"Onder den Oranje boom"

Veranstalter
Gemeinschaftsprojekt der Niederlande sowie der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Brandenburg Weitere Ausstellungsorte: Oranienburg, 15.08.-14.11.1999 sowie Apeldoorn / NL, 16.12.1999-20.03.2000
Ort
Krefeld
Land
Deutschland
Vom - Bis
18.04.1999 - 18.07.1999

Publikation(en)

Onder den Oranje boom.. Katalogband: Kunst und Kultur im 17. und 18. Jahrhundert an deutschen Fürstenhöfen. München 1999 : Hirmer Verlag, ISBN 3-7774-7780-X 504 S. 78 DM
Stephanie Marra, Historisches Institut, Universität Dortmund

"Onder den Oranje boom" lautet der Titel der großen internationalen Ausstellung, die einen der kunst- und kulturhistorischen Mittelpunkte des Jahres 1999/2000 darstellen soll. Als Gemeinschaftsprojekt der Niederlande sowie der Bundesländer Nordrhein-Westfalen und Brandenburg ist die Ausstellung an den traditionsreichen Wirkungsstätten des Hauses Oranien-Nassau (Krefeld, Oranienburg und Apeldoorn) zu sehen und knüpft somit an die historischen niederländisch-deutschen Beziehungen an.

Im Eingangsbereich erhält jede/r Besucher/in ein Informationsblatt ausgehändigt, auf dem einseitig der Grundriß der Ausstellung mit den thematischen-chronologischen konzeptionellen Zuordnungen abgebildet ist. Die Rückseite des Informationsblattes bietet, ohne Hinweis auf die Quelle, einen Stammbaum des Hauses Nassau-Oranien, der dem/der Besucher/in die Übersicht über die familiären Verflechtungen erleichtern soll. Leider folgt diese erste genealogische Besucherinformation der in der historischen Forschung und musealen Präsentation gleichermaßen gängigen Praxis, sogenannte "unwichtige" Familienmitglieder (darunter zählen offenbar auch die "weniger bedeutenden" Frauen) ohne jeglichen Hinweis auf ihren Wegfall aus dem Stammbaum zu streichen bzw. nicht aufzunehmen. Auch wenn verständlicherweise nur diejenigen Mitglieder der Familie aufgeführt werden, die für die Ausstellungsthematik übergeordnete Relevanz besitzen, sei es auf politisch-administrativer oder aber auf kunst- und kulturpolitischer Ebene, hätte ein Hinweis auf nachfolgende Mitglieder sicherlich auch Sinn gemacht. Neben diesem "Wegbegleiter" wäre sicherlich eine großformatige genealogische Übersicht im ersten Raum der Ausstellung wünschenswert gewesen.

Als ausstellungsbegleitendes Medium kommt ein Videofilm zum Einsatz, der die Geschichte des Hauses Oranien-Nassau sowie den politischen, territorialen und kulturellen Entwicklung von rund 200 Jahren umfaßt. Der technisch gut gemachte und informative Film wird in der Krefelder Ausstellung leider in einer kleinen Ecke unter einem Treppenaufgang in der 1. Etage gezeigt. Verständlicherweise ziehen multimediale Ausstellungselemente verstärkt die Besucher/innen in ihren Bann, so daß zum Zeitpunkt der Besichtigung durch die Rezensentin ein dichtes Gedränge in diesem Bereich herrschte.

Der erste Ausstellungssaal steht unter dem Titel "Der statthalterliche Hof Friedrich Heinrichs und Amalia von Solms". Zahlreiche großformatige Portraits der Familienmitglieder, besonders hervorzuheben sind u.a. Gerard van Honthorst' Witwenportrait der Prinzessin Amalia von Solms und das Gemälde Prinz Wilhelm II. von Oranien-Nassau aus der Werkstatt Anthonis van Dyck, geben diesem Raum eine besondere Note. Ergänzt wird dieser positive Gesamteindruck durch die im mitten im Raum plazierte Rundvitrine, in der zahlreiche Quellen und Exponate aus dem 17. Jahrhundert zu sehen sind. Die Exponate stammen vorwiegend aus dem persönlichen Besitz der auf den Portraits abgebildeten Regent/innen. Sie zeugen vor allem aber auch von der regen Sammeltätigkeit der Amalia von Solms, die gemeinsam mit ihrem Ehegatten den Grundstock für die reichen Kunstsammlungen und vielen Schloßanlagen der Herrscherhäuser Oranien-Nassau und Brandenburg-Preußen legten.

