2 Promotionsstip. „Königliche Gartenbibliothek Herrenhausen“ (Hannover)

2 Promotionsstip. „Königliche Gartenbibliothek Herrenhausen“ (Hannover)

Institution
Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover (CGL)
Ort
Hannover
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.01.2009 - 30.06.2011
Bewerbungsschluss
31.08.2008
Von
Prof. Dr. H. Fischer; Dr. G. Ruppelt; Prof. Dr. J. Wolschke-Bulmahn

Ausschreibung für zwei Promotionsstipendien „Königliche Gartenbibliothek Herrenhausen“
Gefördert durch das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur

Seit Juli 2007 befindet sich die ehemalige Königliche Gartenbibliothek Herrenhausen in öffentlichem Besitz. Damit ist ein für die Geschichte der Herrenhäuser Gärten wie auch für die Geschichte der Botanik und Gartenkultur in Deutschland aussagekräftiger und einmaliger Handschriften- und Buchbestand nach 70 Jahren erstmals wieder für die Forschung zugänglich. Wichtige Teile der Gartenbibliothek sind nun bei der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek in Hannover.

Das Niedersächsische Ministerium für Wissenschaft und Kultur hat dem Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur (CGL) der Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover Mittel zur wissenschaftlichen Auswertung der Bestände der Königlichen Gartenbibliothek zur Verfügung gestellt. Die wissenschaftliche Auswertung wird in enger Zusammenarbeit von CGL und Leibniz Bibliothek erfolgen.

Im Rahmen dieses umfassenden Forschungsvorhabens werden zwei Promotionsstipendien ausgeschrieben. Die beiden Promotionsstipendien (in Höhe von 75 % TV-L13) werden für je zweieinhalb Jahre ausgeschrieben. Beginn der Stipendien ist der 1. Januar 2009. Arbeitsplätze stehen am CGL zur Verfügung.

Die Promotionsstipendien sind den folgenden beiden zentralen Forschungsfeldern im Zusammenhang mit der Königlichen Gartenbibliothek gewidmet.

1. Der Berggarten – Seine wissenschaftliche Bedeutung und sein Stellenwert als botanischer Garte im (exemplarischen) Vergleich zu anderen bedeutenden Hofgärten und akademischen Gärten.

2. Die Hofgärtner in Herrenhausen – Werk und Wirken unter besonderer Berücksichtigung der ´Gärtnerdynastie´ der Wendlands.

Es dürfen Bewerbungen nur zu einem der beiden Themen eingereicht werden. Die Bewerbung soll die besondere Qualifikation des Bewerbers / der Bewerberin zur erfolgreichen Durchführung des Forschungsvorhabens erkennen lassen. Erforderlich ist hierfür eine Skizze, wie das jeweilige Forschungsthema angegangen werden soll.

Bewerbungen (schriftlich; in 9facher Ausfertigung) sollen umfassen: Bewerbungsschreiben (max. 2 Seiten), Projektskizze (max. 5 Seiten), Lebenslauf und persönliche Daten. Der Bewerbung sind Empfehlungsschreiben von zwei WissenschaftlerInnen beizufügen.

Anfragen zur Ausschreibung und Themenstellung an: Dipl.-Ing. Lidia Ludwig, Geschäftsstelle des CGL, Herrenhäuser Straße 8, 30419 Hannover (cgl@cgl.uni-hannover.de; Tel. 0511/762-5789) oder an Prof. Dr. Joachim Wolschke-Bulmahn (wolschke-bulmahn@ila.uni-hannover.de; Tel. 0511/762-4447).

Einsendung der Bewerbungen an: Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur (CGL), Leibniz Universität Hannover, Herrenhäuser Straße 8, 30419 Hannover.

Einsendeschluss für Bewerbungen ist der 31. August 2008.

Es ist vorgesehen, die Gruppe der besten BewerberInnen am 21. Oktober zu einer öffentlichen Vorstellung nach Hannover in die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek einzuladen. Im Rahmen dieser Veranstaltung wird die Auswahl der zwei PromotionsstipendiatInnen durch eine ExpertInnen-Kommission getroffen.

Die Promotionsverfahren sollen im Rahmen der Bearbeitungszeit der Stipendien an der Leibniz Universität Hannover abgeschlossen werden.

Nachfolgend finden Sie Informationen zur Geschichte der Königlichen Gartenbibliothek Herrenhausen sowie eine Projektskizze zu den beiden Themenfeldern „Berggarten“ und „Hofgärtner in Herrenhausen“.

