F. Luciani: Slaves of the People

Cover
Titel
Slaves of the People. A Political and Social History of Roman Public Slavery


Autor(en)
Luciani, Franco
Reihe
Potsdamer Altertumswissenschaftliche Beiträge
Erschienen
Stuttgart 2022: Franz Steiner Verlag
Anzahl Seiten
489 S.
Preis
€ 80,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Oliver Schipp, Historisches Seminar, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

Wenn man sich gefragt hat, ob es möglich ist, die öffentliche Sklaverei für den Westen des Imperium Romanum auf der Grundlage der Inschriften in nur einem Band darzustellen, dann kann man dies nun mit der zu besprechenden Monographie von Franco Luciani bejahen. Das Werk beruht auf seiner Dissertation mit dem Titel „Public Slaves in Cisalpine Gaul“ an der Ca’ Foscari Universität in Venedig aus Jahre 2011. Mit Unterbrechungen arbeitete der Autor seither an dem deutlich erweiterten Band. Die 751 Inschriften der öffentlichen Sklaven in Rom und in den Städten der westlichen Provinzen werden als Katalog an die Ausarbeitung angefügt. Ein Stellenindex erleichtert die Auffindung bestimmter Inschriften, sodass der Band als Nachschlagewerk genutzt werden kann. Ergänzend muss allerdings der Band von Alexander Weiß herangezogen werden, der zwar die stadtrömischen Inschriften auslässt, dafür aber die Inschriften der öffentlichen Sklaven im Osten des Imperium Romanum bietet.1

In einer knappen Einleitung werden Forschungsstand und Untersuchungsziel angegeben. Der Fokus wird dazu auf den Nutzen der öffentlichen Sklaven gelegt, wobei die historische Entwicklung von der mittleren Republik bis in die Spätantike dargestellt wird. Luciani verfolgt hierbei einen integrativen Ansatz, der nicht weiter erläutert wird.

Im ersten Kapitel untersucht Luciani, was es bedeutete, ein öffentlicher Sklave („public slave“) zu sein. Da in der Überlieferung die öffentliche Sklaverei nicht beschrieben werde, müsse man sich einer Definition über literarische Quellen und städtische Inschriften annähern. Auf der Grundlage der lex Irnitana etwa ließen sich öffentliche Sklaven als den Bürgern in Rom oder den römischen Bewohnern in einer Kolonie oder einem municipium gehörig bestimmen, wobei die Bürger als überpersönlicher Herr („impersonal master“) fungierten. Hier hätte man noch eine vertiefte juristische Diskussion führen können, inwiefern die römischen Bewohner der Städte eine Körperschaft oder eine Institution bildeten, welcher die Sklaven dann gehörten; mithin wären die Fragen zu klären: Aufgrund welcher Gesetze geboten entweder Magistrate, Dekurionen oder römische Bürger über öffentliche Sklaven? Wer hatte das Recht zu deren Freilassung? Auch eine präzise Abgrenzung von den kaiserlichen Sklaven hätte man sich gewünscht.

Anhand dreier Kriterien spezifiziert Luciani schließlich die Eigenart und Besonderheit öffentlicher Sklaven: Sie seien Eigentum einer gut definierten Gruppe von Individuen, nämlich der Bewohner einer Stadt („people of a city“) gewesen, sie seien einer der Allgemeinheit nützlichen Tätigkeit nachgegangen und ihnen hätte in einem öffentlichen Akt die Freiheit geschenkt werden können, wobei sie den Gentilnamen Publicius/Poblicius erhielten. Für die Sklaven, die im Eigentum eines Vereins oder Kollegiums standen, stellt Luciani anhand der einschlägigen Digesten zu Recht fest, dass Kollegien das Recht auf gemeinsames Eigentum hatten und entsprechend auch über Sklaven und Freigelassene verfügen konnten. Diese waren dann Eigentum einer Teilöffentlichkeit und somit ähneln sie den öffentlichen Sklaven. Abschließend bestimmt Luciani an den Beispielen der Matrialies und Venerii den Unterschied zu den heiligen Sklaven (hierodouloi). Diese gehörten einer Kultgemeinschaft bzw. dem jeweiligen Gott. Eine solche Konstruktion sei dem römischen Recht allerdings fremd, sodass die Hierodoulen keine (teil)öffentlichen Sklaven gewesen seien.

Nach einer stringenten Darstellung der öffentlichen Sklaverei vom 6. Jahrhundert v.Chr. bis in die Spätantike im zweiten Kapitel behandelt Luciani in den folgenden Kapiteln die öffentlichen Sklaven und Freigelassenen in Rom und in den westlichen Städten. In chronologischer Ordnung wird der Staatsdienst in Rom nach Tätigkeitsbereichen aufgelistet. Sklaven waren demnach für die Magistrate und den Senat sowie für Priesterkollegien tätig und übernahmen infrastrukturelle Aufgaben im Archiv, der Bibliothek oder anderen Einrichtungen. In den Landstädten arbeiteten Sklaven vorwiegend für die örtlichen Magistrate und übernahmen infrastrukturelle Aufgaben, während die Kultgemeinden in den Provinzen von Sklaven unterstützt wurden. Der öffentliche Charakter der Sklaven im Dienste einer Kultgemeinde ist hierbei allerdings fraglich. Einzige Ausnahme ist der Dienst für den Kaiserkult, der immer öffentlichen Charakter hatte und im Staatskalender verzeichnet war. Luciani erzielt in diesen beiden Kapiteln eine differenzierte Betrachtung. Seine Gegenüberstellung der Tätigkeiten in Rom und den westlichen Landstädten wird die weitere Forschung zur Ausgestaltung der öffentlichen Verwaltung in der Kaiserzeit fördern. So arbeitet Luciani zum Beispiel heraus, dass in den Provinzstädten die Einsatzmöglichkeiten für Sklaven vielfältiger als in Rom gewesen seien. Dies hängt vermutlich mit der geringen Anzahl von freien römischen Bürgern in den Provinzstädten zusammen, hat aber sicherlich auch noch andere Gründe.