Auch die nächsten Räume zeugen von einer sorgfältigen Exponatauswahl der Ausstellungsmacher, wobei die Themen und Inhalte stark variieren und für die "normalen" Besucher/innen oft nicht nachvollzogen werden können. Es fehlt hier mitunter der vielzitierte "rote Faden". Beispielsweise zeigt der zweite Ausstellungsraum unter dem Thema "Onder den Oranje boom - Politische Sinnbilder der Niederlande und des Hauses Oranien" die Bildsprache, mit der die politischen und geographischen Strukturen der Niederlande sowie des Hauses Oranien beschrieben wurden. Die Emblemata, vornehmlich dem Tier- und Mythenreich entnommen, zeigen die allegorische Umsetzung des sogenannten "Goldenen Zeitalters" auf zahlreichen Stichen und Pro-Patria-Ofenplatten. Im nachfolgenden Ausstellungsraum, überschrieben mit "Statthalterlichen Architektur und Gartenkunst", wird dann jedoch wiederum an die Thematik des ersten Raumes, die Hofhaltung des Statthalters Friedrich Heinrich von Oranien-Nassau, angeknüpft. Die dadurch unterbrochene thematische Präsentationsabfolge ist hier leider nicht nachvollziehbar.

Johann Moritz von Nassau-Siegen, genannt "der Brasilianer", sind zwei große Räume gewidmet. Dieser bekannte Vertreter des Herrscherhauses war Gouverneur der niederländischen Kolonien in Südamerika sowie zudem auch in brandenburgischen Diensten u.a. als Statthalter von Kleve, Mark und Minden tätig. Besondere Akzente setzte er in der Garten- und Landschaftsgestaltung, was sich auch in der Ausstellungspräsentation niederschlägt. Zahlreiche Grafiken und Gemälde mit Landschaftsarchitektur, Tiergärten und überseeischen Ansichten werden ergänzt durch eine interessante Inventarliste aus dem Jahre 1652. Aus dieser Liste geht hervor, welche "Gegenstände" Johann Moritz dem kurbrandenburgischen Regenten veräußert hatte, z.B. einige Möbelstücke aus Elfenbein, die sich auch in der Ausstellung wiederfinden.

Das nächste Ausstellungsthema widmet sich den "Niederländischen Einflüssen auf die Landeskultur und Kunstentfaltung in Brandenburg von 1640 bis 1740". Die Beziehungen der beiden Familien Oranien-Nassau und Brandenburg wurden durch heiratspolitische Allianzen begründet und gefestigt. Mit der Heirat Friedrich Wilhelms von Brandenburg ("der Große Kurfürst") und Louise Henriette von Oranien im Jahre 1646 eröffnete sich für beide Herrscherhäuser enge familiäre Kontakte, die einhergingen mit territorial- und kulturpolitischen Entwicklungen. Ein bekanntes Beispiel dafür war die Ansiedlung von niederländischen Kolonisten im nachmaligen Holländischen Viertel im brandburg-preußischen Potsdam durch den "Großen Kurfürsten" unter Einfluß seiner Gemahlin. In der Ausstellung wird versucht, diese Zusammenhänge anhand von zahlreichen Exponaten und Dokumenten zu verdeutlichen. Besonders beachtenswert ist die Inszenierung mit Chinoisen auf einer Etagere aus dem Porzellankabinett im Schloß Oranienburg. Neben dieser Inszenierung ist eine zeitgenössische Radierung von 1733 mit eben dieser Etagere zu sehen. Ergänzt werden die Exponate des Raumes durch bekannte Gemälde wie Jan Lievens' "Mars und Venus" (1653), das als Friedens-Allegorie auch in der Ausstellung zum Westfälischen Frieden in Münster 1998 bereits präsentiert wurde.

