Bücher zu den Kelten füllen inzwischen ganze Bibliotheken, und obwohl die wissenschaftliche Betrachtung dieser Volksgruppe eine lange Tradition hat, finden sich immer noch unbehandelte Themen. Das Grundproblem der Kelten-Forschung ist die Quellenlage: Die Zeugnisse stammen für die Antike fast ausschließlich aus der Feder griechischer und römischer Autoren und damit aus der Sicht der militärischen Gegner. Dass das durch diese entworfene Bild nicht ohne Wertung ist, wurde bereits mehrfach in der Forschung problematisiert; auch die Instrumentalisierung dieses Bildes in der Literatur wurde behandelt.1
Der Innsbrucker Archäologe Erich Kistler fokussiert in seiner Arbeit zur Indienstnahme der Kelten den Blick auf die Epoche des Hellenismus und vergleicht hier literarische und archäologisch-ikonographische Überlieferungen. Dass dieses Thema auch von aktueller Relevanz ist, zeigt der Autor bereits zu Beginn des Buches (S. 11–14). Weiterhin widmet sich das erste Kapitel dem wissenschaftlichen und methodischen Vorgehen, wobei Kistler betont, dass in seiner Arbeit „vom soziologischen oder kulturanthropologischen Problem zur historischen und archäologischen Quelle gedacht“ werde (S. 21). Kistler behandelt daher seine Frage ausgehend von fünf Leitthemen, die jeweils ein eigenständiges Kapitel bilden, und hat nicht den Anspruch, eine vollständige Übersicht zu allen Keltenbildern zu liefern (S. 22).
In den antiken Schriftquellen tauchen Kelten vor allem im militärischen Zusammenhang auf, und so erscheint es sinnvoll, dass Kistler sein zweites Kapitel der Keltomachie widmet. Beginnend mit einem Überblick zu den wichtigsten militärischen Ereignissen des gewählten Untersuchungszeitraums, an denen Kelten beteiligt waren, wendet sich der Autor den verschiedenen Darstellungen der Keltomachien zu. In diesem Zusammenhang werden die unterschiedlichen inschriftlich festgehaltenen Ehrungen regionaler und überregionaler „Retter“ erörtert, wobei zu Recht darauf hingewiesen wird, dass der Grad der Ehrung nicht immer im Verhältnis zur erbrachten Leistung stand (S. 42). Anschließend untersucht Kistler ausgewählte Beispiele für Keltomachien näher. Vergleichend werden hierbei auch literarische Belege herangezogen. Hervorzuheben ist Kistlers neuer Rekonstruktionsvorschlag zum „Kleinen Attalischen Weihegeschenk“ (S. 65–78).
Im dritten Kapitel vergleicht der Autor ausgehend von einem Diodor-Zitat die Darstellung von Kelten sowie Satyrn und Kentauren. Kistler kommt zu dem Schluss, dass die Basis dieser Beschreibung ein in spätarchaischer Zeit begründetes Bildchiffre sei. Zu Beginn des Kapitels behandelt Kistler die literarischen Belege, in denen das Aussehen der Kelten beschrieben wird, um anschließend verschiedene Beispiele der bildenden Kunst heranzuziehen und diese mit ausgewählten Satyrn- und Kentaurendarstellungen zu vergleichen, dabei werden die unterschiedlichen Darstellungsmuster von „Wildheit“ bzw. „Zivilisation“ verdeutlicht. Auch ein Seitenblick auf die Skythen-Darstellungen, vor allem in Hinblick auf Trunkenheit, fehlt an dieser Stelle nicht: Durch die Betrachtung der Skythen und ihrer (angeblichen) Trinkgewohnheiten zeigt der Autor deutlich die Ambivalenz auf, mit der die Griechen die Nordbarbaren betrachtet haben. Weiterhin werden in diesem Kapitel die antiken Keltenklischees thematisiert.
Die Dämonisierung der Kelten ausgehend von einem Pausanias-Zitat behandelt das vierte Kapitel. Kistler hält fest, dass selbst „über den früheren Erzfeind der Griechen, über die Perser, […] nichts annähernd Vergleichbares niedergeschrieben worden“ sei (S. 192). Die Kelten, so der Autor, seien aufgrund der Beschreibung von Nekrophilie und Anthropophagie mythologisiert worden (S. 193). Um diese These zu untermauern, thematisiert Kistler intensiv das antike Menschenfresserbild, beginnend mit Homers Beschreibung des Polyphem. Kistler zieht dabei eine deutliche Linie von der durch die Griechen real erlebten Grausamkeit (wie der Kopfjagd) zur nachträglich auf die Kelten projizierten Grausamkeit, weist aber auch auf gegensätzliche Auffassungen hin, die die Kelten als „edle Wilde“ vorstellen. Dass die Darstellungsmerkmale von Kelten und Giganten ähnlich waren, wird anschaulich anhand von Beispielen gezeigt.
