Plurale. Zeitschrift für Denkversionen 9 (2013)

Titel der Ausgabe 
Plurale. Zeitschrift für Denkversionen 9 (2013)
Weiterer Titel 
Übergriffe. Grenzen und Enden der Semiotik

Erschienen
Erscheint 
ein- bis zweimal jährlich
Anzahl Seiten
228 S.
Preis
€ 15,00

 

Kontakt

Institution
Plurale. Zeitschrift für Denkversionen
Land
Deutschland
c/o
Plurale e.V. z. Hd. Prof. Dr. Mirjam Goller Humboldt-Universität zu Berlin Institut für Slawistik Unter den Linden 6 10099 Berlin [Sitz: Dorotheenstr. 65]
Von
Goller, Mirjam

Übergriff – das klingt brisant, das klingt kriminell und nach schnell und gewaltsam überwundener Distanz. Das klingt so, als ob niemand es mag, und es klingt nach etwas, das verfolgt und geahndet werden muss. Übergriff ist nah am Angriff und am Überfall.

Zerlegt man das Wort, erhält man über und griff. Über aber überwindet nicht nur Distanz, sondern verschafft auch Überblick und Übersicht oder ist Übertragung. Über ist meta und als übertragenes Wort auch Metapher oder eben Begriff.

Begriffe sind nicht wegzudenkender Bestandteil von Wissenschaftssprache und überhaupt wissenschaftlicher Tätigkeit. Man muss schließlich wissen, worum es sich handelt, wenn man versucht, ein komplexes Thema gemeinsam zu verhandeln.

Begriff hat unzweifelhaft etwas mit der Hand zu tun. Mit dem haptischen Zugriff auf die Welt, mit Anfassen, Abtasten, Fühlen, körperlich Gewahrwerden.

Begriff ist dann das, was entsteht, wenn man die Welt oder einen Teil von ihr begriffen hat. Und dann ist Begriff etwas Abstraktes, was eben schon jenseits des tastenden Versuchs ist, sich ein Bild oder sogar einen Überblick zu verschaffen von dem, was einem da gegenüber ist. Wenn man einen Begriff von etwas hat, dann hat man es gedanklich im Griff und sprachlich auf den Punkt gebracht.

Die neue Plurale-Ausgabe handelt vom Übergriff. Im doppelten Wortsinne: Es geht um jenen „Angriff“ auf das Konzept der Semiotik, der Lehre von den Zeichen und des Bezeichnens, die die Geisteswissenschaften eine lange Strecke des 20. Jahrhunderts über beherrschte. Dieser Angriff setzte der mit der zuerst in Frankreich gehandelten Denk- und Schreibpraxis der Dekonstruktion in den 1960er Jahren verhalten ein (weil er mit der Semiotik gegen sie argumentierte) und wurde schließlich in den 1980er Jahren mit der Rückkehr und Einkehr von Medientheorie, Körperdenken, Beschäftigung mit Dinghaftigkeit und Rückkehr anthropologischer Ansätze forciert. Und es geht dann im engeren Sinne um jene Konzepte, die sich der Semiotik entgegensetzten. Es geht um Körper vs. Abstraktum, es geht um Ding vs. Begriff und es geht um individuelle Betrachtung vs. allgemeine Formel.

Denn: Natürlich, keiner hat einen Stuhl im Kopf, nur weil er einen Begriff von der Idee „Stuhl“ hat. Andererseits ist es ja schön, wenn man die Idee „Stuhl“ formulieren oder sogar formalisieren – zur Formel erheben – kann.

Inhaltsverzeichnis

Plurale 9 (2013)

Führung. Ein Film von René Frölke (DVD-Einlage)

Das Unsagbare in der experimentellen Poesie. Grenzphänomene der semiotischen Analyse (Jeanette Fabian)

Von Raum, Zeit und Mashup in der Architektur (Tim S. Altenhof)

Klingende Berührung. Ein Essay über die Komponistin Jagoda Szmytka (Monika Pasiecznik)

musikalisches/körperliches (Tomasz Biernacki)

Spurenlesen als literarische Lektüre? Indizienpoetik und Zeugenschaft bei Hölderlin (Csongor Lőrincz)

Portavoce (Anselmo Fox)

Stimme im Griff. Ein kunsttheoretisches und kunstpoetisches Glossar zu Anselmo Fox’ Plastik Portavoce (Mirjam Goller)

„Explosion“ als Metapher kultureller Semiosen (Susi K. Frank)

National Security Garden (Shannon McMullen und Fabian Winkler)

Führung. Ein Film von René Frölke. Transkript

Zur Grenze bestimmter semiotischer Modelle. Exkurs zu Roland Barthes’ Texten über Bilder und bildende Kunst (Miroslav Petriček)

Weitere Hefte ⇓