Goerne, Salome Kammer, Michael Gielen, Lothar Zagrosek und das Frankfurter Ensemble Modern gegenüber. In einer solchen Fülle wie in Paris hatte man Werke von ideologisch verfolgten Komponisten bisher kaum erleben können. Die Cité de la Musique stellte mit diesem umfangreichen Programm, wozu auch Vorträge oder Filmvorführungen gehörten, ihre ungeheure Leistungsfähigkeit unter Beweis.

Nach all dem Positiven aber auch Kritik. Leider ergab sich der Eindruck, als wären die für nationalsozialistische Musikleben wichtigen Organisationen wie die Reichskulturkammer (RKK) und deren Unterkammer Reichsmusikkammer (RMK) gar nicht existent gewesen. Damit fehlten die letztlich entscheidenden Grundlagen für eine sinnvolle Dokumentation der existierenden Arbeitsbedingungen der Musiker und/oder Komponisten. Nicht vergessen werden darf, dass die Ausübung des Musikerberufes an die Mitgliedschaft in der RMK gekoppelt war. Unliebsame Musiker/Komponisten konnten mit geringem bürokratischem Aufwand aus dem deutschen Musikleben ausgeschlossen werden. Das Schicksal der Vielzahl jüdischer Musiker/Komponisten blieb in der Ausstellung verborgen. Auch beschränkten sich die angebotenen Klangbeispiele zu 95% auf „ernste“. Musik. Beispiele aus dem Unterhaltungsmusikgenre – Die Goldenen Sieben - blieben letztlich Mangelware, so dass der Titel der Ausstellung auch „Le IIIe Reich et la musique classique“ hätte heißen können. Neueste Forschungen belegen nachdrücklich, dass in allen Phasen des Dritten Reiches Unterhaltungsmusik, sei es Jazz, Schlager oder Filmmusik, präsent war. Wissenschaftlich reizvolle Verbote wie das „Jazzverbot im deutschen Rundfunk“ von 1935, das „Verbot von ausländisch klingenden Namen“ etc. blieb ebenfalls unberücksichtigt. Dass die Musikpolitik, bzw. die Kulturpolitik der Nationalsozialisten nicht stringent verlief ist ebenfalls in der Literatur bisher ausführlich dokumentiert worden, ein Punkt, der in der Ausstellung nicht angesprochen worden ist. Der Aspekt „Musik und Propaganda“ war nur durch eine Aufnahme der deutschen Propagandajazzband Charlie and his Orchestra vertreten. Es ließe sich noch einiges aufzählen, was in Paris unbedacht blieb, und es entspricht meines Erachtens der Tatsache, dass eine übersichtlich angeordnete Ausstellung gerade dem „Nichtfachpublikum“ einen ersten Impuls bzgl. dieser interessanten Thematik geben kann. So bleibt das Ergebnis der Ausstellung insgesamt zwiespältig.

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