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Titel
Religion and American Foreign Policy, 1945-1960. The Soul of Containment


Autor(en)
Inboden, William
Erschienen
Anzahl Seiten
356 S.
Preis
73,35 €
Rezensiert für den Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung bei H-Soz-Kult von:
Werner Bührer, Fachgebiet Politikwissenschaft, Technische Universität München

Die Historiker des Kalten Krieges hätten die Rolle der Religion bislang vernachlässigt, konstatiert der Autor in der Einleitung. Machtpolitische, politisch-ideologische, wirtschaftliche und persönliche Erklärungsansätze – einzeln und selbst zusammen genommen – reichten zu einem angemessenen Verständnis nicht aus. Und streicht er „Religion“ anfangs noch als einen wichtigen Faktor neben anderen heraus, so gibt er sich in der Zusammenfassung überzeugt: „The Cold War was a religious war“ (S. 321). In dieser Eindeutigkeit konnte man dies bislang noch nicht lesen. Überzeugen die aufgebotenen Quellen und Argumente?

William Inboden, Senior Vice President des überparteilichen, mit Forschung und Beratung zum globalen Wohlstand befassten "Legatum Institute", früher in verschiedenen Funktionen im Weißen Haus und im State Department beschäftigt, unter anderem als Mitarbeiter des "Office of International Religious Freedom", also kein gelernter Historiker, sondern aus der Praxis kommend, hat zweifellos ein interessantes und neue Einsichten bietendes Buch vorgelegt. Gestützt auf veröffentlichte, vor allem aber unveröffentlichte Quellen – neben zentralen Beständen wie den Nachlässen Trumans, Dulles’ und Eisenhowers auch weniger bekannte Hinterlassenschaften von Beratern und Mitarbeitern dieser drei sowie von kirchlichen Organisationen, Kirchenleuten und religiösen Zeitschriften – zeichnet Inboden ein vielschichtiges Bild des Einflusses religiöser Überzeugungen und kirchlicher Repräsentanten auf die amerikanische Außenpolitik während der Anfänge des Kalten Krieges. Der Schwerpunkt liegt dabei, der Bedeutung dieser Religionsgemeinschaft in den USA entsprechend, auf dem Protestantismus und seinen wichtigsten Strömungen.

Inboden hat sein Buch in zwei Teile gegliedert. Im ersten rekonstruiert er Positionen und Einfluss des amerikanischen Protestantismus in Fragen der internationalen Beziehungen zwischen 1945 und 1960. Erfreuten sich die protestantischen Führer bei Kriegsende eines beträchtlichen öffentlichen Renommees und verfügten sie über ein gemeinsames außenpolitisches Konzept mit den Pfeilern Kooperation und Multilateralismus, so setzte Mitte der 1950er-Jahre, begleitet vom Aufkommen der evangelikalen Bewegung, ein allmählicher Niedergang ein. Internes Gezänk, theologische Dispute und politische Meinungsverschiedenheiten ließen das öffentliche Gewicht schwinden: „Liberals differed with realists, evangelicals with the mainline, and clergy with politicians“ (S. 22). Ungeachtet ihrer Differenzen gelang es den protestantischen Kirchen jedoch, Gefahren und Erfordernisse des Kalten Krieges im Bewusstsein der Gemeinden wachzuhalten.

Der zweite, für die einschlägige Forschung ertragreichere Teil enthält fünf Fallstudien, die zeigen sollen, auf welche Weise religiöse Überzeugungen ihre Wirkung entfalten konnten: Untersucht werden die Präsidenten Truman und Eisenhower, Außenminister Dulles, ferner die Rolle amerikanischer Missionare in der Debatte über die amerikanisch-chinesischen Beziehungen während des Bürgerkriegs in China und nach dem Sieg der Kommunisten sowie die Aktivitäten des Republikaners H. Alexander Smith, der seine außenpolitischen Direktiven direkt von Gott zu erhalten glaubte. Die Häufigkeit, mit der sich Truman, Eisenhower und Dulles und die anderen Protagonisten des Buches auf Gott beriefen und Gottes Willen als Rechtfertigung für ihre Politik benutzten, ist frappierend, und man denkt unwillkürlich an das zweite der Zehn Gebote. Wie auch immer, Inboden bietet in diesen Kapiteln manch neue Erkenntnisse und überraschende Interpretationen. So im Fall Trumans, wenn er dessen „Theology of Containment“ als die „wahre“ Truman-Doktrin deutet, oder wenn er minutiös dessen Bemühungen um eine antikommunistische Allianz aller Religionen gegen den Kommunismus schildert. Truman habe den Kommunismus gefürchtet und verabscheut, „because it stood implacably opposed to religious faith so vital to him and to his country…It was an enemy…most fundamentally because it held atheism and materialism as cardinal tenets, and declared religion to be anathema“ (S. 156). Noch bemerkenswerter ist die kleine Studie über den republikanischen Senator Smith, welcher die „göttlichen Instruktionen“ seinem im Nachlass überlieferten „daily prayer journal“ (S. 190) anvertraute und daraus Handlungsanleitungen für sich und andere bezog.

Aber sind diese religiösen Bekenntnisse wirklich ernst zu nehmen? Oder handelte es sich nicht vielmehr um zynische Rhetorik? Immerhin überstieg die Zahl der Kirchenmitglieder in den USA Mitte der 1950er Jahre erstmals die 100-Millionen-Grenze, das heißt fast 61 Prozent der Amerikaner und Amerikanerinnen gehörten formell einer Kirche an – ein beachtliches Wählerpotential. Inboden greift solche Einwände zwar auf, lässt sie aber nicht gelten. Wohl räumt er ein, dass beispielsweise Truman durchaus auf innenpolitische Unterstützung gehofft habe, doch vermag er bei ihm keinen Unterschied zwischen „privaten“ und „öffentlichen“ Bekenntnissen zu entdecken: „The President seems to have held these convictions about the spiritual stakes of the Cold War as strongly in private as he did in public“ (S. 116). Noch überraschender ist freilich seine Ansicht, dass Senator Smiths „perception of himself as God’s messenger was more than mere hubris or self-delusion“, nämlich Ausdruck einer ernsthaften Suche nach göttlichem „Rat“ (S. 197).

Der Band bietet eine unkonventionelle Sicht auf den Kalten Krieg. Die Neubewertung der Rolle religiöser Faktoren ist auf jeden Fall bedenkenswert, auch wenn Inboden nicht nur im euphorischen Nachwort, in dem er den Sieg der Religionen über den atheistischen und materialistischen Kommunismus feiert, diese Rolle überbewertet. Die eigentliche Pointe, dass gerade nicht die von Truman und den anderen amerikanischen Kalten Kriegern erstrebte Einheit der Weltreligionen, sondern vielmehr ihre Unterschiedlichkeit und ihre Besonderheiten diesen Sieg ermöglichten, arbeitet er aber gut heraus.

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Die Rezension ist hervorgegangen aus der Kooperation mit dem Arbeitskreis Historische Friedens- und Konfliktforschung. (Redaktionelle Betreuung: Jan Hansen, Alexander Korb und Christoph Laucht) http://www.akhf.de/
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