In der Kombination von empirischen Einzelstudien und der gemeinsamen Perspektive des Rechtsfertigungsdiskurses soll die Nachwuchsforschungsgruppe zu einem grundsätzlicheren Verständnis der politischen und gesellschaftlichen Zusammenhänge in der Türkei, insbesondere des so maßgeblichen Zusammenhangs zwischen Militarismus und Genderkonstruktionen beitragen.
Basierend auf der ökonomischen und auch gesellschaftlichen Bedeutung der (türkischen) Streitkräfte, erscheint es vielversprechend, die Gender-Verhältnisse in der Armee, das Verhältnis von Militarismus und Geschlechterrollen und die Ausstrahlung dieses Verhältnisses in die Gesellschaft hinein zu betrachten.
Zugleich sieht sich die Forschung zum Verhältnis von Gender und (Anti-)militarismus durch die zunehmende Beteiligung von Frauen in Berufsarmee und anderen bewaffneten Einheiten weltweit mit neuen Herausforderungen konfrontiert. In der Türkei ist mit dem Aufkommen des Nationalismus im späten 19. Jahrhundert die Frage nach der Position von Frauen sowohl in der Gesellschaft als auch in der Armee gleichermaßen virulent geworden und hat seither nichts mehr an Bedeutung verloren.
Rechtfertigungsnarrative existieren unabhängig von der moralischen oder politischen Qualität des Erzählers. Sie finden bei extremistischen Tätergruppen ebenso Verwendung wie in demokratischen Staaten. Diese Ubiquität der Rechtfertigungserzählung erlaubt, ganz unterschiedliche Perspektiven auf das übergeordnete Thema in der Forschungsgruppe kontrastiv zu betrachten. Gerade die großen Erzählungen von Krieg und Frieden, Staatsgründungen und Gesellschaftsordnungen bedienen sich dieser, auch formal spezifischen, Form der Darstellung.
Mögliche Themen der einzelnen Vorhaben wären u.a.:
-Befreiungskrieg und frühe Republik (1919 bis 1945)
- Konservative und religiöse Diskursgemeinschaften der Gegenwart
- Der Blick auf die andern: die Situation in anderen Ländern als Rechtfertigung der eigenen Narrative