Postdok-Stip. Kollektives Bildwissen und historische Imaginationen in der Moderne (Univ. Bielefeld)

Postdok-Stip. Kollektives Bildwissen und historische Imaginationen in der Moderne (Univ. Bielefeld)

Institution
Fakultät für Geschichtswissenschaft, Philosophie und Theologie
Ort
Bielefeld
Land
Deutschland
Bewerbungsschluss
15.01.2006
Von
Universität Bielefeld

Ausschreibung:
Ein Postdoktorandenstipendium für zwei Jahre zum nächstmöglichen Termin

im Rahmen des von der Thyssen-Stiftung geförderten Forschungsprojekts:

„Kollektives Bildwissen und historische Imaginationen in der Moderne“

Problematik
In den letzten rund zwei Jahrzehnten haben die historischen Wissenschaften sich intensiv damit befasst, wie die Gesellschaften des 19. und 20. Jahrhunderts mit symbolischen Ordnungen ihre jeweilige Gegenwart konzipiert haben, wie individuelles und kollektives Selbstbewusstsein und Fremdwahrnehmung insbesondere über Vergangenheitsentwürfe und einen entsprechenden kulturellen Kanon konstituiert wurden.

Wenig Interesse haben dabei bislang die Medien und Verbreitungswege gefunden, mittels derer solche Entwürfe kollektiv wirksam wurden. Zwar scheint die Annahme leicht konsensfähig, dass historische Imaginarien (als Konkretisierungen symbolischer Ordnungen) stärker durch Bilder als durch Texte geprägt und gesteuert werden. Aber kaum in Ansätzen ist erforscht, wie Bildwissen zu einem kollektiven Phänomen wird, auf welchem realen Bildbestand die zeit- und gesellschaftsspezifische Imagination jeweils beruht, wie bestimmte Bilder in einen kollektiven Wissensbestand geraten. Ebenfalls unerforscht sind die ästhetischen Strategien der massenhaft reproduzierten Bildprodukte, das Verhältnis der Bebilderung fiktiver Geschichten (z.B. von Sagen, Literatur, Oper) zur Bebilderung realer Geschichte im Massenbild.

Das Projekt soll exemplarisch erforschen, (1) wie im 19. und 20. Jahrhundert mit Hilfe massenhaft verbreiteter Bilder und Bildprogramme populäre Geschichtsentwürfe erzeugt, bestätigt oder verändert wurden. Das Projekt erfordert einerseits eine Verbindung von geschichts-, kunst- und literaturwissenschaftlicher Perspektiven. Andererseits erfordert es eine Verbindung mediävistischer mit zeitgeschichtlicher Perspektiven, denn das Themenspektrum hat – den Diskussionen um die politischen Memorialkulturen folgend – einen Schwerpunkt auf den nationalen Ursprungsmythen bzw. auf den Mittelalterentwürfen als (positives oder negatives) Gegenstück der Moderneentwürfe. In enger interdisziplinärer Zusammenarbeit müssen die Massenbilder untersucht werden auf (1) ihre ikonographischen Schwerpunkte, (2) ihre medialen Bedingungen, (3) ihre Darstellungsweisen bzw. ästhetischen Strategien und (4) ihre jeweiligen historischen – sozio-ökonomischen und politischen – Produktions- und Verbreitungsstrategien.

Das Projekt konzentriert sich aus pragmatischen Gründen auf Deutschland von der Reichsgründung bis in die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Da das gesamte Feld der Massenbilder noch weitgehend unbearbeitet ist, ist diese Einschränkung unumgänglich. Das Interesse konzentriert sich zu-nächst auf drei Arten von Massenbild-Medien: (1) Kaufmanns- und Sammelbilder, (2) Schulbücher und (3) weit verbreitete illustrierte Sachbücher, insbesondere zur Nationalgeschichte. Um den Rahmen des Projekts nicht zu sprengen, wird der Blick nur gelegentlich ausgeweitet auf weitere Massenbildbestände wie, Münzen und Geldscheine, bürgerliche Zeitschriften und Bilderbögen (die für die frühere Zeit wichtig sind), Bildpostkarten, Briefmarken usw., wenn es darum geht, einzelne Tendenzen und Phänomene einer Überprüfung zu unterziehen.
Grundsätzlich beruht die Problemstellung auf der Annahme, (1) dass kollektive Imaginarien stark durch Bilder gesteuert werden, ihre Untersuchung in der bisherigen Gedächtniskulturforschung aber mit Ausnahme der Historienmalerei weitgehend an Texten orientiert ist, (2) dass historische Imagi-narien im Medium des Bildes bislang an den wesentlich weniger breit rezipierten Historienbildern untersucht worden sind, kaum aber in massenhaft verbreiteten Medien, so dass die Popularisierungswege der Programme, die evtl. auch die Historienmalerei zeigt, im Dunkeln liegen, (3) dass Bildthemen, Bildformeln und Darstellungsweisen einer erkennbaren Kanonisierung unterliegen; (4) dass das Gewicht einzelner Medien für die Formierung kollektiven Bildwissens zeitspezifisch ist; (5) dass Bildwissen stets über unterschiedliche Medien mit je unterschiedlichen Visualitätserzeugungen, motivischen Auswahlkriterien und Produktionsbedingungen vermittelt wird.

Ein Vergleich der Bildprogramme staatlich geförderter Schulbücher, der ‚weichen’ Programmatik von Kaufmanns-/Sammelbildern und schließlich der meist einer strengeren Programmatik folgen-den historischen Sachbücher ist nicht zuletzt deshalb besonders interessant, weil sich hier möglicherweise noch heute sichtbare Merkmale und Strukturen einer populären Bildkultur abzuzeichnen beginnen. Nicht allein aufgrund ihrer marktwirtschaftlich motivierten Generierung, sondern auch hinsichtlich der Reichweite ihrer Rezeption sind die Sammelbilder gewissermaßen Pioniere der heute massiven Präsenz von Bildern, der vielbeschworenen ‚Bilderflut’.

Stipendium und Bewerbungsmodalitäten
Die Höhe des Postdoktorandenstipendiums beträgt 1.500,-€ monatlich.

Redaktion
Veröffentlicht am
Autor(en)
Beiträger
Klassifikation
Weitere Informationen
Land Veranstaltung
Arbeitssprache(n)
Deutsch
rda_languageOfExpression_stip