Zum Programm Promotions-Stipendien „Königliche
Gartenbibliothek Herrenhausen“
(gefördert durch den Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur)

Das Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur plant in enger Zusammenarbeit mit der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek (GWLB) ein mehrstufiges Forschungsvorhaben, das sich aus mehreren in inhaltlichem Zusammenhang stehenden Projekten zusammensetzt und die umfassende wissenschaftliche Auswertung dieses einzigartigen Quellenmaterials zum Ziel hat. Gefördert wird dieses Forschungsvorhaben durch den Niedersächsischen Minister für Wissenschaft und Kultur.

Das Projekt Promotions-Stipendien ist Teil dieses Forschungsvorhabens. Es erstreckt sich über zweieinhalb Jahre. In diesem Zeitraum sollen zwei wichtige Themenfelder im Rahmen von Dissertationen erforscht werden.

1. Der Berggarten – Seine wissenschaftliche Bedeutung und sein Stellenwert als botanischer Garten im (exemplarischen) Vergleich zu anderen bedeutenden Hofgärten und zu akademischen botanischen Gärten.

2. Die Hofgärtner in Herrenhausen – Werk und Wirken unter besonderer Berücksichtigung der ´Gärtnerdynastie´ der Wendlands.

Zur Geschichte der Gartenbibliothek
Nach dem Dreißigjährigen Krieg ließen die Landesherren in vielen deutschen Staaten im Umfeld ihrer wieder aufblühenden Residenzen Gärten zur Versorgung der Hofhaltung, zur Repräsentation und zur Zerstreuung der Hofgesellschaft anlegen. In Hannover begann (nach einem bereits 1650 angelegten Garten im Dorf Linden) in den 1670er Jahren mit der Gründung der Sommerresidenz Herrenhausen etwa drei Kilometer vor den Toren der Stadt eine Entwicklung, die im Laufe der folgenden 200 Jahre zur Gestaltung einer großräumigen, vielfältigen Garten- und Parklandschaft führte. Sie prägt bis heute das etwa 120 Hektar umfassende Gebiet der Herrenhäuser Gärten nordwestlich des Stadtkerns. Zu den bis Mitte des 19. Jahrhunderts geschaffenen Anlagen gehörten der unmittelbar am Schloss Herrenhausen gelegene Barockgarten (Großer Garten), ein botanischer Hofgarten (Berggarten), eine Obst-baumplantage und zwei Landschaftsparks, die im 19. Jahrhundert aus Vorgängeranlagen entwickelt wurden (Georgengarten, Welfengarten).

In den 1830er Jahren erarbeitete die Hofgartenverwaltung ein Aufbauprogramm, um die Gärten der Residenz den künftigen Anforderungen anzupassen, denn es zeichnete sich ab, dass die seit 1714 bestehende Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover zu Ende gehen und der zukünftige Landesherr (König Ernst August, reg. 1837-51) wieder ständig in Hannover residieren würde. Damit begann eine neue Ära für die Geschichte der Herrenhäuser Gärten und besonders für den Berggarten, der in den folgenden Jahrzehnten kontinuierlich zu einer bedeutenden Sammlung exotischer Pflanzen ausgebaut wurde und zugleich die Arbeits- und Forschungsstätte herausragender Botaniker aus der Gärtnerfamilie Wendland war. Beinahe in jedem Jahr wurden neue Gewächshäuser errichtet und der Pflanzenbestand systematisch erweitert. Umfangreiche Pflanzenlieferungen kamen aus dem Botanischen Garten in Kew; über Jahrzehnte bestand ein reger Pflanzentausch mit Botanischen Gärten und Sammlern in vielen europäischen Ländern. Mitte des 19. Jahrhunderts waren u.a. drei Palmenhäuser, zwei Häuser für Erikagewächse, zwei Blumenhäuser, ein Ananashaus, ein Haus für südafrikanische Pflanzen, ein Victoria Regia Haus, ein Orchideenhaus und ein Kakteenhaus vorhanden. 1855 umfasste der Verkaufskatalog des Berggartens 2880 Pflanzenarten. 1854 wurden dort bereits 224 Palmen kultiviert; der Berggarten war zur „Palmenzentrale Europas“ geworden.

Ende des 19. Jahrhunderts galt die Orchideensammlung des Berggartens als eine der artenreichsten Europas. Das hohe Niveau des Berggartens konnte auch nach der Annexion des Königreichs Hannover durch Preußen (1866) gehalten werden, als der Berggarten zum beschlagnahmten Privatvermögen der im Exil lebenden Welfen gehörte und unter preußischer Verwaltung stand. 1879/80 wurde im Berggarten das höchste Palmenhaus Europas errichtet. 1906 erbaute man ein Wasserpflanzenhaus, in dem die Riesenseelilie aus dem Amazonasgebiet, die Victoria regia, ansprechend präsentiert werden konnte. Erst in der Inflationszeit der 1920er Jahre musste ein Grossteil der wertvollen Pflanzenschätze des Berggartens verkauft werden.

