Gesellschaft zur Erforschung der Demokratiegeschichte (GEDG): Projekt „Weimar in den Regionen – die ,Landesväter‘ der ersten deutschen Demokratie“
(Arbeitstitel)
Die öffentliche Wahrnehmung und Erinnerung an die Weimarer Republik fokussierte lange Zeit vor allem auf das Scheitern der ersten deutschen Demokratie. Dies hat sich zunehmend geändert, sodass die Möglichkeiten des Aufbruchs im Jahr 1918 heute deutlich ausgewogener beurteilt werden. Weiterhin liegt jedoch der Fokus vielfach auf den Ereignissen auf Reichsebene, auf der Hauptstadt Berlin und wenigen Metropolen. Die Erinnerung an die Regionalgeschichte bleibt derweil oft rudimentär – dabei war die Republik wie vor ihr das Kaiserreich, aber auch die Bundesrepublik und das geeinte Deutschland ein stark föderalistisch geprägter Staat. Das Deutsche Reich bestand 1918 aus gut zwei Dutzend Ländern (die thüringischen Kleinstaaten schlossen sich kurz darauf teils zusammen, im Fall Sachsen-Coburg dem bayerischen Nachbarn an). Und so wie im November 1918 neben den bekannten und prominent erinnerten Ereignissen in Kiel und Berlin zahlreiche „Revolutiönchen“ in den Länderhauptstädten die örtlichen Monarchen hinfort fegten, waren die Weimarer Jahre auf Landesebene nicht frei von Dramatik, wurde die junge Demokratie auch jenseits von Berlin ausgeformt, verteidigt, bedroht und schließlich von ihren Feinden unterminiert und zerstört.
Das Projekt „Weimar in den Regionen“, im Sommer 2021 initiiert durch die neu gegründete „Gesellschaft zur Erforschung der Demokratiegeschichte“ (GEDG), zielt darauf, diesen Umstand über die Biographien regionalpolitischer Akteure stärker ins öffentliche Bewusstsein zu rufen und die demokratiegeschichtlichen Traditionen auf Länderebene zu fördern (wohl eingedenk, dass die Grenzen Deutschlands und seiner Länder sich nicht selten seitdem deutlich geändert haben).
Im Fokus stehen zunächst die Ministerpräsidenten der Länder der Weimarer Republik beziehungsweise die Oberpräsidenten und Landeshauptmänner der preußischen Provinzen, um das größte der Einzelländer angemessen zu repräsentieren. Diese rund 200 Männer – denn es handelt sich ausschließlich um solche, auch wenn Politikerinnen in den Regionalparlamenten zusehends wichtige Rollen übernahmen – repräsentieren den starken Föderalismus der Weimarer Republik und die deutlichen regionalen Unterschiede. Unter ihnen finden sich sowohl Verteidiger der Demokratie, die mitunter einen hohen Preis für ihr Engagement zahlten, als auch eingefleischte Feinde des neuen politischen Systems auf Landes- wie Reichsebene. Die Realisierung des Projektes soll ab der zweiten Jahreshälfte 2022 in Form mobiler Ausstellungen erfolgen, die in den Landeshauptstädten der Bundesrepublik in Kooperation mit den Regionalparlamenten an politische Akteure der jeweiligen Region in Form von Biogrammen erinnern. Dabei sollen die Biogramme der Politiker – in Umfang und Form an die Neue Deutsche Biographie angelehnt – wo immer möglich mit persönlichen Aspekten angereichert werden, welche die Akteure als Menschen für den heutigen Betrachter greifbar machen. Die Ausstellungen werden an ihrem jeweiligen Standort von einem Rahmenprogramm in Form von Podiumsdiskussionen, Vorträgen etc. begleitet. Zugleich wird die entstehende Sammlung von Lebensläufen in ihrer Gesamtheit als schrittweise aktualisierte Webseite zugänglich gemacht, und nach Abschluss des Projektes auch in Form eines gedruckten Nachschlagewerkes veröffentlicht.
Das Projekt sieht sich als Kooperations- wie als Forschungsvorhaben. Forscherinnen und Forscher, die bereits zu Ministerpräsidenten der Länder der Weimarer Republik, Oberbürgermeistern von Städten wie Berlin, Bremen, Hamburg und Lübeck, zu den preußischen Oberpräsidenten und Landeshauptmännern der Provinziallandtage recherchiert haben, werden deshalb herzlich um Hilfe gebeten und zur Mitarbeit eingeladen, ihre Arbeit auf alternative Weise unter ihrem Namen zu publizieren und für ein breites Publikum zu popularisieren. Eine Teilnahme der Mitwirkenden am regionalen Rahmenprogramm wird unterstützt. Für eine genauere Absprache stehen die Mitarbeiter der GEDG und besonders Dr. Marc Bartuschka gern zur Verfügung.