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Titel
Geschichtsstudenten auf Exkursion. Wie künftige Museumspädagogen mit Museen, Freilichtmuseen, Gedenkstätten und historischen Stätten umzugehen lernen


Autor(en)
Kröll, Ulrich
Erschienen
Anzahl Seiten
Preis
€ 5,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Michael Ploenus, Historisches Seminar, TU Braunschweig

„Wannsee, Jüdisches Museum, Holocaust-Mahnmal und Checkpoint Charlie.“ Das erhielt der Rezensent zur Antwort, als er von einer Lehrerin wissen wollte, was sie mit ihrer Klasse auf mehrtägiger Berlinfahrt zu besichtigen gedenke. Bei aller guten Absicht zeugt derlei Planung doch von einer gewissen Einfalls- und Lustlosigkeit und nicht zuletzt von einem merkwürdig engen Geschichtsverständnis, das sich in Diktaturgeschichte zu erschöpfen scheint. Denn sollte Berlin nicht zur Abwechslung auch einmal anderes zu bieten haben als allein die braunen und roten Schrecken der Vergangenheit? Zumal es sich in unserem Fall nicht um eine dezidiert zeitgeschichtliche Exkursion handelte, sondern um eine Abschlussfahrt – mit umfangreichem Begleitprogramm.

Es muss freilich nicht immer die wohlfeile ultima ratio einer Fahrt in die Bundeshauptstadt sein, um Schülern die Begegnung mit der Vergangenheit an authentischen Orten zu ermöglichen. Jede Region in Deutschland bietet genügend historische Anlaufstellen in der näheren Umgebung der jeweiligen Schule, mit erfahrenen Museumspädagogen oder enthusiastischen Laien vor Ort – und nicht nur mit zeithistorischem Bezug. Oft genügt schon ein informativer Blick ins Internet, um interessante Lernorte im Einzugsbereich ausfindig zu machen. Man sollte meinen, jeder halbwegs engagierte, selbstbewusste und um Anschaulichkeit bemühte (künftige) Geschichtslehrer sei dazu in der Lage und bräuchte – zumindest konzeptionell – allenfalls punktuell Hilfe bei der Planung einer spannenden, erlebnisreichen und im besten Falle nachwirkenden Exkursion.

„Geschichtsunterricht braucht Exkursionen – und zukünftige Geschichtslehrer und Geschichtslehrerinnen müssen im Studium selbst Exkursionen unternehmen und dadurch für diese wichtige Lernform gewonnen werden“, formuliert Ulrich Kröll, pensionierter Mitarbeiter des Instituts für Didaktik der Geschichte an der Universität Münster, einführend auf seiner CD-ROM „Geschichtsstudenten auf Exkursion“. Dem ist ohne jeden Zweifel zuzustimmen. Und so versteht sich Krölls Veröffentlichung sowohl als pädagogischer, mit vielen Beispielen unterfütterter Erfahrungsbericht, als auch als eine potentielle Handreichung für den Lehrernachwuchs. Dabei käme seine Publikation, meint Kröll, in „einem für die jüngere Generation vertrauten Gewand daher“, also in Form einer CD. Allerdings ist es um die Modernität dieses Gewandes denkbar schlecht bestellt. A und O einer digitalen Produktion sind zuvorderst Benutzerfreundlichkeit und ansprechende grafische Oberfläche. Mit Blick auf diese beiden Kriterien fühlte sich der Rezensent aber, um es überspitzt zu formulieren, in die Anfänge des Computerzeitalters zurückversetzt. Endlich umständlich zum Laufen gebracht, bietet die CD vor allem große Textwüsten, die in einer konventionellen „analogen Broschüre“ überdies wesentlich besser zu lesen gewesen wären. Auf das eigenwillige Potpourri von Verlinkungen, diversen Exkursionsfotos, Powerpointpräsentationen und teils akustisch schwer verständlichen, unscharfen und bisweilen unfreiwillig komischen Videoclips (die im Grunde genommen allein das CD-Format rechtfertigen) wäre alles in allem gut zu verzichten gewesen, zumal manche der Filmbeiträge, wie etwa die Ausschnitte einer Stadtführung durch Köln, eher als Negativbeispiele taugen denn als Vorbild.

