Die dritte Ausgabe von Kodex. Jahrbuch der Internationalen Buchwissenschaftlichen Gesellschaft (IBG) richtet ihr Augenmerk auf die Phänomene der Büchervernichtung und -zerstörung. Um deren Komplexität und Vielschichtigkeit gerecht zu werden, stehen neben den Beiträgen, die die unterschiedlichen historischen Formen, Gründe und Effekte der Zerstörung von Büchern untersuchen auch solche, die nach (möglichen) neuen Vernichtungszenarien fragen. Mit derart ausgerichteten Überlegungen begibt sich das Jahrbuch auf ein spannungsreiches Terrain, auf dem – entlang des Begriffs der (Ent)Materialisierung – auch die Zukunft unserer literarischen Kultur verhandelt wird. Deutlich wird dabei eine Grundsatzopposition, die den Übergang vom analogen zum digitalen Paradigma markiert: Das Buch wird einerseits zum Stabilitätsgarant erklärt, zum perfekten materiellen Träger der in (gedruckten) »Buchstaben gespeicherte[n] geistige[n] Energie« (im Sinne Aleida Assmanns) und somit zum Symbol der Beständigkeit kultureller Inhalte. Andererseits betont man, das digitale Buch, also ein (literarischer oder wissenschaftlicher) Text, der »seinen gesamten Lebenszyklus in Form elektronischer Daten verbringt, ohne sich jemals auf Papier zu materialisieren« (Christine Grond-Rigler) und der zudem jederzeit überschrieben oder gelöscht werden kann, würde zur Entmaterialisierung der Erinnerung führen. Neben diesen Fragen, die auch die grundsätzlichen Konzeptionen der Stabilität versus Vorläufigkeit alles Geschriebenen verhandeln, interessieren auch die Fiktionalisierung der Büchervernichtung in den Büchern selbst, also in der Literatur, die reflexive Wahrnehmung der Destruktionsprozesse sowie deren Wendung ins Produktive in der modernen Kunst.
Publikation: Buchzerstörung und Buchvernichtung Kodex. Jahrbuch der Internationalen Buchwissenschaftlichen Gesellschaft 2013 Herausgegeben von Christine Haug und Vincent Kaufmann Harrassowitz Verlag Wiesbaden, Oktober 2013, 216 Seiten ISBN: 978-3-447-10025-0
Inhaltsverzeichnis Kodex 2013
Vorwort V
Caspar Hirschi/Carlos Spoerhase: Kommerzielle Buchzerstörung als ökonomische Praxis und literarisches Motiv. Ein vergleichender Blick auf das vorindustrielle und digitale Zeitalter 1
Thomas Fuchs: Bücher und Bibliothekstverluste in der Frühen Neuzeit 25
Cornelia Ortlieb: „Eine schimpfliche und schändliche Execution.“ Goethes Revision von Friedrich Heinrich Jacobis Woldemar (1779) 41
Oxane Leingang: „Ein Buch wölbt sich in der Glut, als wolle es sich gegen das Verbrennen wehren.“ Die Büchervernichtung in Deutschland und China in der aktuellen Kinder-und Jugendliteratur 61
Albert Coers: „È una bella materia il libro.“ Künstlerische Buchzerstörung – imaginiert und real 79
Arne Klawitter: Die ästhetische Resonanz unlesbarer Zeichen. Die Dekonstruktion der Schrift bei Xu Bing und Axel Malik 99
Andrea Gnam: Bücher sind nicht nur zum Lesen da. Strategien zur Eindämmung der Bücherflut in Literatur und zeitgenössischer Kunst 115
Miriam Meckel/Vincent Kaufmann: Lies! Mich! Aus! Zur Entsubjektivierung von Autor und Leser im Digitalen 129
Ulrike Gärtner: Kleines Zerstörungsalphabet (in umgekehrter Reihenfolge) 149
Patricia Engel: Buchrestaurierung – eine Zerstörung? 165
Fernando Báez: Der Nazi-Bibliocaust 181
Werner Fuld: Die Macht der Dummheit ist die Schande der Mächtigen. Buchvernichtung zwischen Despotie und Marktgesetz 205
Abbildungsverzeichnis 211
Autorenverzeichnis 213