Für den Aufbau einer Sammlung exotischer Pflanzen und für die Forschung war eine botanische Fachbibliothek von großer Bedeutung. Daher gehörte zu den in den 1830er Jahren geschaffenen Einrichtungen eine Dienstbibliothek für die Hofgärtner, die Königliche Gartenbibliothek. Ihren Grundstock bildeten etwa 200 Bücher aus dem Nachlass des Hofgarteninspektors Johann Christoph Wendland (1755-1828), die 1832 vom Vizekönig von Hannover, Herzog Adolph Friedrich von Cambridge für die Hofgärten erworben wurden. Die Gartenbibliothek wurde zunächst im Dienstzimmer des 1817-20 von Hofbaumeister Georg Friedrich Ludwig Laves errichteten Verwaltungsgebäudes des Berggartens untergebracht, das gleichzeitig als Hofgartenmeisterwohnung diente. Den kontinuierlichen Aufbau der Bibliothek sicherte man durch einen eigenen Etat im Budget der Hofgartenverwaltung. 1850 erschien der erste gedruckte Katalog der Bibliothek, die auf Antrag auch externen Fachleuten zugänglich war. 1852 wurde die Bibliothek in dem ursprünglich als Belvedere für die königliche Familie eingerichteten Kuppelraum des Gebäudes gemeinsam mit dem Herbarium in repräsentativer Weise aufgestellt.

Beim Verkauf des Großen Gartens und des Berggartens an die Stadt Hannover im Jahr 1936 blieb die Gartenbibliothek im Besitz des Hauses Braunschweig-Lüneburg/Hannover. Sie wurde vorübergehend auf dem Dachboden des Schlosses Herrenhausen aufbewahrt und während des Zweiten Weltkriegs schließlich mit dem übrigen Inventar auf die Marienburg bei Nordstemmen ausgelagert. Dort waren die Handschriften und Bücher weder für die Gärtner des Berggartens noch für die Forschung zugänglich. Durch die jahrzehntelange Abwesenheit der Bibliothek von ihrem ursprünglichen Bestimmungsort ging das Wissen über sie nahezu verloren.

Im Jahr 2005 veröffentlichte das Auktionshaus Reiss & Sohn einen Katalog der Bibliothek, die inzwischen an einen anderen Privatbesitzer gelangt war, und kündigte die Einzelversteigerung der Werke an. Dadurch bestand die Gefahr, dass die Handschriften und Bücher der Bibliothek in alle Welt zerstreut werden würden. Ein für die Geschichte der Herrenhäuser Gärten, die niedersächsische Landesgeschichte und die Geschichte der Botanik in Deutschland bedeutendes Geschichtszeugnis drohte verloren zu gehen. Durch Aufnahme der Bibliothek in die Liste national wichtigen Kulturgutes im Jahr 2005 konnten die Handschriften und Bücher vor der Ab-wanderung ins Ausland geschützt werden. Durch die Bereitstellung öffentlicher Mittel und Zuwendungen von Stiftungen ist es gelungen, den Verkauf in Privatbesitz abzuwenden und die gesamte Bibliothek in öffentliches Eigentum zu überführen. Der Hauptanteil der gedruckten Werke befindet sich seit Juli 2007 in der Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg in Frankfurt und in der Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Weimar. Die für die Geschichte der Herrenhäuser Gärten wichtigen Handschriften, Zeichnungen und Herbarien (51 Konvolute) und die für die niedersächsische Geschichte bedeutsamen gedruckten Werke sind im Besitz der Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek/ Niedersächsische Landesbibliothek.

Um den Nachteil der Verteilung des Bestandes auf drei Standorte zu mindern und das Wissen über die Königliche Gartenbibliothek präsent zu halten, soll die Bibliothek als Ganzes in Form einer virtuellen Bibliothek weiter erschlossen werden. Die Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek strebt eine Digitalisierung der wichtigsten Handschriften und Bücher an. Damit können die Inhalte für die Forschung bequem zugänglich gemacht und die wertvollen Originale vor Abnutzung geschützt werden. Gemeinsame Ausstellungen der drei Bibliotheken werden über die Geschichte der Gartenbibliothek und ihre Werke informieren.

