Zur Diskursgeschichte der Medien: Gesellschaftliche Selbstbeschreibungen in Mediendiskursen der DDR und der BRD

Zur Diskursgeschichte der Medien: Gesellschaftliche Selbstbeschreibungen in Mediendiskursen der DDR und der BRD

Projektträger
Universität zu Köln ()
Ausrichter
Ort des Projektträgers
Köln
Land
Deutschland
Vom - Bis
01.01.2002 - 31.12.2004
Von
Otto, Isabell

Kulturwissenschaftliches Forschungskolleg „Medien und kulturelle Kommunikation“
SFB/FK 427 – Universität zu Köln
Teilprojekt C5: „Zur Diskursgeschichte der Medien: Gesellschaftliche Selbstbeschreibungen in Mediendiskursen der DDR und der BRD“
Prof. Dr. Irmela Schneider / Dr. Jens Ruchatz / Isabell Otto

Das Projekt analysiert die Entwicklung und Ausrichtung der gesellschaftlichen Selbstbeschreibung in Diskursen über Massenmedien in der Bundesrepublik Deutschland sowie – ab der zweiten Projektphase (2002 bis 2004) zusätzlich und kontrastiv – in der DDR. Es fragt danach, in welcher Weise sich Identitätskonstruktionen einer Gesellschaft in Diskursen über neue Medien einschreiben bzw. durch diese Diskurse allererst artikuliert werden.

Methodisch schließt das Projekt an Niklas Luhmanns Beobachtung an, die kommunikative Unerreichbarkeit der Gesellschaft sei vermittels einer medieninduzierten gesellschaftlichen Selbstbeschreibung in Massenmedien zu kompensieren. Das Projekt versucht den Anteil der Diskurse über Medien an dieser gesellschaftlichen Wirklichkeits- und Identitätskonstruktion zu erforschen. Die durch die erste Projektphase gestützte These lautet, dass jede Kommunikation über Medien einen Kernbereich soziokultureller Selbstbeschreibung bildet. Mediendiskurse werden dabei als Form eines Kommentars begriffen, der Technik, Programmierung und Funktion von Medienangeboten innerhalb eines 'beobachtenden' Mediums – den publizistischen Fachorganen zu Massenmedien seit 1946 – thematisiert. Analysen zur Bewertung neuer Kommunikationssituationen sowie begriffsgeschichtliche Untersuchungen von zentralen Konzepten der Mediendiskurse sollen in einer Matrix von Selbstbeschreibungsansätzen zusammengefasst werden, die in Form einer „Diskursgeschichte der elektronischen Medien“ die gesellschaftliche Funktion 'neuer Medien' beschreibt.

Im Zentrum der Projektarbeit steht die Selbstverortung der jeweiligen Gesellschaftssysteme im geteilten Deutschland innerhalb einer zunehmend global operierenden Medienkultur. Es geht um Fragen danach, inwiefern Konzepte aus der Medienbeobachtung zur Unterscheidung der beiden deutschen Staaten und ihrer Gesellschaftsform herangezogen werden und dabei traditionelle Einheitsbegriffe wie Nation ergänzen, umdeuten oder gar ersetzen. Die kontrastive Analyse fokussiert den großen Aufwand, mit dem beide deutsche Staaten die Medienaktivitäten der jeweils anderen Seite beobachten, kommentieren und für ihre eigene Selbstbeschreibung nutzen. In der BRD wie in der DDR wird – um ein Beispiel zu nennen – mit gleicher Verve eine Debatte um den Springer-Konzern geführt. Wie dabei um den Status von Presse- und Informationsfreiheit gerungen wird, das zeigt auf exemplarische Weise ein fundamental unterschiedliches Selbstverständnis beider Gesellschaftssysteme. In ähnlicher Weise trennt Ost und West, um ein weiteres Beispiel zu nennen, die Konzeption von ‘Masse’ und ‘Massenmedien’. Zentral wird somit die Frage, wie das Eigene durch das Andere konturiert wird.

Der Untersuchung zu Grunde gelegt wird die Medienberichterstattung des publizistischen Systems. Für die Bundesrepublik werden nicht nur Fachorgane wie „epd/Kirche und Rundfunk“, „Rundfunk und Fernsehen“, „Chip“ und „Medium“ ausgewertet, sondern auch das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ sowie Kulturpublizistik wie „Frankfurter Hefte“ und „Merkur“; für die DDR nicht nur „FF dabei“ und die „Beiträge zur Film- und Fernsehwissenschaft“, sondern auch die Kulturzeitung „Sonntag“ sowie die Zeitschriften „Weimarer Beiträge“, „Forum“ und „Einheit“. Die Auswertung erfolgt mit Hilfe einer Datenbank, die Artikel nach Themen und Konzepten recherchierbar macht. Auf dieser Basis lassen sich die Karrieren verschiedener Leitbegriffe rekonstruieren und der Wandel der Mediendiskurse – immer perspektiviert auf gesellschaftliche Selbstbeschreibungen – verfolgen. Zur Erhellung der Muster der Diskursproduktion in der DDR werden außerdem Archivalien aus dem Deutschen Rundfunkarchiv, dem Bundesarchiv und der SAPMO hinzugezogen.

Die Ergebnisse der Projektarbeit zur BRD werden in einer dreibändigen Reihe publiziert. Bisher sind erschienen: Irmela Schneider/Peter M. Spangenberg (Hg.): Medienkultur der 50er Jahre. Diskursgeschichte der Medien nach 1945. Bd. 1. Wiesbaden 2001; Irmela Schneider/Torsten Hahn/Christina Bartz (Hg.): Medienkultur der 60er Jahre. Diskursgeschichte der Medien nach 1945. Bd. 2. Wiesbaden 2002. Der dritten Band zur „Medienkultur der 70er Jahre“ ist in Vorbereitung (hg. v. Irmela Schneider/Christina Bartz/Isabell Otto; erscheint Ende 2003). Ergebnisse des kontrastiven Vergleichs von Mediendiskursen der BRD und der DDR werden im Band „Mediendiskurse deutsch/deutsch“ aufbereitet (hg. v. Jens Ruchatz; erscheint Anfang 2004).

Projektleitung: Prof. Dr. Irmela Schneider
Wissenschaftliche Mitarbeiter: Isabell Otto M.A., Dr. Jens Ruchatz