Titel
Gott Macht Amerika. Ideologie, Religion und Politik der US-amerikanischen Rechten


Autor(en)
Funke, Hajo
Reihe
Schriftenreihe Politik und Kultur am Otto-Suhr Institut der Freien Universität Berlin 7
Erschienen
Anzahl Seiten
235 S.
Preis
€ 15,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Daniel Eißner, Universität Leipzig

Die hier zu besprechende Publikation ist schon Mitte 2006 erschienen. Dies ist erwähnenswert, da sich längere Teile dieser größtenteils vom Berliner Politikwissenschaftler Hajo Funke verfassten Schrift auf aktuelle Ereignisse der Weltpolitik, genauer: den Krieg der USA im Irak beziehen. Wie der Titel ankündigt, geht es vor allem um eine „Skizze zum Neokonservatismus und seiner Allianz mit der amerikanischen Rechten“ (S. 13): Die Autoren wollen verständlich machen, worin die konservative Revolution der Bush-Administration besteht, wie die fundamentalistische Ideologie an der Macht das derzeitige Verständnis von Politik und Welt prägt und wie sich diese Einflüsse in der konkreten Politik auswirken.

Zur Umsetzung dieses ehrgeizigen Zieles wurde das Buch in fünf Abschnitte unterteilt: Im ersten und umfangreichsten Teil beschäftigt sich Hajo Funke zusammen mit dem Politologen Steffen Hagemann mit dem „Aufstieg der neokonservativ-fundamentalistischen Bewegung“. Auf 87 Seiten erfolgt eine detaillierte Darstellung der Genese der neokonservativen Ideologie, ihre Verwurzelung in der spezifischen politischen Tradition der amerikanischen Geschichte und der Aufstieg ihrer Anhänger in das Zentrum der Macht. Die letzten sieben Seiten beschäftigen sich mit der „politisch-religiösen Ideologie des George W. Bush“ (S. 98) mittels Analyse der Rhetorik Bushs, deren wenig überraschendes Ergebnis darin besteht, diesen als den bislang am stärksten von religiösen Überzeugungen geleiteten Präsidenten zu identifizieren. Im zweiten Teil stellt Hajo Funke die Politik der neokonservativen Bewegung und die damit verbundene Entstehung der folgenreichen Doktrin des Präventivkrieges in der amerikanischen Administration und die Genese der Pläne für einen Krieg gegen den Irak dar. Die Folgen der dargestellten Entwicklungen für das US-Engagement im Irak und im Nahostkonflikt zwischen Israel und Palästina werden im dritten Abschnitt betrachtet, der „fragmentarischer Natur“ (S. 133, FN 1) ist und sich in Ermangelung verlässlicher Informationen aus „Beobachtungen und Interviews aus erster Hand“ (ebd.) speist. Im Anschluss daran wird in einem vierten Teil eine Zwischenbilanz der amerikanischen Anti-Terrorkriege in Afghanistan und Irak gezogen und angesichts des Scheiterns imperialer Ansprüche der Niedergang des neokonservativ-fundamentalistischen Bündnisses konstatiert. Erwartungsgemäß den geringsten Umfang (15 Seiten) erhält das letzte, mit den programmatischen Begriffen „Friedenspolitik - Multilateral - In Achtung des Rechts“ überschriebe Kapitel, in welchem Hajo Funke als Ausweg aus der verfahrenen Politik der USA für die Revitalisierung einer an internationalem Recht und Multilateralismus orientierten Friedenspolitik und Stärkung der Vereinten Nationen plädiert.

Die vorliegende Publikation steht mit ihrem Schwerpunkt (der Darstellung der Entwicklung und der Rolle der Neokonservativen in der amerikanischen Politik) in einer ganzen Reihe ähnlicher Veröffentlichungen, die in den letzten drei Jahren allein in Deutschland auf den wissenschaftlichen Markt gelangten.1 Ihnen ist die Betonung des religiösen Elementes in der amerikanischen Politik gemein, das – ebenso wie die zentrale Rolle von Religion im persönlichen und gesellschaftlichen Lebensraum der USA – insbesondere auf europäische Beobachter befremdlich wirkt (Praetorius, God, S. 8). Mittels der „amerikanischen Zivilreligion“ (Robert N. Bellah) verlieh dies innenpolitisch dem Bereich von Politik und Öffentlichkeit eine quasi-religiöse Dimension.2 Der Rekurs auf biblische Archetypen und religiöse Motivlagen durch US-Politiker ist ebenso alltäglich wie die nach starken religiösen Maßstäben erfolgende Bewertung der Politik durch die Wählerschaft.