Der Handschriften- und Buchbestand der Bibliothek
Der Buchbestand der Bibliothek, der in hundert Jahren (1832-1936) auf etwa 700 Titel in 2000 Bänden anwuchs, umfasst ein Spektrum von Themenbereichen, das dem Aufgabenfeld der Hofgärten entsprach. Dazu gehörten der Anbau von Obst und Gemüse, die Frühtreiberei von Früchten in Gewächshäusern, die Anzucht von Ziergehölzen und Dekorationspflanzen, die Kultivierung exotischer Pflanzen, die Pflege von Ziergartenbereichen und die Gestaltung von Landschaftsgärten. Den herausragenden Schwerpunkt bilden Werke zur Botanik, denn die Bibliothek war in erster Linie die Arbeits- und Forschungsbibliothek der im Berggarten tätigen Hofgärtner der Familie Wendland, die auch die Auswahl der Bücher wesentlich bestimmten. Johann Christoph (1755-1828), Heinrich Ludolph (1792-1869) und Hermann Wendland (1823-1903) prägten über einhundert Jahre den Ausbau dieses Gartens zum einem bedeutenden botanischen Garten. Durch ihr gärtnerisches Können, ihre wissenschaftlichen Veröffentlichungen und den Austausch mit Fachkollegen erwarben sie sich national und international große Anerkennung. Sie benannten und beschrieben einige Hundert bis dahin unbekannte Pflanzenarten. Als Handwerkszeug und Arbeitsmittel dienten ihnen Werke zur botanischen Systematik, detailgetreue Abbildungen und wissenschaftliche Beschreibungen von Pflanzenartensowie ein umfangreiches Herbarium. Die Bibliothek enthält daher die wichtigsten Standard-werke zur Botanik wie auch eine Vielzahl prachtvoll ausgestatteter, zum Teil handkolorierter Werke über Pflanzenfamilien und -gattungen, die Pflanzenwelt vieler Länder, die Sammlungen anderer botanischer Gärten und neu entdeckte Arten. Abonnierte Fachzeitschriften boten Informationsmöglichkeiten über aktuelle Entwicklungen und Neuerungen auf den Gebieten des Nutzpflanzenanbaus, der Gartenkunst und Botanik.

Neben den Büchern umfasst die Bibliothek 51 Konvolute von Handschriften, Zeichnungen und Herbarien sowie durch handschriftliche Bemerkungen ergänzte Veröffentlichungen der Gärtner – einmalige Quellen zur Geschichte Herrenhausens und zur wissenschaftlichen Arbeit der Hofgärtnerfamilie Wendland. Zu den herausragenden Werken gehören 394 aquarellierte Zeichnungen, die Johann Christoph Wendland in den Jahren 1788-91 von den ausländischen Gewächshauspflanzen des Berggartens angefertigt hat. Gemeinsam mit minutiös geführten handschriftlichen und gedruckten Pflanzenverzeichnissen und dem Herrenhausen-Herbarium dokumentieren sie den damaligen Pflanzenreichtum des Berggartens. Die Königliche Gartenbibliothek enthält außerdem Manuskripte für Veröffentlichungen, Schriftwechsel mit der Hofgartenverwaltung und Geschäftsbücher, die u. a. den Pflanzentausch mit Botanischen Gärten, Pflanzensammlern und Handelsgärtnereien in vielen Ländern Europas dokumentieren. Wichtige Quellen zur Genese der Bibliothek sind das von 1857-1913 geführte Verzeichnis der erworbenen Bücher und der Katalog von 1888 mit zahlreichen handschriftlichen Nachträgen und Anmerkungen.

Zum Projekt Promotions-Stipendien: Erforschung von zwei zentralen Themenfeldern im Rahmen von Promotionsvorhaben

Die folgenden beiden Themen sollen im Rahmen von Stipendien von hochqualifizierten WissenschaftlerInnen bearbeitet werden.

1. Der Berggarten – Seine wissenschaftliche Bedeutung und sein Stellenwert als botanischer Garten im (exemplarischen) Vergleich zu anderen bedeutenden Hofgärten und zu akademischen botanischen Gärten.