Im fünften Kapitel wird die Freilassung der öffentlichen Sklaven durch die jeweilige Gesellschaft behandelt. Die öffentlichen Sklaven hätten bei einer Freilassung gegenüber privaten Sklaven den Vorteil gehabt, dass sie nicht informell hätten freigelassen werden können. Die Freilassung führte immer zum Bürgerrecht der jeweiligen Stadt. Wenn die Gemeinde über das römische Bürgerrecht verfügte, war dies das römische Bürgerrecht, bei latinischen Städten entsprechend das latinische Bürgerrecht. Die Freigelassenen der Stadt hatten lediglich die üblichen Dienste und Verpflichtungen gegenüber ihrem Freilasser zu erbringen. Luciani erörtert diese für die Sklaven wichtige Frage am Beispiel lex Irnitana. Bei einer informellen Freilassung oder einer, die nicht gemäß der lex Aelia Sentia erfolgt sei, seien sie nur zu latini Iuniani geworden. Ihnen hätte dann das Recht ihr Vermögen zu vererben gefehlt. Diese Fragen werden jedoch nicht ausdiskutiert. Das Fazit, die liberti publici von Irni seien keine junianischen Latiner gewesen, trifft allerdings zu.

Die soziale Stellung der öffentlichen Sklaven in der jeweiligen Gesellschaft war entsprechend gut, wie im sechsten Kapitel zu Recht festgestellt wird. Die Aussicht auf eine zum vollen Bürgerrecht führende Freilassung war aber nur ein Punkt auf der Liste der Privilegien, die einen öffentlichen von einem privaten Sklaven unterschied. Die Attraktivität – wenn man so etwas von einem Sklavenstatus sagen darf – bestand ferner in der guten Versorgung und Ausstattung der einzelnen Sklaven mit Unterkunft, Ernährung und Kleidung. Öffentliche Sklaven fanden häufig Ehepartnerinnen unter den freien und freigelassenen Frauen, was von der Forschung als ein weiteres Privileg dieser sozialen Gruppe angesehen wird. Luciani verweist aber in diesem Zusammenhang richtigerweise darauf, dass solche Beziehungen nicht gerade selten waren.2 Er stellt ferner heraus, dass eheähnliche Verbindungen mit Freigelassenen häufiger vorkamen als mit Freigeborenen. Innerhalb der Stadtgesellschaft hätten sich einige Sklaven, etwa im Finanzsektor oder im Dienst für einen Verein oder ein Kollegium, durchaus mit reichen Freigelassenen vergleichen können. Er gibt ferner zu bedenken, dass einige Tätigkeiten von öffentlichen Sklaven kein hohes Ansehen genossen und diese Sklaven nicht über die finanziellen Mittel für einen sozialen Aufstieg verfügten.

Luciani kommt dann auch in einer abschließenden, kurzen Zusammenfassung zu einem ambivalenten Urteil über die öffentliche Sklaverei. Einerseits hätten die servi publici zu einer besonderen Gruppe gehört, andererseits hätten sie sich vor allem aufgrund ihres Rechtsstatus, weniger durch ihren sozialen Status hervorgehoben. Damit stellt er sich gegen die bisherige Forschung, die für die öffentlichen Sklaven und Freigelassenen eine hohe Stellung in der Hierarchie der jeweiligen lokalen Gesellschaft annimmt.

Der Forschung liegt nun ein deutlich erweiterter Katalog der Inschriften von öffentlichen Sklaven und Freigelassenen im Westen des Römischen Reiches vor. Die Besprechung der einzelnen Aufgabenbereiche macht den Großteil der Untersuchung aus. Es ist verständlich, dass angesichts der Fülle des Materials die Diskussion der einzelnen Aufgaben sehr knapp geführt wird. Dass aber Themen wie die Freilassung und die soziale Stellung der öffentlichen Sklaven nicht ausführlicher behandelt und nach dem Schema traditionelle Forschung versus moderner Ansatz ohne nuancierte Zwischenmeinungen diskutiert werden, trübt ein wenig den guten Gesamteindruck. Das Verdienst, das zahlreiche und heterogene Material gesichtet, sortiert und kommentiert zu haben, gebührt dem Autor. Der Band wird als Grundlage jeder weiteren Diskussion zum Thema der öffentlichen Sklaverei im Westen des Imperium Romanum dienen.

Anmerkungen:
1 Alexander Weiß, Sklave der Stadt. Untersuchung zur öffentlichen Sklaverei in den Städten des Römischen Reiches, Stuttgart 2004.
2 Vgl. die Beispiele von Marcel Simonis, Cum servis nullum est conubium. Untersuchungen zu den eheähnlichen Verbindungen von Sklaven im westlichen Mittelmeerraum des Römischen Reiches, Hildesheim 2017.

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