Die Bedeutung der römisch-persischen Beziehungen für das Imperium Romanum hat in den letzten Jahrzehnten die althistorische Forschung veranlasst, ihre Aufmerksamkeit verstärkt auf den östlichen Nachbarn des Römischen Reiches zu richten. Die Althistorikerin Karin Mosig-Walburg hat neben ihrer Dissertation zu den frühen sasanidischen Königen als Förderer der zarathustischen Religion (Münster 1981) zahlreiche Artikel zu dieser Thematik mit dem Schwerpunkt auf der Geschichte Persiens und der römisch-persischen Beziehungen im 3. und 4. Jahrhundert veröffentlicht, so dass sie zweifellos als Expertin auf diesem Gebiet gelten kann. In der hier zu besprechenden Studie über die „Römer und Perser“ in dieser Epoche, eine stark gekürzte Version ihrer im Januar 2004 eingereichten Habilitationsschrift, behandelt Mosig-Walburg die außenpolitischen Beziehungen zwischen beiden Großmächten, ein Verhältnis, das „vornehmlich […] durch Kriege“ geprägt war (S. 11). Bei der Bearbeitung des in neun Kapitel aufgefächerten Themas setzt Mosig-Walburg zwei Schwerpunkte: Der erste, erstaunlich kurze Hauptteil (Kapitel 1) dient als Vorspann und behandelt die historischen Ereignisse von der Gründung des Sasanidenreiches im Jahr 224 bis zur Thronbesteigung Narsehs im Jahr 293. Im zweiten Hauptteil (die Kapitel zwei bis sieben) wird der Zeitraum zwischen 293 und dem Friedensvertrag von 363 zwischen Kaiser Jovian und dem sasanidischen Großkönig Šapuhr II. untersucht, diese Epoche bildet den eigentlichen Hauptgegenstand der Studie. Das neunte Kapitel fasst die Ergebnisse der in ihrer Gliederung nicht immer nachvollziehbaren Arbeit zusammen. Da der Blick der Autorin stets auf Persien gerichtet ist1, werden die politischen Ereignisse im Imperium Romanum leider nicht immer einer gründlichen Analyse unterzogen. Ebenso erscheint das Lektorat unzureichend: Manche inhaltliche Unstimmigkeiten, die wohl auf die vorgenommenen Kürzungen des Textes zurückzuführen sind, hätten gewiss vermieden werden können.2
Ziel dieser Studie ist es, zu einem besseren Verständnis der sasanidischen West- und römischen Ostpolitik zu gelangen (S. 15). Im Laufe ihrer Arbeit erörtert Mosig-Walburg zahlreiche Einzelfragen zu den Ereignissen in Armenien, zur Einschätzung des politischen Status Mesopotamiens im 3. Jahrhundert sowie zu den römisch-persischen Beziehungen zwischen dem Frieden von Nisibis im Jahr 298 und dem Ausbruch des nächsten Krieges gegen Ende der 330er-Jahre. Ein zentrales Problem ist dabei die Beurteilung des Friedensvertrages von 298 – also die Frage, ob er von den Persern als repressiv empfunden wurde und daher als Grund für den Ausbruch des Krieges im 4. Jahrhundert angesehen werden kann (S. 13). All diese Probleme werden leider nicht unter einer übergeordneten Fragestellung vereinigt, so dass beim Leser eher der Eindruck von unverbundenen Einzelstudien bleibt. Die Schwierigkeiten bei der Rekonstruktion der historischen Ereignisse liegen für Mosig-Walburg „in Quantität und Qualität der Quellen“ sowie „in mangelnder Quellenkritik“ seitens der modernen Autoren: Diese formulierten laut