Die Logik der Navigationsleiste (Museen: Brücken der Geschichtskultur, Begegnung: Authentizität, Museen und Museumslernen: Geschichte, Museumslernen für Studenten, Willkommene Gäste? und Helfer Internet) ist offenbar auf den konkreten Zugriff angelegt, nicht auf systematische Lektüre. Das ist durchaus von Vorteil. Im Kapitel „Begegnung: Authentizität“ erfährt der Nutzer, woher Originale ihre Faszination beziehen oder wie man einen Zeitzeugen thematisch sinnvoll einbinden kann. Das Kapitel „Museumslernen für Studenten“ informiert etwa über das Für und Wider von Aktionslernen und Selbsterkundungen und bietet ferner sinnvolle praktische Hinweise zur Vor- und Nachbereitung von Exkursionen oder die Erstellung von begleitenden Arbeitsblättern. Die Frage „Willkommene Gäste?“ wiederum, um ein anderes wichtiges Beispiel zu nennen, thematisiert die nicht zu unterschätzende „Schülerfreundlichkeit“ von Museen. Hier schöpft Kröll aus seiner langjährigen pädagogischen Erfahrung und webt viele eigene Beobachtungen ein. Genau diese Stellen sind stets die interessantesten und hilfreichsten auf der CD.

Um sie zu finden, braucht der Nutzer allerdings Langmut und muss immer wieder die Spreu vom Weizen trennen. Längere Einlassungen zur Geschichte der Museumspädagogik, zu Museen von der Antike bis heute oder zur Geschichte von Freilichtmuseen mögen für sich genommen informativ sein, hätten aber allesamt auch im Kontext der CD deutlich gestrafft werden können.

Krölls Publikation richtet sich an Lehramtsstudierende, mithin also an erwachsene, selbst denkende Menschen. Es mag freilich im Wesen der Didaktik liegen, dennoch jeden noch so selbstverständlichen Schritt und jede Eventualität im Vorfeld ansprechen und potentiell absichern zu müssen. Muss man Studenten von heute aber wirklich erklären, dass sie bei der Exkursionsplanung Fahrpläne online recherchieren, oder mit den meisten Museen via E-mail kommunizieren können? Oder dass sie, so sie ein Museum im Münsteraner Umland nicht im Linkanhang der CD finden, die Suchmaschine Google nutzen sollten? Vielleicht, so der provokante Einwurf des Rezensenten, muss eine Exkursion schlichtweg auch erst einmal gründlich misslingen, um aus den eigenen (!) Fehlern nachhaltig zu lernen. Über solche negativen Erfahrungen findet man allerdings auf dieser CD nicht viel Konkretes – obwohl, das darf mit Sicherheit vermutet werden, Kröll jede Menge symptomatische und vor allem plastische Fallbeispiele mit didaktischem Nähr- und Mehrwert parat haben dürfte.

Schließlich: Krölls Erfahrungen, Empfehlungen und methodische Handreichungen können das Engagement und die Originalität des einzelnen Lehrers bei der Wahl seiner Exkursionsziele nicht ersetzen – und vermutlich auch nicht befördern. Zuvorderst muss bei ihm – und das ist keineswegs eine Selbstverständlichkeit – ein authentisches Geschichtsinteresse vorhanden sein, das dann, um das Eingangsbeispiel aufzugreifen, bei einer Fahrt nach Berlin auch einmal weniger ausgetretene und bequeme Wege zu gehen wagt.

Fazit: Lehramtsanwärter wie Lehrer werden auf der CD viele nützliche (Hintergrund-) Informationen und auf die Exkursionspraxis bezogene Anregungen finden. Für Pädagogen aus dem Münsteraner Umland ist zudem das Linkverzeichnis durchaus hilfreich. Dennoch, eine knappe Broschüre mit Anhang wäre mehr gewesen.

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