O. Asbach u.a. (Hrsg.): War, the State and International Law

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Titel
War, the State and International Law in Seventeenth-century Europe.


Herausgeber
Asbach, Olaf; Schröder, Peter
Erschienen
Aldershot 2010: Ashgate
Anzahl Seiten
273 S.
Preis
£ 60,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Anuschka Tischer, Seminar für Neuere Geschichte und Frühe Neuzeit, Philipps-Universität Marburg

Die Kriegsintensität des 17. Jahrhunderts, sowohl ihre Ursachen als auch ihre Auswirkungen, ist ein Gegenstand, der die Frühneuzeitforschung intensiv beschäftigt. Dahinter steht nicht zuletzt die Aktualität dieser Epoche, die durch die politische Praxis, das Staatsrecht und das Völkerrecht den modernen Staat und das Staatensystem weltweit mit geprägt hat. Wie die Herausgeber des vorliegenden Bandes einleitend betonen, lässt sich die Aktualität des 17. Jahrhunderts nicht zuletzt daran ablesen, dass Politiker und Politikwissenschaftler mit – unter Historikern allerdings stark umstrittenen – Schlagworten wie „Westphalian order“ operieren. Die Umbrüche am Ende des 20. Jahrhunderts haben die Umbrüche der Frühen Neuzeit wieder stärker in den Blick gerückt: Die „neuen Kriege“ der Gegenwart verweisen zurück auf die Kriege in der Entwicklungsphase des modernen Staatensystems, einschließlich des Wiederauftauchens vermeintlich historischer Phänomene wie Piraten oder nichtstaatlichen Kriegsakteuren.

Der Band, der auf eine Tagung im Deutschen Historischen Institut London von 2008 zurückgeht, versammelt zum thematischen Konnex von Krieg, Staat und Völkerrecht 14 Artikel aus den unterschiedlichen Perspektiven verschiedener Methoden und/oder nationaler akademischer Traditionen. Namentlich einige neuere Ansätze und Ergebnisse der deutschen Forschung werden mit diesem Sammelband in die internationale englischsprachige Forschungsdiskussion eingebracht. Das Konzept des Bandes bringt es mit sich, dass sich die Beiträge trotz gleicher Themenfelder nicht unbedingt komplementär zueinander verhalten und gegebenenfalls sogar gegensätzliche Interpretationsansätze bieten. Gerade das macht den besonderen Reiz des Bandes aus, der so als Ganzes allerdings eine anspruchsvolle Lektüre darstellt.

Grundlegend stellt sich die Frage: Ist der moderne Staat aus sich heraus kriegstreibend? Oder haben umgekehrt die Kriege der Neuzeit den modernen Staat erst hervorgebracht? Dieser Frage widmen sich die völlig unterschiedlichen Erklärungsansätze von Johannes Burkhardt und Benno Teschke, welche gemeinsam den nach der Einleitung leitmotivischen zweiten Teil des Bandes bilden. Burkhardt bekräftigt seine bereits in zahlreichen deutschen Publikationen vertretene These, es handele sich bei den frühneuzeitlichen Kriegen um Staatenbildungskriege, mithin nicht um Kriege fertiger Staaten, sondern um Kriege, die gerade aus der Instabilität des noch unfertigen Staatensystems entstanden seien. Teschke unternimmt dagegen einen Forschungsüberblick über die lange, an Otto Hintze anknüpfende Tradition, einen Zusammenhang zwischen staatlichen Strukturen und neuzeitlichem Kriegswesen herauszuarbeiten. Vor der Konstruktion simplifizierender Kausalitätszusammenhänge allerdings warnt Teschke und kommt in einer elaborierten Analyse zu dem Ergebnis, dass eine angemessene Untersuchung aller Faktoren, die auf die frühneuzeitliche Kriegsentwicklung eingewirkt haben, noch ausstehe, da der Krieg viel stärker auch als ein gesamtgesellschaftliches Phänomen betrachtet werden müsse.

Der dritte Teil des Bandes widmet sich der frühneuzeitlichen Völkerrechtstheorie, die in vielem Vorläufer des modernen Völkerrechts wurde. Dabei machen die Beiträge allerdings deutlich, dass die frühneuzeitliche Völkerrechtslehre untrennbar mit der politischen Praxis und dem Weltbild, namentlich der christlichen Verankerung ihrer Zeit verbunden war. David Boucher weist darauf hin, dass das frühneuzeitliche Völkerrecht auch Mittel der Expansion war, und relativiert so die Vorstellung, es sei vor allem Motor einer universalen Verbreitung der Prinzipien von Vernunft und Freiheit gewesen. Boucher verdeutlicht dies an der Terra Nullius-Doktrin, mittels derer die indigene Bevölkerung Amerikas mit dem Argument, sie missachte ihren von der Natur – und damit von Gott – gegebenen Auftrag, das Land zu kultivieren, enteignet und aus der Völkerrechtsgemeinschaft ausgeschlossen wurde. Luc Foisneaus Analyse von Thomas Hobbes im Kontext seiner Zeit unterstreicht dies später in einem thematisch anderen Zusammenhang, indem er darauf hinweist, dass bereits die Setzung sogenannter Freundschaftslinien eine Universalität des Völkerrechts in der Frühen Neuzeit konterkarierte. Harald Kleinschmidt setzt das Schlagwort vom „Zeitalter des Grotius“ in Beziehung zu Krieg und Diplomatie dieses Zeitalters, namentlich zum Niederländischen Aufstand, und legt dar, dass das Völkerrecht des 16. und 17. Jahrhunderts eben nicht gleichsam überzeitlich identisch mit dem späterer Epochen ist. Peter Schröder unterstreicht zudem, dass wir es in der Frühen Neuzeit gar nicht mit einer schlüssigen Völkerrechtstheorie zu tun haben, sondern mit ganz unterschiedlichen Traditionen und Denkschulen, und er erläutert die – bis heute aktuelle – Problematik, universale Prinzipien mit der Idee der Souveränität zu vereinbaren. Als zentrales Problem des Völkerrechts kristallisiert sich in mehreren Beiträgen die Frage der Verbindlichkeit heraus, die in der Frühen Neuzeit nur durch den Rückbezug auf Gott gelöst werden konnte und ein säkulares Völkerrecht vor eine schwierige Aufgabe stellt. Auch ein gegenwartsbezogener sprachanalytischer und nicht mehr historisierender Ansatz zur Analyse der frühneuzeitlichen Völkerrechtslehre kann, wie Bertram Keller aufzeigt, dieses Problem nur verlagern, nicht aber lösen. Er sieht die Zukunft in einer weiteren Konstitutionalisierung des Völkerrechts.

