Cover
Titel
The Navies of Rome.


Autor(en)
Pitassi, Michael
Erschienen
Woodbridge 2009: Boydell & Brewer
Anzahl Seiten
XXVII, 348 S.
Preis
£ 45,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Jorit Wintjes, Institut für Geschichte, Julius-Maximilians-Universität Würzburg

Mit seinem Buch über „The Navies of Rome“ möchte Michael Pitassi nicht nur eine monographische Auseinandersetzung mit einzelnen Aspekten römischer Marineeinheiten vorlegen; vielmehr bietet er einen Gesamtüberblick über die Kriegsgeschichte Roms, bei der maritimen Gesichtspunkten diejenige Bedeutung eingeräumt wird, die ihnen nach Auffassung des Autors zukommen. So entsteht eine schwerpunktmäßig ereignisgeschichtliche Darstellung, die Auseinandersetzung mit struktur- oder technikgeschichtlichen Aspekten findet dagegen zumeist in Form von kleineren Exkursen oder in vom eigentlichen Haupttext separierten Textfeldern statt.

Insgesamt geht Pitassi streng chronologisch vor und behandelt in neun Kapiteln den Zeitraum von der Gründung Roms bis zum Ende des Westreiches. Das erste Kapitel (S. 1–41) nimmt dabei die Königszeit sowie die Ausdehnung des römischen Herrschaftsraumes bis zum Beginn des Ersten Punischen Krieges in den Blick. Pitassi arbeitet dabei deutlich heraus, welche Bedeutung römischen Marineeinheiten bereits vor den Auseinandersetzungen mit Karthago zukam. Die beiden anschließenden Kapitel behandeln dann den Ersten (S. 43–81) sowie den Zweiten Punischen Krieg (S. 83–117), wobei Pitassi gerade bei letzterem mehrfach die Rolle des Seekrieges herausstellt. Das anschließende Kapitel (S. 119–149) fasst die umfangreichen Entwicklungen zwischen dem Ende des Zweiten Punischen Krieges und dem Tod des Marius zusammen, wobei die Darstellung im Vergleich zu den beiden vorausgehenden Abschnitten weniger detailreich ist. Hieran schließt sich ein Kapitel an, das vor allem den Seeräuberkrieg des Pompeius sowie den Bürgerkrieg zwischen Caesar und Pompeius in den Blick nimmt (S. 151–182).

Die in der Schlacht von Actium gipfelnde Auseinandersetzung zwischen Octavian und Antonius steht zusammen mit den Neuerungen des Augustus im Mittelpunkt des folgenden Kapitels (S. 183–218). Dort behandelt Pitassi auch die Organisation römischer Seestreitkräfte in der Kaiserzeit (S. 201–216), wobei der Blick insbesondere auf die in Misenum und Ravenna stationierten Einheiten fällt. Das anschließende Kapitel behandelt dann den frühen Prinzipat bis zum Ende des Vierkaiserjahres (S. 219–251); hier bilden die Landung des Claudius in Britannien sowie die Bürgerkriegsereignisse des Vierkaiserjahres einen Schwerpunkt der Darstellung, bevor im folgenden Kapitel (S. 253–283) der Zeitraum bis zum Beginn der Herrschaft Diokletians zusammengefasst wird. Das letzte Kapitel (S. 285–314) nimmt schließlich neben den Auswirkungen der diokletianischen und konstantinischen Reformen vor allem die Auseinandersetzung mit germanischen Seeräubern in den Blick. Die Darstellung endet im Jahr 476; hier wäre unter Umständen eine deutlichere Auseinandersetzung mit der Frage nach Einschnitten in der oströmischen Marinegeschichte, die für den Zeitraum vor 476 durchaus Erwähnung findet, sinnvoll gewesen. Auf die Darstellung folgen Appendices mit den Regierungsdaten römischer Könige und Kaiser (S. 315–317) sowie Übersichten über Ämter und Dienstgrade in Republik und Kaiserzeit (S. 318–319), Besatzungsstärken von Kriegsschiffen (S. 320–322), Ortsnamen (S. 323–327) und nautische Begriffe (S. 328–330). Eine Bibliographie sowie ein Index beschließen das Buch.

