Die aus der experimentellen Psychologie des 19. Jahrhunderts hervorgegangene industrielle Psychotechnik ist zwischen wissenschaftlicher Psychologie und betriebswirtschaftlicher Arbeitswissenschaft zu verorten. Sie erfuhr zwischen 1919 und 1926 ihre Hochzeit, um anschließend rasch wieder aus den Unternehmen zu verschwinden. Damit entwickelte sie sich parallel zum Taylorismus, zu dem sie durch Betonung des menschlichen Geistes und seiner Potentiale zugleich im Gegensatz stand: Während es Taylor ausschließlich um die Ökonomisierung menschlicher Arbeit ging, verfolgte die Psychotechnik das Ziel einer Personalauswahl über Eignungstests, um so Nachteile für Arbeitgeber wie Arbeitnehmer zu vermeiden. Durch ihre industrielle Verwertung bei Bewerberauswahl, Mitarbeiterschulung, Gestaltung von Arbeitsabläufen und Arbeitsplätzen unterlag sie jedoch technisch-ökonomischen Einflüssen und geriet damit zunehmend in einen Widerspruch zwischen theoretischer Begründung und praktischer Anwendung.
Anhand von Beispielen aus der Großindustrie will Katja Patzel-Mattern in ihrer von der Universität Konstanz angenommenen Habilitationsschrift den sozio-ökonomischen Kontext offenlegen, in dem die Psychotechnik industrielle Anwendung fand, will klären, "welchen Beitrag sie zur Modernisierung der Unternehmen in der Weimarer Republik leistete" und inwiefern sie auf die industrial relations einwirkte. Patzel-Mattern geht – vor einem "rasanten Niedergang" – von einer "kometenhaften" Entwicklung der Psychotechnik aus, worauf 16 psychotechnische Lehrstühle bzw. Institute, zahlreiche Fachzeitschriften und anderweitige Publikationen sowie 105 Betriebsprüfstellen vornehmlich in der Großindustrie hindeuteten: "Sie ist, und das gilt für die akademische Disziplin wie für die industrielle Praxis, eine Leitwissenschaft in den frühen Weimarer Jahren" (S. 26). Die Analyse selbst zeigt jedoch, dass es "nur wenige" Unternehmen gab, die beispielsweise bei Einstellungen systematisch auf Eignungsprüfungen zurückgriffen (S. 197). Außerdem konnten sich männliche Arbeiterschaft und Angestellte erfolgreich psychotechnischen Tests entziehen, so dass Arbeiterinnen "die bevorzugte Versuchsgruppe bei der Erprobung und Implementation sowohl von Testverfahren als auch […] von Arbeitsplatzuntersuchungen" wurden (S. 203). Abgesehen davon, dass Patzel-Mattern hierin gar keinen Grund für das Scheitern der industriellen Psychotechnik zu suchen scheint (immerhin waren sich etablierende "Frauentätigkeiten" in der Industrie unter männlichen Angestellten bald verpönt), scheint die These von der Leitwissenschaft doch etwas überzogen.
Patzel-Mattern spricht der Psychotechnik die primäre Funktion als Normierungsinstrument ab, sie sieht in ihr vielmehr ein Element einer sich modernisierenden, auf rationalen Kriterien basierenden, Transparenz und Ausgleich zwischen den Gruppen suchenden Unternehmensphilosophie. Mit Hilfe "der" (nicht: einer!) "Theorie der Unternehmenskultur" will Patzel-Mattern deshalb "die sozialisatorischen, modernisierenden, ausgleichenden und damit stabilisierenden Funktionen der angewandten Psychotechnik in Unternehmen" (S. 29) analysieren. Ausgangspunkt dafür ist die These, die demokratische Grundordnung Weimars habe patriarchalische Führungsmodelle "nachdrücklich in Frage" gestellt (S. 29), während internationaler Wettbewerb, Fachkräftemangel und starke Fluktuation einen erheblichen Modernisierungsdruck in Unternehmen ausgelöst hätten. Erst im Kontext tiefgreifender gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Verunsicherung liege insofern der Erfolg der Psychotechnik begründet. Wenn sie dennoch gescheitert sei, so einmal, weil sie die Transaktionskosten in den Betrieben nicht reduzierte. Zum anderen sei sie durch ihren Fokus auf technisch-körperliche Anforderungen sowie technische Fähigkeiten und Fertigkeiten in Gegensatz zu ihren eigenen Ansprüchen geraten und habe sich dadurch, vor allem aber weil sich ihr Potential angeblich nicht habe evaluieren lassen, als ineffizienter institutioneller Handlungsrahmen erwiesen.
Insgesamt gelingt es Patzel-Mattern jedoch nicht überzeugend, diese im einleitenden Kapitel dargelegten Hypothesen zu verifizieren. So stehen viele der in Kapitel 5 zusammengetragenen Ergebnisse dazu im Widerspruch, und nicht selten lassen sich diese Schlüsse auch nicht aus der rund 200 Seiten umfassenden Analyse herleiten. Unter anderem stilisiert Patzel-Mattern die Psychotechnik "zu einem Managementinstrument bei der Durchsetzung anonymer Führungsstrukturen", das das Handlungsrisiko im Bereich der Personalführung reduziert habe. Diese Annahme basiert jedoch nur auf der Beschreibung von Erwartungen, Zielen und Intentionen der Unternehmen (S. 256f.), nicht auf praktischen Ergebnissen.
