5 Promotionsstip. Zeitgeschichte (Heinrich-Böll-Stiftung)

5 Promotionsstip. Zeitgeschichte (Heinrich-Böll-Stiftung)

Institution
Heinrich-Böll-Stiftung/Universität Heidelberg, Historisches Seminar/Zeitgeschichte
Ort
Berlin/Heidelberg
Land
Deutschland
Bewerbungsschluss
01.09.2004
Von
Botta-Venhorst, Eike

Das Studienwerk der Heinrich-Böll-Stiftung schreibt in Kooperation mit dem Historischen Seminar/Zeitgeschichte der Universität Heidelberg fünf Promotionsstipendien zu folgendem Rahmenthema aus:

Überwindung von Diktaturen und Aufbau von Zivilgesellschaften.
Erfahrungen im Ost-West-Vergleich

In der Überwindung von Diktaturen teilen viele europäische Staaten eine gemeinsame Vergangenheit. Die Auseinandersetzung mit dem Zeitalter der Diktaturen, mit deren Überwindung und mit der Aufrichtung von Zivilgesellschaften ist eine gemeinsame Erfahrung, die Gemeinschaft befördern und Zugehörigkeit vermitteln kann. Die Erfahrung, Diktaturen überwunden zu haben - dies einigt Europa und die europäischen Bürgerinnen und Bürger.

Das Promotionskolleg zielt auf die Erforschung der "Pfadabhängigkeit" von Diktaturüberwindungen in Europa und den Aufbau ziviler Gesellschaften, der von vielen Herausforderungen, Chancen und Risiken begleitet war und ist. Dabei geht es um eine vergleichende Aufarbeitung nationaler Vergangenheiten, um daraus ein europäisches Gegenwartsverständnis und schließlich europäische Zukunftsperspektiven abzuleiten. Folgende Aspekte sollen dabei besonders berücksichtigt werden:

- Wege zum Aufbau von Zivilgesellschaften in West- und Osteuropa nach der Überwindung von Diktaturen in der 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts;
- Untersuchungen zur Ausbildung und Konstruktion von Identitäten und damit verbunden zu Selbst- und Fremdwahrnehmungen sowie zu Vorurteilsstrukturen;
- die Entwicklung und Konstruktion von Geschichtsbildern;
- die Abrechnung mit den Tätern der Diktatur, die Restitution und Wiedergutmachung für die Opfer;
- die (Neu-)Konstituierung von Eliten;
- Veränderungen von Geschlechterkonstruktionen und Vorstellungen über deren Verhältnis zueinander während und nach der Diktatur;
- die Privatsphäre als Raum der Freiheit von staatlichen Eingriffen.

Es können einzelne Länder, die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts Diktaturen überwunden haben (im Schwerpunkt: Spanien, Frankreich, die Baltischen Staaten, Polen, Russland, die Länder des ehemaligen Jugoslawien) untersucht oder, was besonders erwünscht ist, Ländervergleiche vorgenommen werden. Auch die Bundesrepublik Deutschland, die DDR, das vereinigte Deutschland und Österreich können einbezogen werden. Allerdings ist in diesem Falle ein Vergleich zwischen mindestens zwei dieser Staaten Voraussetzung.

Der Fokus soll auf Erfahrungen gerichtet werden. Als historische Kategorie wird "Erfahrung" erst seit kurzem diskutiert. Erfahrungen sind gelungene Bedeutungszuweisungen für Erlebtes. Die Kategorie "Erfahrung" kann Schlüssel sein für eine erweiterte Politik-, Sozial- und Gesellschaftsgeschichte gerade in interkultureller, transnationaler, generationsspezifischer oder geschlechtsspezifischer Perspektive. "Erfahrung" verweist nämlich auf das wechselseitige Verhältnis zwischen einzelner Persönlichkeit und Gesellschaft, zwischen Handeln und Sozialstruktur, zwischen subjektiven und objektiven Faktoren menschlicher Wirklichkeit.

Als Themenschwerpunkte sind vorgesehen:

1. Erfahrungsdeutung und Handlungen in der Praxis: Welche Folgen haben Diktaturerfahrungen für die Politik nach der Diktatur?
2. Erfahrungswandel: Kommt es und mit welchen Folgen bereits während der Diktatur zu Brüchen und Veränderungen?
3. Weitergabe von Erfahrung: Wie wird nach der Überwindung von Diktaturen deren Vergangenheit erinnert?

Das Kolleg ist interdisziplinär angelegt und wendet sich insbesondere an Studierende der Zeitgeschichte, der Sozialwissenschaften sowie der Politik- und Rechtswissenschaft. Es wird eine thematische Begleitung in Form von Kolloquien, Workshops und Seminaren angeboten. Größere internationale Kolloquien werden in Kooperation mit der Universität Wien veranstaltet. Darüber hinaus stehen den StipendiatInnen Arbeitsplätze zur Verfügung; es empfiehlt sich daher ein gegenwärtiger oder zukünftiger Wohnort im Einzugsbereich von Heidelberg.

Sofern Sie Interesse an einer Bewerbung haben, senden Sie bitte eine Kurzbewerbung an die Adresse des Studienwerks der Heinrich Böll Stiftung. Vermerken Sie bitte auf dem Deckblatt: "Bewerbung für das Promotionskolleg 'Überwindung von Diktaturen und Aufbau von Zivilgesellschaften. Diktaturerfahrungen im Ost-West-Vergleich'". Das Merkblatt mit den Bewerbungsbedingungen finden Sie auf den Seiten des Studienwerkes unter www.boell.de. Bewerbungsschluss ist der 1. September 2004. Für die Auswahl der Stipendien gelten die allgemeinen Verfahrensregeln und Förderkriterien des Studienwerks.

Das Kolleg ist an der Universität Heidelberg, Historisches Seminar/Zeitgeschichte angesiedelt und wird von Prof. Dr. Edgar Wolfrum geleitet.

Wir freuen uns auf Ihre Bewerbung!