Der grundsätzliche Ansatz einer Geschichte Roms aus dediziert marinehistorischer Sicht ist es durchaus wert, Aufmerksamkeit zu bekommen, gerade auch im Rahmen eines an ein breiteres Publikum gerichteten Buches. Zwar ist dabei die Betonung der Bedeutung maritimer Aspekte nicht immer vollständig überzeugend1, doch gelingen durch die Konzentration auf die Marinegeschichte teilweise wertvolle Einzelbeobachtungen.2 Forschungskontroversen hingegen werden weitgehend ausgeblendet, was ebenso dem intendierten Publikum geschuldet sein dürfte wie die streng chronologische Durchführung, die in Verbindung mit dem Bemühen um eine ausgewogene Kapiteleinteilung zwar teilweise zu einer ungewöhnlichen Aufteilung und Anordnung des Materials führt, aber der Lesbarkeit durchaus zuträglich ist. Insgesamt liegt ein deutlicher Schwerpunkt auf der Marinegeschichte der Republik, der mit 218 Seiten erheblich breiterer Raum als der Kaiserzeit mit insgesamt lediglich 98 Seiten zugebilligt wird; so finden manche Ereignisse nur wenig Beachtung, die gerade aus marinehistorischer Hinsicht durchaus eine eingehendere Behandlung verdient hätten.3

Das Literaturverzeichnis ist schmal gehalten. Dabei mag das Fehlen einschlägiger Werke deutscher und französischer Sprache noch dem intendierten Publikum geschuldet sein4, auch wenn sich die verzeichnete Literatur nicht ausschließlich auf angelsächsische Titel beschränkt; dass aber auch grundlegende englischsprachige Arbeiten nicht wahrgenommen werden5, ist dann doch ein wenig verwunderlich. In gleicher Weise wirkt die Auswahl der herangezogenen Quellen auf den ersten Blick eher willkürlich und blendet insbesondere epigraphisches Material weitgehend aus. Schließlich weist das Buch eine Reihe sprachlicher Ungenauigkeiten auf, die vermutlich nicht dem Autor, sondern wohl eher dem Verlag anzulasten sind.6 Insgesamt bleibt so trotz des sinnvollen Ansatzes ein leicht eingetrübter Gesamteindruck zurück.

Anmerkungen:
1 Als Beispiel sei das Urteil erwähnt, im Zweiten Punischen Krieg sei die Kontrolle der Seewege von entscheidender Bedeutung gewesen, da so Hannibal vom Nachschub abgeschnitten worden sei (S. 114–115); diesem wird man in dieser zugespitzten Form kaum zustimmen können.
2 Erwähnenswert ist etwa die Darstellung des Einsatzes römischer Seestreitkräfte im Vierkaiserjahr (S. 244–248), der bei der Behandlung der Bürgerkriegsereignisse des Jahres 69 häufig wenig Beachtung findet.
3 Während die beiden Britannien-Unternehmungen Caesars auf rund drei Seiten diskutiert werden (S. 162–165), finden die Feldzüge des Germanicus, die sich insbesondere 16 n.Chr. auf einen intensiven Einsatz von Seestreitkräften stützten, nur in wenigen Zeilen Erwähnung (S. 221 zu den Feldzügen der Jahre 14 und 15 n.Chr., S. 222 zum Feldzug des Jahres 16).
4 Beispielsweise Dietmar Kienast, Untersuchungen zu den Kriegsflotten der römischen Kaiserzeit, Bonn 1966 oder Michel Reddé, Mare nostrum. Les infrastructures, le dispositif et l’histoire de la marine militaire sous l’Empire romain, Rome 1986.
5 Beispielsweise Herman T. Wallinga, The boarding bridge of the Romans, Groningen 1956, zum auf S. 57 besprochenen corvus oder David J. P. Mason, Britain and the Roman Navy, Stroud 2003 zur classis Britannica.
6 So finden sich sowohl im Text als auch im Index Fehlschreibungen wie etwa capitacensi (S. 22, 24 u.ö.), classis Misinensis (S. 203, 246, 253 u.ö.), oder classis Ravennate (S. 203, 222, 224 u.ö.).

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