Der vierte Teil des Bandes enthält Beiträge zur Rolle des Staates in den internationalen Beziehungen „from Machiavelli to Hobbes“, also im Lichte jener politischen Theoretiker, die für einen weitaus pessimistischeren Blick auf die Politik als die Völkerrechtstheoretiker ihrer Zeit stehen. Peter Nitschke beleuchtet diesen „realistischen“ (S. 155) Zugriff am Beispiel der neuen Idee der Staatsräson. Dabei betont er, dass der Begriff der internationalen Beziehungen für die Vormoderne nicht mit dem der Moderne gleichzusetzen ist, dass aber die dahinter stehenden Handlungsstrukturen durchaus vergleichbar seien. In diesem vierten Teil des Bandes rückt erneut die Frage nach dem Verhältnis des Staates zum Staatensystem in den Fokus. Der moderne Staat entstand erst in der Frühen Neuzeit und mit ihm das moderne Staatensystem, das aber mehr als die Summe seiner Teile ist. Mithin standen Politiker und politische Theoretiker der Epoche vor der Aufgabe, beides in Theorie und Praxis zu definieren und im Verhältnis zueinander zu bestimmen. Dabei arbeitet der bereits erwähnte Beitrag von Luc Foisneau – in kritischer Auseinandersetzung mit Carl Schmitt – Sicherheit als den Kernbegriff des Hobbesschen Denkens heraus. Ebenso wie Christine Chwaszcza, die Hobbes’ Souveränitäts-Begriff näher untersucht, kommt er zu dem Ergebnis, dass Hobbes’ Staatstheorie mit der Idee des Völkerrechts keineswegs unvereinbar sei.

Der fünfte Teil des Bandes nimmt schließlich konkret die Rolle des Staates im Krieg in den Blick: Christoph Kampmann betont, dass kriegführende Politiker im 17. Jahrhundert durchaus in ihrem Handeln auf den Frieden hin orientiert waren. Der Begriff des Friedens war freilich mit klaren Vorstellungen verbunden, es musste ein ehrenvoller Frieden sein, der den eigenen Ansprüchen genügte. Nicht mangelnder Verhandlungs- oder Friedenswille, so Kampmanns Fazit, beförderten die Kriegsintensität, sondern unterschiedliche Friedenskonzepte. David Saunders beleuchtet den Wandel der Politik Ludwigs XIV. in der Wahrnehmung Samuel Pufendorfs, ein Beispiel dafür, wie religiös-universale Ansprüche einer säkularen europäischen Ordnung auch in der Zeit nach dem Westfälischen Frieden weiterhin im Wege standen. Andrea Weindl thematisiert schließlich das bereits mehrfach angesprochene Verhältnis Europas zu den Ländern und Gebieten außerhalb Europas und kommt zu dem Ergebnis, dass gerade hier die kolonialen Interessen das Völkerrecht stärker beeinflussten als theoretische Diskussionen.

Olaf Asbach resümiert abschließend die Dialektik von Krieg und Frieden in der Neuzeit, eine Dialektik, welche die weitere Entwicklung der Staaten, des Staatensystems und des Völkerrechts bis hin zu einer globalen Institutionalisierung nicht aufgehoben haben. Das historische Beispiel zeigt bei genauer Betrachtung, dass in der Geschichte des Völkerrechts und der internationalen Beziehungen kein Anlass zu voreiligem Fortschrittsoptimismus besteht. Asbach fordert denn auch vor dem Hintergrund dieses Beispiels zur Offenlegung aller inhärenten Probleme und Widersprüche auf, die sich in der Gegenwart aus der globalen Durchsetzung von Demokratie, Frieden und Menschenrechten ergeben. Dieser kritische Blick auf die Gegenwart wird durch die Lektüre der Beiträge dieses Bandes ganz zweifellos geschärft.

Der Sammelband bietet somit eine komplexe, aber durchaus lohnende Lektüre mit hohem Aktualitätsbezug. Bedauerlich ist lediglich, dass die Diskussionen der Londoner Tagung nicht nachvollzogen werden können, denn die unterschiedlichen und nicht selten kontroversen Ansätze, die hier versammelt sind, legen die Vermutung nahe, dass es lebhafte Auseinandersetzungen gegeben haben dürfte. Umso mehr ist dem Band eine intensive Rezeption durch die internationale Forschung zu wünschen, da er zu einer fruchtbaren und aktuellen Forschungsdiskussion über Krieg, Staat und Völkerrecht entscheidend beiträgt.

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