Am problematischsten dürften wohl die Schlüsse sein, die Patzel-Mattern aus ihrer Analyse der Personalauswahl zieht. In Teilen der von ihr untersuchten Unternehmen wurde versucht, die Auswahl, Einstellung und Beurteilung von Lehrlingen mit Hilfe psychotechnischer Verfahren zu objektivieren. Damit wären zugleich entsprechende Entscheidungsbefugnisse vom Werkmeister auf intersubjektiv überprüfbare Gutachter übergegangen, das patriarchalische System der Bevorzugung von Nachkommen bereits im Werk tätiger Arbeiter wäre ersetzt worden. Allerdings hielt beispielsweise neben Krupp auch Siemens trotz psychotechnischer Tests an der Bevorzugung von Söhnen verdienter Mitarbeiter fest. Warum gerade das der psychotechnischen Abteilung "den Nachweis ihrer Erfolge [erschwerte], da diese [Arbeiter] durch ein Übergehen der psychotechnischen Einstellungsempfehlungen rechnerisch besonders schwer zu fassen" waren (S. 115), bleibt unverständlich. Gerade die Beobachtung zweier unterschiedlicher Probandengruppen hätte das doch ermöglichen müssen und das "Mischverfahren" hätte die industriellen Psychotechniker nicht, wie Patzel-Mattern meint, davon abhalten dürfen, "ihre eigenen Erfolge zu evaluieren" (S. 264f.). Auch anderes mehr verweist auf eine wenig professionalisierte Wissenschaft, die methodisch noch in den Kinderschuhen steckte.
Spätestens hier wäre ein Bezug zur allgemeinen Wissenschaftsgeschichte sinnvoll gewesen, der durchgehend ebenso fehlt wie die Einbettung der Analyse in einen breiteren wirtschafts- und sozialhistorischen Kontext. Scheiterte die industrielle Psychotechnik, wie Patzel-Mattern meint, tatsächlich an ihrer Flexibilität und Vielseitigkeit, die zur Beliebigkeit wurde, oder weil sich eine Disziplin mit unzulänglichem methodischem Instrumentarium zu etablieren versuchte – noch dazu in Großunternehmen, die nicht selten über umfassenderes Know-how über Arbeits- und Zeitstudien verfügt haben dürften? Parallele Entwicklungen hat es immerhin bei dem Versuch, die Betriebswirtschaftslehre als Wissenschaft zu etablieren, gegeben. Während strukturelle Vergleiche ebenso fehlen, ist die Studie in vielen Teilen personen- und faktenzentriert, was zumindest einer Begründung bedurft hätte.
Vor allem aber stellt sich die Frage – und das ist das eigentliche Manko der Studie –, ob es genügt, nicht nach Branchen differenzierte und sehr unterschiedliche Beispiele aus der Großindustrie zur Darstellung allgemeiner Tendenzen heranzuziehen. So ist gerade durch die Arbeitszeitfrage auch für die Weimarer Zeit hinreichend bekannt, dass Carl Zeiss Jena mit seinen Präzisionsanforderungen eine Vorreiterrolle bei der Arbeitszeitverkürzung spielte. Für dieses Unternehmen bedeutete die industrielle Psychotechnik also ein maßgeschneidertes Instrumentarium; und tatsächlich kam gerade Zeiss laut Patzel-Mattern bei der Entwicklung von Eignungstests eine innovative Funktion zu. Bei Krupp lag der Fall völlig anders. Deshalb kann Patzel-Mattern auch nicht überzeugend darlegen, inwiefern die industrielle Psychotechnik eine "Vermittlerrolle" zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern im zunächst revolutionär aufgeheizten, dann restaurativen Klima einnehmen konnte. Und gerade für die frühe Weimarer Zeit ist Patzel-Mattern die Inflation nicht einmal einer Erwähnung wert. In einer Zeit, in der Hugo Stinnes Unternehmen kaufte wie andere Leute ihr tägliches Brot, soll mit der industriellen Psychotechnik "neues Wissen über Stellenwert und Stellung des Menschen im Produktionsprozess gewonnen" worden sein, "das sich eignete, gesellschaftlichen Ausgleich herbeizuführen und industrielle Strukturen zu reformieren" (S. 260)? All das mag unbestritten Intention der industriellen Psychotechnik gewesen sein, auch dürfte sich dieses Ziel in den zeitgenössischen fachwissenschaftlichen Publikationen wiederfinden. Ob dieser Anspruch in den 1920er-Jahren eingelöst werden konnte, bleibt jedoch äußerst fraglich, da von einem wissenschaftlichen Programm nicht auf dessen Umsetzung geschlossen werden kann.
Patzel-Mattern erlag offensichtlich der "bruchstückhaften", vielfach zufälligen und heterogenen archivalischen Überlieferung in Unternehmen der deutschen Großindustrie (zum Beispiel Osram, AEG, Borsig, Siemens, Carl Zeiss Jena), die sie auf umfangreiche zeitgenössische (Fach-) Publikationen zurückgreifen ließ. Erschwerend kommt hinzu, dass von einem spezifischen Forschungsstand industrieller Psychotechnik – und damit einem potenziellen Korrektiv – nicht wirklich gesprochen werden kann, da unternehmenshistorische Studien diese bisher ausschließlich im Kontext der allgemeinen Rationalisierungsbewegung abhandeln. Ob eine solche Quellen- und Literaturbasis Schlüsse wie jenen vom deutschen "Sonderweg" erlaubt, der bei der Rationalisierung den Menschen in den Mittelpunkt und die Psychotechnik in Gegensatz zum Taylorismus stellte, darf jedenfalls bezweifelt werden. Summa summarum wollen sich die teilweise nicht nachvollziehbaren Ergebnisse zu diesem hoch interessanten Thema nicht so recht in die gesicherte Forschungslage einpassen lassen.