Geschichte der Bezirksregierung Düsseldorf 1917-1955

Geschichte der Bezirksregierung Düsseldorf 1917-1955

Projektträger
Historisches Seminar der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf ()
Ausrichter
Ort des Projektträgers
Düsseldorf
Land
Deutschland
Vom - Bis
26.01.2004 -
Von
Strick, Christina

Forschungsprojekt zur Geschichte der Bezirksregierung Düsseldorf 1917-1955

Eine Bezirksregierung ist das Bindeglied zwischen der Regierung auf der einen und den Kommunen und Landkreisen auf der anderen Seite. Sie ist die Behörde, mit der die Regierung den Bürgern entgegentritt, die aber zugleich auch die Interessen einer Region gegenüber der Zentralregierung wahrnimmt. Zu ihrem Aufgabenbereich zählen etwa Katastrophenschutz, Bauaufsicht, Verkehrsplanung, Schulaufsicht, Regionalplanung, Kommunalaufsicht, Polizei- und Ordnungsangelegenheiten, Genehmigung zum Betrieb von Anlagen, Wirtschaftsförderung.

Von den fünf rheinischen Regierungsbezirken galt Düsseldorf von jeher als besonders schwierig zu verwalten. Der Bezirk besaß aufgrund seiner Grenznähe sowie seiner wirtschaftlichen und industriellen Schwerpunkte eine herausragende strategische und politische Bedeutung und war von allen preußischen Regierungsbezirken der bevölkerungsreichste. Unter den 52 Städten des Bezirkes befanden sich allein 10 Großstädte mit über 100.000 Einwohnern und 24 Stadtgemeinden mit 10.000 bis 100.000 Einwohnern. Entsprechend umfangreich war der Beamtenapparat der Behörde ausgestattet.

Aufgrund seiner Grenznähe, seiner wirtschaftlichen und industriellen Schwerpunkte besaß der Regierungsbezirk Düsseldorf eine herausgehobene strategische Bedeutung. Als besonders bedrohlich wurde die nach dem Ende des Ersten Weltkrieges entstandene kommunistische Bewegung erachtet, die im Zuständigkeitsbereich der Bezirksregierung eine regelrechte "rote Hochburg" herausbilden konnte. Die Kämpfe infolge der verschiedenen Revolutionsversuche nach dem Ersten Weltkrieg erreichten bürgerkriegsähnliche Ausmaße. Zugleich war der Bezirk aber aufgrund der Rheinlandbesetzung zum Glutofen nationalistischer Agitation und Kampfplatz militärischer Auseinandersetzungen mit dem Rheinland-Separatismus geworden. Parallel zur politischen Instabilität war die Region aufgrund seiner Wirtschaftsstruktur in besonderer Weise durch die ökonomischen Krisen der Weimarer Republik getroffen worden.

Nach der nationalsozialistischen Machtübernahme stellte der Regierungsbezirk Düsseldorf aufgrund bereits vor 1933 angelegter Listen die meisten politischen Häftlinge. Die dem Regierungspräsidium schließlich angegliederte Gestapoleitstelle Düsseldorf war nach der Berliner Zentrale die größte Gestapostelle im Deutschen Reich. Das Aufgabenspektrum und die politische Bedeutung der Bezirksregierung wandelten sich während des Nationalsozialismus stetig, da hier zwei untereinander konkurrierende Gauleitungen der NSDAP in Düsseldorf und Essen zugleich in Konkurrenz zum Regierungspräsidium traten.

Während des Krieges war der Bezirk schließlich aufgrund seiner für die Kriegsproduktion bedeutsamen Schwerindustrie Einsatzort für besonders viele Zwangsarbeiter aus dem besetzten Europa und schließlich den alliierten Bombenangriffen in besonderer Weise ausgesetzt.

Nach 1945 befanden sich im Regierungsbezirk Düsseldorf folglich besonders viele "Displaced Persons" und Flüchtlinge. Zu den Hauptaufgaben der Behörde zählte es aber auch, in Kooperation mit der Industrie der von den Alliierten zeitweilig forcierten Demontagepolitik zu begegnen.

Die Forschungslage für die hier interessierende mittlere Behördenebene wird zu recht als "defizitär" beziehungsweise als "noch recht fragmentarisch" bilanziert. Die Geschichte der staatlichen Verwaltung auf Bezirksebene und des Regierungspräsidiums Düsseldorf im Besonderen bilden ein drängendes Forschungsdesiderat: Über Bezirksregierungen liegen bislang nur vereinzelte Publikationen vor, die zudem im Rahmen traditioneller Verwaltungsgeschichte in erster Linie an den Spitzenbeamten orientiert sind.