Die mittlerweile drei Jahrhunderte umfassende Geschichte des Berggartens begann mit drei vorwiegend ökonomisch genutzten Gärten, die von der fürstlichen Verwaltung in Herrenhausen angelegt wurden, einem Maulbeergarten (ab 1704), einem Treibquartier mit Gewächshaus (1722-24), sowie einem 1724 angelegten Küchengarten. Die Keimzelle des Berggartens war das Treibquartier, in dem Gartenmeister Georg Ernst Tatter ab 1734 eine umfangreiche Sammlung exotischer Gewächse zusammentrug, die 1750 von der Krone erworben wurde. Die erste Ausbauphase zum Botanischen Garten begann Ende des 18. Jahrhunderts mit dem Bau zusätzlicher Gewächshäuser und der Anlage eines kombinierten Anzucht- und Schaugartens für ausländische Gehölze und Stauden, den Hofgärtner Johann Christoph Wendland anlegte. Eine neue Ära des Berggartens im 19. Jahrhundert mit einem gezielten Ausbau zum botanischen Hofgarten erreichte ihren Höhepunkt während der Regierungszeit der Könige Ernst August (1837-51) und Georg V. (1851-66). In dieser Zeit wurde der Pflanzenbestand beträchtlich erweitert, u. a. durch den systematischen Austausch mit anderen Botanischen Gärten. Palmenhäuser, Heidehäuser, ein Ananashaus, Orchideen-, Victoria-Regia- und andere Häuser lassen die herausragende Stellung des Botanischen Gartens in Europa in dieser Phase erahnen.

Geprägt wurde die Entwicklung des Berggartens durch einzelne Gärtnerpersönlichkeiten wie Heinrich Ludolph Wendland und Hermann Wendland, die sowohl als Gärtner wie auch als Fachschriftsteller international anerkannt waren. Die von ihnen betreute Gartenbibliothek war eines der wichtigsten Arbeitsmittel. Die Erforschung der Biographien dieser Gärtner geht daher eng zusammen mit der vergleichenden Erforschung des Berggartens als Botanischem Garten, ist aber vom Umfang her als eigenständige Thematik zu behandeln. Unabhängig von den politischen Entwicklungen und ihren Auswirkungen behielt der Berggarten seine herausragende Bedeutung als Botanischer Garten bis zu Beginn der 1920er Jahre bei.

Die Geschichte der Botanischen Gärten allgemein weist bis heute große Forschungsdesiderata auf. So sind Anlagen wie Kew oder der Botanische Garten am Schloss Schönbrunn und der fast zeitgleich im 18. Jahrhundert gegründete Garten der Universität Wien recht gut erforscht. Doch fehlen zahlreiche Einzelstudien und vor allem Forschungen zu den Beziehungen einzelner dieser Gärten untereinander, zum internationalen Transfer von Wissen und Pflanzen über die Jahrhunderte.

Die Geschichte des Berggartens ist bislang in ihren Grundzügen und in Bezug auf die wesentlichen Entwicklungsphasen untersucht und dargestellt. Wichtige Aspekte sind allerdings bislang nicht bzw. nur unzureichend beleuchtet1. Es fehlt bislang eine systematische und wissenschaftliche Aufarbeitung der Geschichte des Berggartens und seiner Position im internationalen Gefüge der Botanischen Gärten. Eine kürzlich erschienene Publikation von Heike Palm und Hubert Rettich erlaubt neue Einblicke in die Geschichte und korrigiert Fehler älterer Beiträge, diskutiert aber ebenfalls den Berggarten nicht im internationalen Kontext2.

Auch eine Untersuchung der Entwicklung der Pflanzenbestände des Berggartens fehlt bislang weitgehend. Erst anhand einer solchen Untersuchung können z. B. auch frühere Einschätzungen über die herausragende Bedeutung des Berggartens im internationalen Vergleich verifiziert bzw. falsifiziert werden. Die Handschriften und gedruckten Katalogen der Kgl. Gartenbibliothek stellen ausgesprochen aufschlussreiche Quellen zum Pflanzenbestand des Berggartens dar. Ihre systematische Auswertung erlaubt eine Rekonstruktion der Artenvielfalt des Berggartens vom Ende des 18. Jahrhunderts bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts. Bezieht man die im Königlichen Hausarchiv befindlichen Pflanzeninventare ein, so lässt sich die Entwicklung der Pflanzensammlungen sogar bis in das 20. Jahrhundert nachvollziehen. Damit ist eine hervorragende Grundlage für den Vergleich mit anderen Hofgärten und akademischen Botanischen Gärten gegeben. Unter wissenschaftlichen Aspekten besonders wertvoll sind die Listen, die für den Berggarten über den Tausch von Pflanzen mit anderen Institutionen geführt wurden. U. a. diese Listen verdeutlichen die Beziehungen des Berggartens zu anderen Gärten im In- und Ausland. Auch die Briefsammlung Heinrich Wendlands gibt Einblicke in den Ankauf von Pflanzen für den Berggarten.