Mosig-Walburg zumeist nur Hypothesen, „die jeglicher Quellenbasis entbehren“ (S. 14). Diese apodiktische Wertung steht indes im Widerspruch zu ihrem eigenen methodischen Vorgehen, das selbstverständlich nicht gänzlich auf Hypothesen verzichten kann.3 In der Einleitung übt Mosig-Walburg eine recht pauschale Kritik an der „modernen Forschung“, ohne allerdings den aktuellen Forschungsstand detailliert darzustellen und auf einzelne Positionen konkret einzugehen.4 Erst im Laufe der Arbeit wird diese Kritik der Autorin durch den Rekurs auf einzelne, oftmals überholte bzw. vom Forscher selbst revidierte Positionen konkretisiert.5
Das erste Kapitel (S. 19–61) behandelt zunächst die Ereignisse im Osten des Römischen Reiches und in den Transtigritanischen Gebieten, danach die Rolle Armeniens in den römisch-persischen Auseinandersetzungen und den politischen Status des Königreiches bis zum Friedenvertrag von 298 (S. 61–88).6 In Mosig-Walburgs Erörterung der Anfänge der sasanidischen Außenpolitik unter dem Dynastiegründer Ardaxšir I. bleibt ihr pauschales Urteil, die Forschung akzeptiere die Berichte des Cassius Dio und des Herodian7 über die angebliche Einforderung des Achäimenidenerbes „bedingungslos“ (S. 19), sehr problematisch: Dies ist heute eben nicht mehr der Fall, wie die differenzierte Auseinandersetzung mit den Quellen und die nuancenreiche Argumentation, die sich etwa in den neueren Arbeiten von Huyse und Wiesehöfer finden, eindeutig zeigt.8 Im Anschluss an die Untersuchungen von Kettenhofen vertritt Mosig-Walburg die These, Armenien sei nach einer kurzen Phase der Unabhängigkeit (zwischen 244 und 251) ab 251 unter persische Herrschaft gelangt (S. 81). Mit dem Titel „Großkönig von Armenien“ habe Narseh bis zu seiner Inthronisierung als Perserkönig das Land regiert.9
Im zweiten Kapitel wird der Krieg zwischen Narseh und Diocletian und der Friedensvertrag des Jahres 298 (S. 91–148) behandelt, während eine Bewertung der Friedensbedingungen erst im dritten Kapitel (S. 149–157) erfolgt. Mosig-Walburg untersucht detailliert die Umstände von Narsehs Machtübernahme in Persien10, die Hintergründe der Tetrarchie werden hingegen kaum besprochen. Ohne eine gründliche Analyse der römischen Quellen und ohne die Heranziehung einschlägiger Forschungsarbeiten zur ideologischen Grundlage des tetrarchischen Systems ist jedoch Mosig-Walburgs Versuch, einen Vergleich zwischen tetrarchischer und sasanidischer Herrschaftsideologie hinsichtlich einer Verbindung zwischen „Thron und Altar“ zu ziehen, nur schwer nachzuvollziehen.11 Dies gilt auch für die Behauptung, dass Diocletian mit der Gründung dieser neuen Herrschaftsform „die Voraussetzungen für eine aggressive Außenpolitik schaffen wollte“ (S. 101), um die Provinz Mesopotamia zu restituieren (S. 110). Bei der Bewertung des Friedens stellt die Autorin fest, die Vertragsklauseln seien für die Perser so hart ausgefallen, dass eine Fortsetzung des Krieges im 4. Jahrhundert nicht zu vermeiden gewesen sei, wobei Mosig-Walburg dazu keine sasanidische Quellen, sondern nur die westliche Überlieferung heranziehen kann (S. 153).