Unter der Leitung von Prof. Dr. Bernd-A. Rusinek hat nun ein von der Bezirksregierung Düsseldorf und der Alfried Krupp von Bohlen und Halbach-Stiftung finanziertes und organisatorisch an das Historische Seminar der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf angebundenes Forschungsprojekt zum Thema "Die Düsseldorfer Bezirksregierung zwischen Demokratisierung, Nazifizierung und Entnazifizierung. Eine staatliche Mittelbehörde an der Schnittstelle von Verwaltung und Politik" seine Arbeit aufgenommen.

Das Forschungsvorhaben ist in drei monographische Teilprojekte aufgegliedert:
1.) Andreas Kühn: Vom Ende des Ersten Weltkrieges bis zur nationalsozialistischen "Machtergreifung"
2.) Frank Sparing: Die Bezirksregierung in der NS-Zeit 1933 bis 1945
3.) Christina Strick: Die Bezirksregierung von Kriegsende bis 1955

Mit der Untersuchung der Düsseldorfer Bezirksregierung soll aber keine traditionelle Behördengeschichte erarbeitet werden, die administratives Handeln allein aufgrund gegebener Sachzwänge, juristischer oder bürokratischer Verfahrenslogiken betrachtet, sondern die Zusammenhangsgeschichte einer großen Mittelbehörde als agierendem und reagierendem Bestandteil der gesellschaftlichen Machtverhältnisse.

Eine Bezirksregierung ist nicht allein ein von der Spitze her funktionierender und im Blick auf diese Spitze historisch zu analysierender Apparat, sondern ein agierendes "Sozialgebilde", worin die einzelnen Beamten handeln und miteinander in Wechselwirkung treten. Diese internen Wechselwirkungen im behördlichen Handlungsfeld - Hierarchien, Netzwerke, Corpsgeist, ‚Identität' der Behörde, Stil - sind ebenso zu analysieren wie die externen Wechselwirkungen mit der umgebenden Gesellschaft.

In den Blick zu nehmen ist sodann das konkrete Verwaltungshandeln: Arbeitsweise, Struktur, Kompetenzen sowie Umfang und Grenzen des politischen Einflusses der Bezirksregierung und der beteiligten Entscheidungsträger.

Schließlich ist nicht nur die Innenseite der Behörde zu untersuchen, sondern auch ihre Wirkung und Präsentation nach außen. Welche Spielräume verblieben der Behörde und ihren Akteuren bei der Umsetzung von politischen Vorgaben? Welche Faktoren und Einflüsse führten zu Bedeutungsgewinn beziehungsweise Bedeutungsverlust der Bezirksregierung? Welcher Art waren die Beziehungen zwischen ortsansässigen Wirtschaftsunternehmen, Politik und Bezirksregierung?

Der gewählte Untersuchungszeitraum ist durch die mit der Endphase des Ersten Weltkrieges einsetzende Politisierung der Verwaltung begründet. Die Regierungspräsidenten entstammten nicht mehr der preußischen Bürokratie, sondern Parteigliederungen. Die Abkehr vom wilhelminischen Selbstverständnis der Verwaltung als einer über der Gesellschaft stehenden Institution hin zu ihrer Politisierung hatte aber keineswegs zur Folge, dass sich bis 1933 aus der wilhelminischen eine demokratische Verwaltungskultur entwickelt hätte.

Die zahlreichen Zäsuren durch Besatzung und den Wechsel der Staatsformen vom Ende des Ersten Weltkrieges bis in die frühe Bundesrepublik ermöglichen eine vergleichende Untersuchung des Verhältnisses der Behörde zu den verschiedenen Staatsformen der Weimarer Republik, des Nationalsozialismus und der Bundesrepublik sowie zu den Besatzungsmächten 1919 bis 1926 und 1945 bis 1949. Neben der vergleichenden Analyse der Systembrüche 1918/19, 1933 und 1945 und ihrer Auswirkungen auf das Verhalten der Behörde lässt zudem der systematische Vergleich zweier Nachkriegszeiten interessante Ergebnisse erwarten.

Die Projektmitarbeiter sind offen für einen Erfahrungsaustausch und Kooperation mit Kollegen und Kolleginnen, die zu ähnlichen Forschungsschwerpunkten arbeiten.
Wir sind erreichbar unter geschichte@brd.nrw.de

Dr. des. Andreas Kühn, Christina Strick M.A., Frank Sparing M.A.

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