In Bezug auf andere Botanische Gärten wurde vereinzelt der Pflanzen- und auch der Wissenstransfer wissenschaftlich untersucht3. Für den Berggarten steht eine derartige Untersuchung noch aus.

Kassenbücher in der Kgl. Gartenbibliothek können wertvolle Einblicke geben in die Einbindung des Berggartens in die regionale und überregionale Gartenkultur und ansatzweise auch
–ökonomie. So dokumentiert das Kassenbuch 1813-28 über 15 Jahre den Verkauf von Früchten und Pflanzen. Diese und andere wichtige Quellen geben nicht nur Einblicke in den Kundenkreis, sondern lassen darüber hinaus bisweilen sogar beim Verkauf größerer Mengen – zumindest hypothetische - Rückschlüsse auf Neuanlagen bzw. Umgestaltungen vorhandener Parkanlagen zu. Die wirtschaftliche Bedeutung des Berggartens für den Hof lässt sich auch anhand anderer Quellen wie z. B. dem Verzeichnis der vom Berggarten an die Hofhaltung gelieferten Produkte, 1840-66/67 untersuchen.

Die Bestände der Kgl. Gartenbibliothek sollten darüber hinaus auch in Bezug auf kultur- und sozialgeschichtliche Fragen (Ausbildung, Arbeitsweisen der Gärtner, Versorgung der Gärtner etc.) ausgewertet werden.

Die Arbeiten an der Königlichen Gartenbibliothek bedürfen einer intensiven Ergänzung durch Untersuchungen in den Archiven anderer Botanischer Gärten wie vor allem Kew Gardens und ggfs. anderer Gärten, die z. B. in den Lieferungsbüchern des Berggartens genannt sind. Diese stellen eine äußerst wertvolle Quelle für die nationale und internationale Vernetzung des Berggartens hinsichtlich des Pflanzentausches mit akademischen Institutionen, Hofgärten und Privatleuten dar. Faszinierende Überschneidungen bestehen zu einem anderen Forschungsschwerpunkt, dem Werk und Wirken der ´Gärtnerdynastie´ der Wendlands. So lassen sich wichtige Verbindungen durch Bildungsreisen z. B. von Heinrich Ludolph Wendland nach Kew Gardens (1813-16) nachweisen.

2. Die Hofgärtner in Herrenhausen – Werk und Wirken unter besonderer Berücksichtigung der ,Gärtnerdynastie‘ der Wendlands

Ein und ein viertel Jahrhundert (ca. 1780 bis 1903) haben die Wendlands die Entwicklung der Herrenhäuser Gärten und insbesondere den Ausbau des Berggartens zum Botanischen Garten geprägt. Im Unterschied zu dem Hofbotaniker Friedrich Ehrhart (1742 bis 1795) und der bis zur Ära Wendland maßgeblichen Hofgärtnerfamilie Tatter haben die Wendlands jedoch trotz ihrer überragenden Bedeutung für die Geschichte der hannoverschen Gartenkultur und ihrer sowohl praktischen wie wissenschaftlichen Leistungen auf dem Gebiet der Botanik lediglich ein sporadisches Interesse gefunden. Der Quellenbestand der Königlichen Gartenbibliothek erlaubt nun in Verbindung mit den im Königlichen Hausarchiv vorhandenen Personal- und Verwaltungsakten des Berggartens sowie den weitgehend unerschlossenen Publikationen der Wendlands erstmals eine gründliche Erforschung dieser wohl wichtigsten hannoverschen ,Gärtnerdynastie‘.

Ein Schwerpunkt sollte die höhere Gärtnerausbildung in Hannover im Generationen- und internationalen Vergleich sein, da hier insgesamt ein Defizit besteht, wie erst kürzlich auf einer Potsdamer Fachtagung festgestellt wurde. Nach den Napoleonischen Kriegen war mit den Worten John Claudius Loudons der „Geist der Bildung das vorherrschende Merkmal der Gegenwart“4 geworden. Im Zuge der Verwissenschaftlichung wurde in England und Preußen seit den 1820er Jahren der Übergang zur formalen Ausbildung und zur Institutionalisierung der höheren Gärtnerausbildung vollzogen, während Hannover letzteres nicht mit vollzog, lange Zeit freilich auch nicht die an Gärten ungleich reichere Donaumonarchie, die erst um 1900 in Eisgrub die Ausbildung institutionalisierte.