Bei der Bewertung der römisch-persischen Beziehungen in den drei Jahrzehnten zwischen 298 und dem erneuten Ausbruch des Krieges im 4. Jahrhundert (S. 157–191) unterscheidet Mosig-Walburg nach einer ausführliche Quellenanalyse zwischen einer positiven und einer negativen Einschätzung dieser Verhältnisse und plädiert gegen die gängige Forschungsmeinung für eine friedliche Haltung beider Großmächte (S. 188). Paradigmatisch für die mitunter von Abschweifungen geprägte Vorgehensweise der Autorin ist der ausführliche Exkurs (S. 168–176) zum Manichäeredikt Diocletians12, das sie in das Jahr 302 (statt 297) datiert. Dieser Text wird als Beispiel einer negativen Bewertung der römisch-persischen Beziehungen nach 298 herangezogen, wobei Sestons These einer Verwicklung der Manichäer als eine „fünfte Kolonne“ der Perser in den ägyptischen Aufstand ab 296 ausführlich diskutiert wird. Nach Mosig-Walburg sei diese These „längst als falsch erkannt worden“, es sei daher bedauerlich, dass diese Vorstellung für einige Wissenschaftler „offensichtlich eine so große Attraktivität“ besitze, „dass man ihr […] weiterhin Geltung zuerkennen möchte“ (S. 173, vgl. auch S. 175).13
Das fünfte Kapitel (S. 193–265) behandelt sehr ausführlich den Anfang des römisch-persischen Krieges im 4. Jahrhundert, wobei auch die Stellung Armeniens erneut besprochen wird (S. 240–252). Constantins Neuordnung der Herrschaftsorganisation und Verstärkung der Ostgrenze sollte, gegen die Position „christlich motivierter Constantin-Begeisterung der modernen Autoren“ (S. 205), nicht als eine römische Kampfansage an die Perser, sondern als Schutzmaßnahme verstanden werden, wobei die Autorin selbst einräumt, dass ihre Thesen keine Quellenbasis besitzen (S. 238). Der römisch-persische Krieg im 4. Jahrhundert ging von den Persern aus und wurde von Šapuhr II. lange vorbereitet. Nachdem im Jahr 337 der status quo ante als Kompromiss vereinbart wurde, so Mosig-Walburgs Fazit, habe Armenien erneut als politisch selbstständiges Land zwischen beiden Großreichen bestanden (S. 266). Die nächsten drei Kapitel behandeln in überschaubarem Umfang die Rolle der Religion in Constantins und Constantius’ II. Perserpolitik (Kapitel 6, S. 267–281), die Mosig-Walburg bereits in mehreren Aufsätzen sehr schlüssig und überzeugend analysiert hat, den Perserfeldzug Kaiser Julians (Kapitel 7, S. 283–304) und schließlich den Friedensvertrag des Jahres 363 (Kapitel 8, S. 305–320). Im letzten Kapitel (S. 325–333) gibt Mosig-Walburg schließlich einen Überblick über die Ereignisgeschichte, in deren Kontext sie die zahlreichen unterschiedlichen Ergebnisse ihrer Studien einordnet.
Ohne Frage stellte das Thema dieser Untersuchung für jeden Forscher eine große Herausforderung dar – sowohl wegen des problematischen mehrsprachigen Quellenmaterials als auch wegen des breiten zeitlichen und politischen Rahmens. Dass sich Mosig-Walburg dieser Aufgabe gestellt und zahlreiche Fragen detailliert erörtert hat, ist daher sehr zu begrüßen. Das Hauptziel ihrer Untersuchung, ein besseres Verständnis des römisch-persischen Verhältnisses zwischen 298 und 363 zu vermitteln, scheint die Autorin in der Flut der behandelten Einzelprobleme allerdings bisweilen aus den Augen verloren zu haben. Dennoch stellt diese Studie einen weiteren wichtigen Beitrag zur Geschichte der römisch-persischen Beziehungen im 3. und 4. Jahrhundert dar.
Anmerkungen:
1 Dies wird bereits aus den Überschriften der einzelnen Kapitel und den jeweiligen Ausgangspunkten deutlich.
2 Zudem sind auch einige Querverweise in den Fußnoten nicht mit einer genaueren Kapitel- oder Seitenangabe versehen, so dass nicht immer deutlich ist, worauf sie sich beziehen, vgl. z.B. S. 23, Anm. 36; S. 97, Anm. 411.
