4 Doktorandenstipendien und 1 Postdoktorandenstipendium "Stadt und Garten als frühneuzeitlicher Kommunikations-, Disziplinierungs- und Wissensraum in vergleichender europäischer Perspektive." (Univ. Mainz)

4 Doktorandenstipendien und 1 Postdoktorandenstipendium "Stadt und Garten als frühneuzeitlicher Kommunikations-, Disziplinierungs- und Wissensraum in vergleichender europäischer Perspektive." (Univ. Mainz)

Institution
Abteilung für Osteuropäische Geschichte, Johannes Gutenberg-Universität
Ort
Mainz
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.11.2009 -
Bewerbungsschluss
30.09.2009
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Von
Jan Kusber

Ausschreibung von 4 Doktorandenstipendien und 1 Postdocstipendium an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Rahmenthema:
Stadt und Garten als frühneuzeitlicher Kommunikations-, Disziplinierungs- und Wissensraum in vergleichender europäischer Perspektive.

Seit der Antike ist die Konstitution und Rezeption adliger oder republikanischer Herrschaft ganz wesentlich an räumliche und raumzeitliche Parameter gebunden. Um Herrschaft in ihrer ästhetisch-zeichenhaften, sinnlich-physischen und zeitlich-dynamischen Wirkung nachhaltig entfalten zu können, waren die Regenten sowie die mit ihnen verbundene adlige oder städtische Führungsschicht auf die sichtbare Besetzung des öffentlichen und privaten Raumes angewiesen. Bereits Platon und Aristoteles definieren den durch Politik, Kultur und Ökonomie zivilisierten territorialen oder städtischen Raum jenseits militärischer oder ökonomischer Machtausübung als Spiegelbild einer Guten Regentschaft und Schauplatz für die bildhafte Zurschaustellung der grundlegenden, überzeitlichen Normen herrschaftlicher Regentenethik. Dem herrschaftlich durchorganisierten und durchstrukturierten Raum wurden dabei geradezu mnemotechnische Qualitäten zugeschrieben, indem die kultivierten Landschaften, funktionierenden Städte und kunstvoll gestalteten Paläste und Gärten für die Bewohner als Erinnerungszeichen einer klugen und effektiven Regentschaft dienen sollten.
So wie die Untertanen und Mitglieder eines Herrschaftsverbandes im Betrachten und Erleben des von den Handlungen einer klugen Regierung gezeichneten und durch Architektur, Gartenkunst und Bildwerke zeichenhaft besetzten öffentlichen Raumes die kultivierende, ordnungsstiftende Macht der Regentschaft nachvollziehen und anerkennen sollten, so vermochte die Regentschaft umgekehrt erst durch die Inanspruchnahme des öffentlichen Raumes die Ausübung und Repräsentation herrschaftlicher Verfahren und Mechanismen der sinnlichen Wahrnehmung zugänglich zu machen. Dieser hier zur Anschauung gelangende unauflösbare Zusammenhang zwischen der Konstituierung, Etablierung und Rezeption von rechtmäßiger Herrschaft und der durch sie bewirkten politischen Inbesitznahme und strukturellen Formung von territorialen wie architektonischen Räumen blieb durch alle Epochen hindurch gültig und sollte in der Frühen Neuzeit vielfältige Aktualisierungen und Ausprägungen erfahren. Zu zentralen Schauplätzen wurden dabei zunächst die mit der Stadt verbundenen repräsentativen Innen- und Außenräume (hier vor allem Kirchen, Paläste und Plätze), später dann zunehmend auch ganze Territorien mit ihren außerhalb der Stadtzentren gelegenen Palast- und Gartenanlagen.

Zwar gehören Stadt und Garten schon seit geraumer Zeit zu etablierten Gegenständen der Architektur und Kunstgeschichte und der Geschichte. In der älteren Forschung bildeten sie sich jedoch zu einer Spezialdisziplin heraus, die sich der sogenannten Gartenkunst und der Stadtentwicklung verschrieben hatte. Obgleich der Garten resp. der Park für die moderne Stadtplanung eine große Rolle spielt, wurde an einer strengen, an der romantischen Gegenüberstellung von Natur und Kultur gedachten Unterscheidung von zwei Bereichen des öffentlichen Lebens festgehalten, die in der frühen Neuzeit zwei zwar unterschiedliche, jedoch deutlich zusammen gehörende Bereiche darstellten.