Die Verwissenschaftlichung und damit wenigstens teilweise Formalisierung der Ausbildung lässt sich jedoch jetzt auch für Hannover anhand der Vorlesungsmit- und -nachschriften Heinrich Ludolph Wendlands (1782-1869) und Hermann Wendlands (1823-1903) während ihrer Studien an der Georgia Augusta (32, 33, 35, 38) 5 sowie anhand der Abschriften von Fachbüchern wohl sämtlich von Heinrich Ludolph Wendland (3, 6, 7, 10, 22, 23, 27, 28) nachvollziehen. Hieran schließen sich weitergehende Fragen an: In welchem Maße waren die Ausbildungsgänge der Wendlands und ihre Fort- und Weiterbildung typisch für botanisch spezialisierte Gärtner und wo wiesen sie Besonderheiten auf? Wurde ihre Ausbildung und Weiterqualifikation von der Krone gefördert? Hatten die Ausbildungsgänge Auswirkungen auf die Anerkennung in der Fachwelt? War dies zu Ende des 18. Jahrhunderts grundsätzlich anders als nach der Gründung der Gärtnerlehranstalt in Potsdam Wildpark?

Ein zweiter, mit dem ersten zusammenhängender Forschungsschwerpunkt werden die Reisen sein, denn sie dienten in erster Linie der Ausbildung der angehenden Hofgärtner und ersetzten insoweit die institutionalisierte Ausbildung. Wichtige Spuren des Aufenthalts von Heinrich Ludolph Wendland etwa in Kew Gardens (1813-16) enthalten seine Abschriften im Bestand der Königlichen Gartenbibliothek (6, 10, 28). „Eine bislang nicht beachtete, aber interessante Quelle zur Geschichte der europäischen [...] Gartenkultur“ stellen nach Martz die „teils sehr ausführlichen schriftlichen Reiseberichte“6 der Hofgärtner dar. Daraufhin wären die Bestände des Königlichen Hausarchivs noch einmal durchzusehen und mit den Reiseberichten etwa der österreichischen und anderer Hofgärtner zu vergleichen. Hinzu kommen die in den Herbarien und Herbarienverzeichnissen (11, 13, 14) der Gartenbibliothek enthaltenen Materialien zur wissenschaftlichen Tätigkeit der Wendlands, soweit sie auf deren Reisen zurückgehen. Von besonderer Bedeutung dürfte in diesem Zusammenhang die Reise des Hofgärtners Hermann Wendland nach Costa Rica 1856/57 sein. Zu fragen wäre außerdem, ob sich die auf Reisen gewonnenen Erkenntnisse der Wendlands unmittelbar auf die Entwicklung des Berggartens auswirkten, aber auch, was die Publikation über die berührte Mittelamerika-Reise und die mitgebrachte Pflanzensammlung verhindert hat.

Ein dritter, aus dem zweiten bereits teilweise hervorgehender Schwerpunkt dieses Projekts müsste in der Erschließung und Einordnung der wissenschaftlichen Leistungen aller drei Wendlands liegen. Dabei stellt sich die generelle Frage, unter welchen Umständen und in welchem Maße Wissenschaft auch außerhalb von Universitäten und Akademien betrieben wurde und wie die Zusammenarbeit mit akademischen Institutionen sowie mit Einrichtungen und einzelnen Forschern innerhalb und außerhalb Deutschlands organisiert war. Besonders reiche Ausbeute lässt das vermutlich 1863 erstellte Manuskript Hermann Wendlands für eine Veröffentlichung über Palmen (wohl gemeinsam mit Gustav Mann oder mit B. Seemann) erwarten, darunter viele Gattungen und Arten, die Wendland selbst zuerst beschrieben hat (44). Aus demselben Bestand sind die in Fachzeitschriften verstreuten Artikel Hermann Wendlands erstmals systematisch zu ermitteln. Dazu kommen die von ihm vermutlich zur Veröffentlichung vorgesehenen Manuskripte bzw. Vorarbeiten für Veröffentlichungen (41, 42, 43), die auch Rückschlüsse auf seine Arbeitsweise erlauben, sowie das mit seinen Anmerkungen versehene Arbeitsexemplar seines „Index palmarum“ von 1854 (707). Als wertvolle Unterlagen zur wissenschaftlichen Tätigkeit Heinrich Ludolph Wendlands sind die 1818-21 entstandenen Bände des Verzeichnisses der im Herbarium befindlichen Pflanzen mit aussagekräftigen Anlagen zu betrachten (45). Abgesehen von der Zusammenarbeit Johann Christoph Wendlands mit Schrader (600-603) und den Hinweisen auf die Kontakte Hermann Wendlands zu Thielmann (37) und Drude (37, 180, 181) müsste die Briefsammlung Heinrich Ludolph Wendlands (46) auf weitere Kontakte, Reisen, Schriftwechsel und die noch zu befragenden Archive durchgesehen werden.