Obgleich keine bahnbrechend neuen Erkenntnisse geboten werden, schafft es Hajo Funke, den Prozess der Entstehung der fundamentalistischen Ideologie über ihre Implementierung in die politische Landschaft der Vereinigten Staaten bis hin zur paradigmatischen Umsetzung in reale Politik in seiner ganzen Breite nachzuzeichnen. Ausgehend von den Gründungsmythen wird das Verhältnis von Politik und Religion beschrieben und erläutert, worin die Ursachen für die Genese der neuen Rechten zu sehen sind. Das Niveau der Ausführungen ist gleichbleibend hoch und die ideengeschichtlichen Exkurse zu Vordenkern der neokonservativen Bewegung (Carl Schmitt und Leo Strauss) bezüglich ihrer Rezeptionsgeschichte sind sinnvoll und hilfreich. Die Analyse der Situation im Irak hat auch über ein Jahr nach Erscheinen des Buches ihre Gültigkeit, die jüngsten Entwicklungen bestätigen Funkes Einschätzungen. Das Verhalten der Vereinigten Staaten im Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern wird vor dem Hintergrund einer wechselseitigen Beziehung zwischen zwei „auserwählten Völkern“ interpretiert.3 Dabei fokussiert Hajo Funke als Ursache dieser mit unglaublich hohen Kosten verbundenen amerikanischen Treue neben dem Exceptionalism einen sonst eher vernachlässigten Aspekt der US-Außenpolitik: die apokalyptischen Szenarios der neokonservativen und „wiedergeborenen“ Christen in der Administration. Nicht zuletzt die millenaristischen Erwartungen fundamentalistischer Politiker trügen zur Ausrichtung der Außenpolitik auf eine bedingungslose Unterstützung Israels und zum entschlossenen Vorgehen gegen den Islam bei (S. 52f.). Damit wird implizit eine bereits über vierzig Jahre alte, aber nach wie vor plausible Erklärung für den „paranoiden Stil in der amerikanischen Politik“ reanimiert.4

Hajo Funke argumentiert klar und nachvollziehbar und bezieht in seinen Ausführungen moralisch deutlich Stellung. Kritisch ist jedoch anzumerken, dass die Materialbasis mancher Abschnitte des Buches äußerst dünn erscheint, beispielsweise wenn seitenlang ein Zeitschriftenartikel repliziert wird (S. 78-81 zu Gerd Steffens). Ein anderes Ärgernis betrifft die häufige Verwendung nicht nachprüfbarer Quellen: Gerade an interessanten Stellen des Buches erscheint mitunter ein unbrauchbarer Nachweis in Form unveröffentlichter Manuskripte oder Vortragsthesen.5 Zudem erscheinen manche Nachweise nicht im Literaturverzeichnis, zum Beispiel fehlen die vollständigen Angaben für Ronald Dworkin 2005 (S. 187), Kleine Brockhoff 2003 (S. 130) oder Kermani (S. 222), während ein anderer im Buch randständig eingeführter Aufsatz (Riesebrodt 1998) hier gleich doppelt nachgewiesen wird (S. 230).

Insgesamt eine solide Arbeit, die man dem interessierten Leser empfehlen kann. Wer sich kurzweilig über die gängigen Werke zum Verhältnis von Religion und Politik in den USA hinaus über die aktuellen Folgen religiösen Einflusses auf die US-Außenpolitik informieren möchte, kann getrost zu diesem Buch greifen.

Literaturverzeichnis:

Bellah, Robert N., Zivilreligion in Amerika, in: Kleger, Heinz; Müller, Alois (Hrsg.), Religion des Bürgers. Zivilreligion in Amerika und Europa, München 1986, S. 19-41.
Hofstadter, Richard, The Paranoid Style in American Politics and Other Essays, Chicago 1979.
Krippendorff, Eckehard, USA-Israel: Projektionsflächen für Hoffnung und Hass, in: Blätter für deutsche und internationale Politik 47 (2002) Nr. 8, S. 943-953.
Praetorius, Rainer, So help us God. Religion und Politik in den USA, München 2003.

Anmerkungen:

1 Stellvertretend sei hier auf drei Publikationen verwiesen: Mertin, Katja, Zwischen Anpassung und Konfrontation: die religiöse Rechte in der amerikanischen Politik, Wiesbaden 2004; Erdmann, Katrin, So help me God: the influence of the religious right on the campaigning of George W. Bush, Hamburg u.a. 2004; Braml, Josef, Gott und die Welt: George W. Bushs Außenpolitik auf christlich-rechter Basis, Berlin 2005.
2 Vgl. Gebhardt, Jürgen, Amerikanismus – Politische Kultur und Zivilreligion in den USA, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 49 (1990), S. 3-18, sowie für den religionswissenschaftlichen Bereich: Hase, Thomas, Zivilreligion – Religionswissenschaftliche Überlegungen zu einem theoretischen Konzept am Beispiel der USA, Würzburg 2001.
3 Das geteilte Bewusstsein des Auserwähltseins verbindet beide Länder in ihrer politischen Praxis, ihre Politik isoliert sie jedoch in der internationalen Politik (Krippendorff, Projektionsflächen, S. 953).
4 Dieser Terminus geht auf den amerikanischen Historiker Richard Hofstadter zurück, welcher schon in den 1960er-Jahren apokalyptische Überzeugungen mit dem Verhalten von US-Politikern verknüpfte. Diese seien davon überzeugt, die Welt sei „gegen eine Nation, eine Kultur, eine Art zu leben, deren Schicksal nicht nur ihn angeht, sondern Millionen anderer“ (Hofstadter, Paranoid Style, S. 4).
5 Das Literaturverzeichnis weist neun unveröffentlichte Manuskripte verschiedener Autoren aus.

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