Zwei weitere nachfolgende Räume sind thematisch den drei Schwestern der Louise Henriette zugeordnet. Henriette Albertine von Oranien-Nassau, der ein Raum allein gewidmet ist, wurde 1659 im niederländischen Groningen mit Fürst Johann Georg II. von Anhalt-Dessau vermählt. Anhalt-Dessau war zu diesem Zeitpunkt infolge der Rückwirkungen des 30jährigen Krieges verarmt und teilweise verwüstet. Der Bräutigam, militärisch verbunden mit dem "Großen Kurfürsten", vermochte sich und sein Fürstentum durch diese Heirat zu sanieren. Der Wiederaufbau wurde systematisch auch durch die Fürstin Henriette Albertine betrieben. Die Exponate dieses Ausstellungsbereiches sind neben Portraits der genannten Personen, der Heiratskontrakt sowie verschiedene Pläne der Schloßanlage Oranienburg. Besonders interessant ist ein Teil einer Ledertapete aus der anhalt-dessauischen Residenz. Nachfolgend werden die beiden Schwestern der Fürstin durch Exponate, Quellen und Portraits dokumentiert.

In einem weiteren Bereich sind zwei umfangreiche Themen, die Grafschaften Lingen und Moers sowie Universitäten und Hohen Schulen, zugleich abgehandelt. Dargestellt werden anhand von verschiedenen Grafiken und Karten, die genealogischen und territorialpolitischen Entwicklungen in den beiden Gebieten, die sich ursprünglich im Besitz der Grafen von Neuenahr-Moers befanden. Im Eingangsbereich über den Texttafeln befinden sich aus einer Publikation herauskopierte Landkarten, die hinsichtlich Qualität und Aussagekraft völlig im Gegensatz zu den ausgestellten, hochwertigen Exponaten stehen. Hier wären qualitativ sauberer gearbeitete Übersichtskarten angemessener gewesen, was heute wohl kaum noch ein größeres finanzielles und auch technisches Problem sein dürfte. Im Bereich Universitäten und Hohen Schulen fällt besonders in einer Vitrine der unsachgemäße Umgang mit archivalischen Quellen auf. Die in der Vitrine ausgestellte Promotionsurkunde des Dr. Fabricius aus Moers von 1654 wird von zwei vergoldeten Silberzeptern der Universität Duisburg "beschwert", was aus konservatorischer Sicht höchst bedenklich ist. Es muß gesagt werden, daß es sich hierbei um einen absoluten Ausnahmefall im Bereich des ansonsten optimal erscheinenden Exponatschutz handelt. Im Untergeschoß klingt die Ausstellung mit einem Bereich über die Rezeptionsgeschichte durch Kaiser Wilhelm II. aus.

Ein räumlich großzügig gestalteter Museumsshop mit weiterführender Literatur zum Thema sowie ein umfangreiches Angebot an Devotionalien zur Ausstellung (Becher, Poster, Aufkleber, Briefpapier, Armbanduhr, Krawatte usw.) bieten Möglichkeiten, die Ausstellung über den Besuch hinausgehend in Erinnerung zu behalten. Das benachbarte Museumscafe lädt nach dem zeitlich und inhaltlich sehr intensiven Ausstellungsrundgang zur abschließenden Reflektion ein.

Insgesamt betrachtet, bietet die Ausstellung einen guten Überblick über das Leben und Wirken zahlreicher Regentinnen und Regenten des Hauses Oranien-Nassau sowie die vielfältigen kulturellen und politischen Beziehungen, die sich durch militärische und heiratspolitische Allianzen ergaben. Die hinsichtlich ihrer Qualität sorgfältige Auswahl und Zusammenstellung der Exponate, Portraits und Quellen ist größtenteils beeindruckend. Doch für unbefangene Besucher/innen, die sich einfach eine kunst- und kulturgeschichtliche Ausstellung anschauen möchten, ist die Präsentation doch schon etwas überwältigend. Ohne historische und genealogische Vorkenntnisse fällt der Rundgang sicherlich recht schwer, zumal mit näheren Informationen zu den Zusammenhängen sparsam umgegangen wird. Besonders augenfällig erscheinen dabei neben den zahlreichen großformatigen und prachtvollen Exponaten die eher unscheinbaren zweisprachigen Texttafeln (niederländisch/deutsch) aus grauem Kartonpapier in DIN A 5 - Format. Dem anspruchsvollen Rahmen, der Repräsentanz der Ausstellungsstücke sowie letztendlich auch der Benutzer/innenfreundlichkeit wären sicherlich ansehnlichere Texttafeln in DIN A 4-, besser noch DIN A 3- Format sowie in einer technisch besseren Ausführung angemessener gewesen. Auch die Lebensdaten der Mehrzahl der abgebildeten Persönlichkeiten, vielleicht auch mit kurzen biographischen Hinweisen, hätten sehr zum besseren Verständnis der Thematik beigetragen. Auch fehlen bei den meisten der zahlreichen Dokumenten neben einer kurzen Zusammenfassung besonders auch Transkriptionen, die es den nicht kundigen Besucher/innen ermöglicht hätten, einen inhaltlichen Eindruck von den bedeutsamen Originalquellen zu gewinnen. Gleichzeitig dienen solche Transkriptionen auch dazu, den Gesamtzusammenhang und die in den Dokumenten abgehandelten Vorgänge in einen Kontext zu den übrigen Exponaten zu setzen. Dies ist jedoch fast überwiegend ein generelles Problem in Ausstellungen mit historischen Schriftquellen und sonstigen Dokumenten.