Eine gemeinsame Betrachtung von Stadt und Garten eröffnet neue Forschungsperspektiven. Dabei sollen die einzelnen Räume sowohl als Palimpsest und Konflikträume untersucht als auch nach den ideologischen und praktischen Voraussetzungen und Umsetzungen und den hierfür gefundenen ästhetischen Konzepten gefragt werden. Wie bereits einzelnen Studien gezeigt haben, ist der frühneuzeitliche Raum nicht als bloß bebaute Fläche, sondern vielmehr als ein mehrteiliges, komplexes Raumgefüge zu begreifen. An ihm partizipierten zum Teil heftig konkurrierende gesellschaftliche Gruppen mit ihren divergierenden Repräsentationsansprüchen. Darüber hinaus wurde er aber auch als Konkretisierung eines übergreifenden, ideellen Konzepts der Guten Herrschaft und seiner ästhetischen Visualisierung gestaltet. Am Beispiel des Gartens wird deutlich, wie wichtig die Erkenntnisse der mathematischen Wissenschaften für seine Gestaltung und sein Verständnis waren. Sie unterwarfen den Raum nicht nur einer zunehmenden Geometrisierung, die ihrerseits auf Herrschaftskonzepte zurückwirkte, sondern erkannten den Garten als Wissensraum, in dem naturwissenschaftliches Wissen und ästhetisches Konstrukt ein enges Verhältnis eingehen.
Die Doktorandengruppe, die aus den Absolventen/innen der Fachgebiete Kunstgeschichte der frühen Neuzeit, osteuropäische Geschichte und Geschichte der Naturwissenschaften zusammengesetzt sein soll, hat das Ziel anhand konkreter Dissertations- und Habilitationsprojekte, sowie übergreifender konzeptioneller Arbeit Wandlungs- und Visualisierungsprozesse von Stadt und Garten als frühneuzeitliche Räume im Spannungsfeld von adligen und frühbürgerlichen Eliten und ihren divergierenden Repräsentationsansprüchen im europäischen Kontext unter besonderer Berücksichtigung Osteuropas zu untersuchen. Dabei ist uns eine vergleichende europäische Perspektive besonders wichtig. Dies soll nicht zuletzt in Auseinandersetzung mit der von Michel Foucault beschriebenen, und in den Kulturwissenschaften heftig diskutierten relationalen Raumtheorie geschehen. Es wird zu prüfen sein, ob und inwieweit diese, an den Gegebenheiten des 20. Jahrhunderts entwickelte kontrovers diskutierten Raumkonzepte, für die Erforschung der frühen Neuzeit gewinnbringend nutzbar gemacht werden können.

Die Doktorandengruppe wird betreut von: Univ.-Prof. Dr. Jan Kusber, Univ.-Prof. Dr. Matthias Müller, Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra; PD Dr. Volker Remmert.

Das Forschungsprogramm der Doktorandengruppe sieht folgende übergreifende Fragestellungen vor:

1) Die symbolische Kodierung des Raums und ihre Inszenierung
2) Ordnungsstruktur und Konfliktgeschichte: Der Stadtraum als Palimpsest, Der Garten als Schöpfungsraum?
3) Stadt und naturaler Raum als Wissensraum

Gesucht werden DoktorandInnen sowie eine PostdoktorandIn aus den Fachgebieten Kunstgeschichte, Osteuropäische Geschichte und Geschichte der Naturwissenschaften mit einem Schwerpunkt in der frühen Neuzeit für die Dauer von zunächst 2 Jahren. (In der Kunstgeschichte sind besondere Kenntnisse in der Architektur – und Gartengeschichte Italiens und oder Frankreichs als auch des Alten Reiches besonders willkommen).
Vom Postdoc wird die Koordination der Doktorandengruppe sowie das Verfassen eines Folgeantrags einer Doktoranden- bzw. Nachwuchsgruppe erwartet. Es besteht die Möglichkeit zur Habilitation.

Vorraussetzung für eine Bewerbung ist:

- erfolgreich abgeschlossenes Studium in einem der relevanten Fachgebiete: Kunstgeschichte, Geschichte, Osteuropäische Geschichte und Geschichte der Naturwissenschaften (in der Regel Note 1,3 oder besser und nicht länger als 2 Jahre zurückliegend),
- Die Promotion des/r Postdoc-Bewerbers/in sollte in der Regel nicht länger als 4 Jahre zurückliegen.
- Promotions- bzw. ggf. Habilitationsprojekt im Rahmen der Gruppe.
- Engagierte Teilnahme an verschiedenen noch genauer zu definierenden Aktivitäten. Auf Wunsch wird die Möglichkeit eingeräumt, sich aktiv in der Lehre einzubringen.

Die BewerberInnen sollten folgende Unterlagen einreichen

- Abstract der Magisterarbeit (für Doktoranden) bzw. der Dissertation (für Postdocs) (1-2 Seiten)
- 1 Empfehlungsschreiben (nur für Doktoranden)
- Kurze Skizze des geplanten Promotionsprojektes mit Fragestellung, Zielsetzung und Angaben zur thematischen Einbettung in die Doktorandengruppe (2 – maximal 5 Seiten)
- ggf. Aufstellung zu Vorarbeiten und Publikationen
- Lebenslauf
- Zeugnisse
- Personalbogen (wir verschicken den Personalbogen auf Anfrage)

Bewerbungen in Papierform (bitte keine Bewerbungen per Email) sind zu richten an:

Univ.-Prof. Dr. Elisabeth Oy-Marra
Institut für Kunstgeschichte
der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Binger Strasse 26
55122 Mainz

Den Personalbogen verschickt:
Martina Granaß
Institut für Kunstgeschichte
der Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Binger Strasse 26
55122 Mainz
granass@uni-mainz.de

Bewerbungsschluss ist der 30. 9. 2009
Beginn der Stipendienlaufzeit 1. 11. 2009

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Deutsch
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