Mit der Sicht auf plündernde Kelten befasst sich Kistler im fünften Kapitel. In der Bildenden Kunst werden die Plünderer stets für ihre Tat von höheren Mächten bestraft; der Autor thematisiert dieses Motiv im interkulturellen Vergleich seit den Etruskern. Kistler spricht dabei der Darstellung von Furien und anderer Dämonen als Motive eine große Bedeutung zu. Inwiefern dieses Motiv von antiken Autoren instrumentalisiert und rezipiert wurde, zeigt Kistler anhand des Brennos-Raubzuges in Griechenland im Jahr 280/279 v.Chr., der zur Plünderung Delphis führte. Dass aber auch Kelten selbst als Werkzeuge der Götter fungierten, wird anhand der Brennus-Geschichte mit der Schlacht an der Alia und der Plünderung Roms (387 v.Chr.) erörtert. Den Abschluss des Kapitels bilden „Drei Fallstudien zur Indienstnahme der Bild- und Denkfigur ‚Strafende Götter und Dämonen – bestrafende Kelten‘“ (S. 275). Hierzu gehört die Analyse der gesellschaftlichen Funktion der Schalenbilder aus Cales, der Tempelraubbestrafungsszenen auf etruskischen Plastiken sowie des von Augustus geweihten Apollontempels und der hier befindlichen Darstellung der Vernichtung keltischer Tempelräuber am Parnassos.
Im sechsten Kapitel beschäftigt sich der Autor schließlich mit Darstellungen, die die Kelten positiv bewerten. Hierzu gehört nicht nur eine Negierung der üblichen Topoi, sondern auch ein Vergleich mit mythologisch-archaischen Heroen. Einer genaueren Untersuchung unterzieht Kistler die „Keltengruppe Ludovisi“, wobei er ausführlich auch auf die Forschungsgeschichte dieser Statuengruppe eingeht, sowie den „Sterbenden Galater“. Doch auch die Rolle der Kelten in griechischen Genealogien wird behandelt. Im siebten Kapitel betrachtet Kistler schließlich die Sicht auf die Kelten im ptolemäischen Ägypten, wo man sich im Rahmen des ersten Syrischen Krieges keltischer Söldner entledigen musste, später aber wiederholt auf solche zurückgriff und diese sogar in die Gesellschaft integrierte. Kistler setzt mit der Ankunft der Söldner in Ägypten ein Fixdatum, mit dem die Funktionalisierung dieser Gruppe zur Vermittlung von Normen einsetzte. Der so klar definierte geographische und zeitliche Rahmen ermöglicht es Kistler, exemplarisch eine „Konfliktgeschichte“ aufzuzeigen. Dieses Kapitel soll, so der Autor, der Ersatz eines „generalisierenden Schlusswortes“ (S. 351) sein. Ein solches hätte dem Werk trotzdem nicht geschadet.
Eine umfangreiche Bibliographie, ein Quellen-, Personen- und Sachregister, ein Bildnachweis sowie die Tafeln runden das gelungene Werk ab. Kritik (weniger am Autor als am Verlag) muss am Umgang mit den Abbildungen geäußert werden: Die wichtigsten angesprochenen Abbildungen befinden sich in einem Abbildungsanhang, und der Autor bemüht sich um eine möglichst exakte Beschreibung. Doch hätte es die Arbeit mit dem Buch wesentlich vereinfacht, wenn die Abbildungen an den entsprechenden Stellen eingefügt worden wären, sind die dargestellten Objekte doch Hauptbestandteil der Argumentation. Dies fällt vor allem dann ins Gewicht, wenn der Autor verschiedene Objekte vergleicht (so etwa S. 330f.).
Zusammenfassend kann man feststellen, dass sich der Autor nicht vor schwierigem Material scheut, wobei er die ganze Breite altertumswissenschaftlicher Quellen heranzieht. Auf den ersten Blick wirken einige Exkurse oft sehr weit ausgeholt, zeugen aber insgesamt betrachtet von einer fundierten Kenntnis des für die Untersuchung relevanten Materials.
Anmerkung:
1 Erinnert werden soll hierbei u.a. an Bernhard Kremer, Das Bild der Kelten bis in augusteische Zeit, Stuttgart 1994.