Was zirkuliert?
Im 17. und 18. Jahrhundert sprach man von Kreisläufen, um von der Zirkulation des Blutes, von »Stoffen« und Gütern zu handeln. Anfang des 19. Jahrhunderts bezeichnete der Begriff das Fließen der Säfte im Körper sowie die Verhältnisse in einer wohleingerichteten »Staatswirtschaft«. Heute ist die Rede von zirkulierenden Daten, Zeichen, Bildern und Diskursen, von der Zirkulation des Begehrens, der Zirkulation von kulturellem Kapital oder Sinn – und schließlich von Menschen.
Für die Wissensgeschichte ist der Begriff »Zirkulation« konstitutiv. Der Ansicht, dass Wissen in exklusiven Settings entsteht, um sich von dort aus zu verbreiten, hält die Wissensgeschichte entgegen, dass auch die Praxis im Labor auf Geräte, Diskursmuster und Wissen zurückgreifen muss, die nicht im Labor selbst entstanden sind, sondern weit außerhalb davon. Als zirkulierendes Gut wird Wissen in unterschiedlichen Medien formatiert, verändert sich im Übergang von einer Repräsentationsweise zur nächsten und ist in Machtverhältnisse verstrickt.
INHALTSVERZEICHNIS
Andreas B. Kilcher, Philipp SarasinEditorial 7–11
Andreas B. KilcherAssimilation und Zirkulation. Ein universalistisches Wissensmodell des 19. Jahrhunderts 15–36
Bernhard TschofenVolks-Kunde?. Wissenszirkulationen zwischen Kulturforschung und Selbstauslegung 37–52
Tobias ScheideggerDer Lauf der Dinge. Materiale Zirkulation zwischen amateurhafter und professioneller Naturgeschichte in der Schweiz um 1900 53–73
Monika DommannHandling, Flowcharts, Logistik. Zur Wissensgeschichte und Materialkultur von Warenflüssen 75–103
Kijan Malte Espahangizi»Immutable Mobiles« im Glas. Grenzbetrachtungen zur Zirkulationsgeschichte nicht-inskribierter Objekte 105–125
Anthony GraftonHumanisten mit Tintenfingern 129–146
Harald Fischer-TinéVom »brothering« zum »othering«. Genese, Zirkulation und Transformation des ›Arya‹-Diskurses (ca. 1780–1890) 147–170
Pseudo-Arnaldus de Villanova›Rosarium Philosophorum‹, Frankfurt/M. 1550 – Auszug 173–176
Sabine Baier»Bricklebrit!«. Die schöpferische Kraft des Zirkulären im Alchemicadruck Rosarium Philosophorum von 1550 177–199
Valentin GroebnerKeine Werbung und keine Pornos bitte, wir sind Kunsthistoriker. Anmerkungen zu zwei Neuerscheinungen 201–208
Andreas B. Kilcher, Philipp Sarasin, Yossef SchwartzWissen in Zirkulation. Der Austausch von Wissen zwischen Islam, Judentum und Christentum im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit (Gespräch) 211–218