3 Vgl. etwa S. 15: es „… konnte auf Hypothesen nicht völlig verzichtet werden.“ Solche finden sich dann an vielen Stellen, vgl. etwa S. 20, wo Mosig-Walburg ohne Quellenangabe als sichere Tatsache darstellt, dass die Sasaniden dauerhaft das römische Mesopotamien erobern wollten.
4 Einen sehr guten Überblick über den aktuellen Forschungsstand – obgleich mit dem Schwerpunkt auf dem 6. Jahrhundert – bietet die Studie von Henning Börm, Prokop und die Perser, Stuttgart 2007.
5 So z.B. gegen Thesen von Engelbert Winter, Die sasanidisch-römischen Friedensverträge des 3. Jahrhunderts n. Chr., Frankfurt am Main u.a. 1988. Vieles hatte bereits 1990 Erich Kettenhofen in seiner Rezension (Bibliotheca Orientalis 47, 1990, Sp. 163–178) widerlegt.
6 Für das 3. Jahrhundert ist nun unbedingt hinzuweisen auf Klaus-Peter Johne (Hrsg.), Die Zeit der Soldatenkaiser. Krise und Transformation des Römischen Reiches im 3. Jahrhundert n. Chr. (235–284), Berlin 2008. Dieses Handbuch konnte Mosig-Walburg wahrscheinlich wegen zeitlicher Überschneidung der Drucklegung nicht mehr heranziehen.
7 Zu verweisen ist nicht nur auf die Studie von Géza Alföldy (Zeitgeschichte und Krisenempfindung bei Herodian, in: Hermes 99, 1971, S. 429–449), sondern auch auf Martin Zimmermann, Kaiser und Ereignis. Studien zum Geschichtswerk Herodians, München 1999.
8 Vgl. Philip Huyse, La revendication de territoires achéménides par les Sassanides: une réalité historique?, in: ders. (Hrsg.), Iran. Questions et connaissances, Bd. 1, Leuven 2002, S. 297–311; Josef Wiesehöfer, Das Reich der Sasaniden, in: Johne, Soldatenkaiser, S. 531–569; vgl. auch Erich Kettenhofen, Die Einforderung der achaimenidischen Territorien durch die Sasaniden – eine Bilanz, in: Susanne Kurz (Hrsg.), Yādnāme-ye Iradj Khalifeh-Soltani. FS Iradj Khalifeh-Soltani, Aachen 2002, S. 49–75.
9 Erich Kettenhofen, Tirdād und die Inschrift von Paikuli, Wiesbaden 1995, und ders., Die Arsakiden in den Armenischen Quellen, in: Josef Wiesehöfer (Hrsg.), Das Partherreich und seine Zeugnisse, Stuttgart 1998, S. 325–349.
10 Vgl. Wiesehöfers Äußerung zur Narsehs Thronfolge: Narseh, Diokletian, Manichäer und Christen, in: Arafa Mustafa/ Jürgen Tubach (Hrsg.), Inkulturation des Christentums im Sasanidenreich, Wiesbaden 2007, S. 161–169, hier S. 162.
11 Die Studie von Frank Kolb (Diocletian und die Erste Tetrarchie, Berlin 1987) wird nur über die Verweise von Josef Wiesehöfer (Narseh, 164, Anm. 19) und von Hartwin Brandt (Geschichte der römischen Kaiserzeit, Berlin 1998, S. 63f.) zitiert (S. 97 Anm. 410 u. 411).
12 Mosaicarum et Romanarum Legum Collatio 15, 3 (FIRA II 580f.).
13 Vgl. William Seston, Echtheit und Datierung des diokletianischen Edikts gegen die Manichäer, in: Geo Widengren (Hrsg.), Der Manichäismus, Darmstadt 1977, S. 374–384, hier S. 380f.