Daran schließt sich die allgemeine Frage an, welche Bedeutung Johann Christoph, Heinrich Ludolph und Hermann Wendland in ihrer Funktion als Hofgärtner, praktische Botaniker und wissenschaftliche Autoren hatten und wie ihre Leistungen von Zeitgenossen bewertet wurden. Darüber hinaus ist zu fragen, ob und wie sich ihre Publikationen im Vergleich mit anderen zeitgenössischen Veröffentlichungen nach Inhalt und Methode sowie nach dem Verhältnis von Theorie und Praxis unterscheiden. Dabei spielt die Qualität ihrer Pflanzenaquarelle und botanischen Illustrationen (Kupferstiche) keine geringe Rolle (42, 49). Zur Komplettierung wäre die Sammlung der 23 Blätter Bleistiftzeichnungen mit Ansichten von Gärten, Burgen, Brunnen und Landschaften heranzuziehen (8), wenn sich anhand der Reisewege nachweisen ließe, daß sie auf einen Wendland zurückgehen. Dieser Ausdifferenzierung des Berufsbildes bis in die graphischen Künste hinein wäre die Vernetzung mit einem großen Kundenkreis des In- und Auslandes (16) sowie mit nationalen und internationalen Pflanzentauschpartnern (Botanischen und Hofgärten, privaten Pflanzensammler, Handelsgärtnern und Autoren) (18) zur Seite zu stellen, um den Aktionsraum der Hofgärtner auch in der Breite besser ausmessen zu können.

Anforderungsprofile
Der Zuschnitt der Fragestellung und das Quellenmaterial sprechen dafür, beide Forschungsthemen im Rahmen von Dissertationen zu bearbeiten. Voraussetzung für eine erfolgreiche Bearbeitung sind sehr gute Kenntnisse in der historischen Gartenforschung, sowie in der Wissenschaftsgeschichte und der Geschichte der botanischen Gärten, die Befähigung zur Quellenforschung sowie ein mit Prädikat abgeschlossenes einschlägiges Studium.

Hannover, 23. Juli 2008

Prof. Dr. H. Fischer
(Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover)

Dr. G. Ruppelt
(Gottfried Wilhelm Leibniz Bibliothek)

Prof. Dr. J. Wolschke-Bulmahn
(Zentrum für Gartenkunst und Landschaftsarchitektur, Gottfried Wilhelm Leibniz Universität Hannover)

1 Siehe dazu z. B. Karl H. Meyer, Königliche Gärten. Dreihundert Jahre Herrenhausen, Hannover, 1966; S. 208-212; Ulrike und Hans Georg Preißel, Hannovers Berggarten. Ein botanischer Garten, Hannover, 1993. Beide Publikationen haben allerdings populärwissenschaftlichen Charakter und weisen zahlreiche Mängel auf.

2 Heike Palm, Die Geschichte des Berggartens im 18. Jahrhundert, in: Marieanne von König (Hg.), Die Königlichen Gärten in Hannover, Göttingen, 2006, 165-177; Hubert Rettich, Die Entwicklung des Berggartens vom Ende des 18. Jahrhunderts bis heute, in: von König (Hg.), 178-194.

3 Siehe z. B. Feemke Frietema, In meo hortulo. 400 Jahre Austausch von Pflanzen und Wissen über Pflanzen zwischen Leiden und Wien, Leiden, 1998; Madeleine Ly-Tio-Fane, Contacts between Schönbrunn and the Jardin du Roi, Isle de France, in the 18th century, in: Mitteilungen des österreichischen Staatsarchivs Wien, 35 (1982), 85-109

4 Zit. Nach Jan Woudstra: Der Aufstieg der formalen Ausbildung für Gärtner in Preußen und Großbritannien, in: Preußische Gärtner in Europa. 300 Jahre Gartengeschichte. Hrsg. von der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg (SPSG) in Zusammenarbeit mit ICOMOS-IFLA zur Internationalen Fachtagung vom 4. bis 6. Oktober 2007 in Potsdam-Sanssouci. Leipzig 2007, 308-313, hier 308f.

5 Die Ziffern beziehen sich auf die Positionen des o. g. Auktionskatalogs der Firma Reiss & Sohn, Königstein im Taunus, 2005.

6 Jochen Martz: „Obwohl sie lichte Punkte haben, die k.k. Hofgärten in Schatten stellen sie nicht.“ Die preußischen Hofgärten im Spiegel von Reiseberichten österreichischer Hofgärtner des 19. Jahrhunderts, in: Preußische Gärten in Europa, 314-319, hier: 314.

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