Die Ausstellungsseiten unter http://www.oranier-ausstellung.org bieten einen sehr guten Einblick in die breit angelegten Ausstellung. Ein virtueller Rundgang erschließt die bedeutendsten Gemälde und wichtige Exponate. Auch die grafische Umsetzung sowie die Benutzerführung durch das Online-Angebot kann als vorbildlich bezeichnet werden. Die einzelnen Angebote der Ausstellungsstationen variieren deutlich. Während das Kaiser-Wilhelm-Museum in Krefeld mit den notwendigsten Informationen wie Anfahrt und Öffnungszeiten sowie mit einem Link zur offiziellen Stadtseite aufwartet, zeigt die nächste Station Schloß Oranienburg einige Informationen zum Schloß und zur Stadt, die folgende Ausstellungsort Palais Het Loo bei Apeldoorn hingegen eine Anzahl von weiterführende Links zum Ort und zur Region. Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die offizielle Website zur Ausstellung inhaltlich und grafisch noch einige weitere Features und Informationen verdient hätte, die vielleicht im Rahmen der weiteren Ausstellungsdauer bis März 2000 vorgenommen werden sollten.

Die beiden Katalogbände bestechen zunächst einmal durch ihren Umfang und die aufwendige Verarbeitung. Sowohl der Text-, als auch der eigentliche Katalogband enthalten zahlreiche, überwiegend farbige Abbildungen. Bei den Katalogbänden ist jedoch wieder einmal eine Gratwanderung zu erkennen, die wissenschaftlichen und populären Anspruch miteinander verknüpfen soll. Dies ist in soweit schwierig, da das Thema an sich schon ein sehr spezielles ist und keineswegs für Laien leicht nachvollziehbar sein kann. Hier können die zahlreichen Abbildungen als Brücken dienen. Hinsichtlich des wissenschaftlichen Anspruchs stellt der Katalog einen sehr wichtigen Beitrag zur Frühneuzeitforschung dar. Namhafte Autorinnen und Autoren, die sich unter der Herausgeberschaft von Horst Lademacher (Direktor des Zentrums für Niederlande-Studien, Westfälische Wilhelms-Universität Münster) in diesem Band versammeln, beleuchten aus verschiedenen Blickwinkeln die Themen der Ausstellung sowie weiterführende Aspekte. Einige Beiträge folgen in ihrer Konzeption dem inhaltlichen Tenor der Ausstellung, andere wiederum greifen über diese Thematik heraus und vermitteln somit ein abgerundetes Bild, was in der Ausstellung verständlicherweise nicht realisiert werden konnte. Allein der umfangreiche Anmerkungsapparat und die Auswahlbibliographie erweisen sich für jede Historikerin / jeden Historiker als gewinnbringend. Eine umfassende Zeittafel enthält nahezu sämtliche wichtige Daten aus Politik, Wirtschaft, Kunst, Religion und Wissenschaft. Der breit gefächerte Personenindex (mit Lebensdaten) stellt eine wesentliche Bereicherung dar. Zusammenfassend betrachtet, ist der Ausstellungskatalog ein wirkliches Muß für jede/n Frühneuzeithistoriker/in, der/die sich mit den niederländisch-deutschen Beziehungen vom 16. bis 18. Jahrhundert beschäftigt. Besonders hervorzuheben ist, daß beide Kataloge auch isoliert von der Ausstellung wichtige Publikationen bleiben werden.

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