T. Kaufmann: Zur christlichen Wahrnehmung „türkischer Religion“

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Titel
„Türckenbüchlein“. Zur christlichen Wahrnehmung „türkischer Religion“ in Spätmittelalter und Reformation


Autor(en)
Kaufmann, Thomas
Reihe
Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte 97
Erschienen
Göttingen 2008: Vandenhoeck & Ruprecht
Anzahl Seiten
299 S.
Preis
€ 59,90
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Ludolf Pelizaeus, Institut für Geschichte, Karl-Franzens-Universität Graz

Die von dem Göttinger evangelischen Theologen Thomas Kaufmann vorgelegte Studie beschäftigt sich mit der Rezeption der „türkischen Religion“ im deutschsprachigen Raum vornehmlich im Zeitalter der Reformation. Es geht dem Autor dabei, wie er gleich auf der ersten Seite ausführt, „lediglich darum, darzustellen, welche Bilder die christlichen Autoren vom Türken zeichneten, […] was sie unter seiner Religion verstanden“. Dabei dominiert aber deutlich der protestantische zeitgenössische Blick, denn der Autor selbst betont seine protestantische Sicht und seine Möglichkeit, „in protestantischer Unbefangenheit und ohne besondere Exkulpierung“ die Analyse vornehmen zu können. Ob man, wie der Autor, von einer „liberal protestantischen Reflexions- und Religionskultur“ gerade auch in steter Entgegensetzung zum Diskurs von Papst Benedikt XVI. sprechen sollte, scheint dem Rezensenten jedoch fraglich.

Das Werk gliedert sich in acht Hauptkapitel von insgesamt 66 Seiten, einen umfangreichen Bildteil von 33 Seiten und schließlich den sehr umfassenden Anmerkungsapparat von 130 Seiten. Damit ist auch schon die Vorgehensweise charakterisiert: Der darstellende Teil konzentriert sich auf die Hauptaussagen („um den Hauptgedanken tetisch knapp zu halten und den Haupttext […] zu entlasten“ – S. 7), der von einem sehr kenntnisreichen und viel Literatur umfassenden Anmerkungsteil begleitet wird. Aufgrund der damit gegebenen Kürze des Haupttextes kann man die wichtigen Punkte schnell erfassen.

Einleitend wird der Stand der Diskussion über das Wie und Warum der Konstruktion des „Anderen“ ausführlich erläutert. In der folgenden Darstellung finden sich dann vier Schwerpunkte nach den methodologischen Vorüberlegungen, nämlich einmal die Darstellung der „Türkischen Religion“ (Kapitel III und IV), die „Türkisierung“ des konfessionellen Gegners (Kapitel V und VI), der eschatologische Hintergrund (Kapitel VII) und schließlich die Beleuchtung der Epochenfragen (Kapitel VIII). Es wird deutlich, wie häufig gerade die Protestanten zunächst besonders vorreformatorische Texte über die Türken heranzogen, um so den Vorwurf, sie hätten die christliche Einheitsfront zerstört, zu entkräften. Sein Ziel, nämlich die „Fortdauer von Feindbildern offen zu legen“ und für „christliche Islambilder der Vormoderne zu sensibilisieren“, erreicht Kaufmann mit seiner Darstellung sehr deutlich. Dabei wird freilich auch hier die protestantische Perspektive stark gemacht. Bei der Beleuchtung der Türkisierung des Gegners (S. 44-56) wird knapp eine Seite der katholischen, dafür aber zwölf Seiten den verschiedenen protestantischen Sichten eingeräumt. Zudem bringt die Konzentration allein auf den deutschen Raum es mit sich, dass das Phänomen der Türkisierung des Gegners in nicht konfessionellen Zusammenhängen – sei es die „Türkisierung“ der Burgunder, die Claudius Sieber-Lehmann analysiert hat1, oder die „Türkisierung“ der indigenen Bevölkerung in Amerika2 – ausgeblendet bleibt. Sehr gründlich stellt der Autor hingegen abschließend die gerade für die Protestanten wichtige eschatologische Komponente und die zentralen Epochenfragen im Zusammenhang mit der Türkenproblematik dar.

Kaufmann ist es ist gelungen, ein sehr interessantes Werk vorzulegen, das freilich streckenweise mit Fremdwörtern überfrachtet ist. Der Autor stellt in diesem Buch ein breites Spektrum von Berichten und Sichten vor. Die Analyse bezieht sich dabei, ohne dass dies im Titel deutlich würde, ganz überwiegend auf die deutschsprachige protestantische Sicht im Zusammenhang mit der Reformation. Die vielen Hinweise auf weiterführende Literatur, die gekonnte Analyse wichtiger Autoren und der umfangreiche Bildteil lassen das Werk zu einem wichtigen Beitrag für die Gesamtthematik werden.

Anmerkungen:
1 Claudius Sieber-Lehmann, Spätmittelalterlicher Nationalismus. Die Burgunderkriege am Oberrhein und in der Eidgenossenschaft, Göttingen 1995.
2 Ludolf Pelizaeus, Der Kolonialismus. Geschichte der europäischen Expansion, Wiesbaden 2008, S. 52-62.

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