F. Paschoud (Hrsg.): Histoire Auguste IV 3

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Titel
Histoire Auguste. Tome IV, 3e partie: Vies des Trente Tyrans et de Claude


Herausgeber
Paschoud, François
Reihe
Collection des universités de France. Série latine 400
Anzahl Seiten
XLV, 367 S.
Preis
€ 60,00
Rezensiert für H-Soz-Kult von
Klaus-Peter Johne, Institut für Geschichtswissenschaften, Humboldt-Universität zu Berlin

François Paschoud gehört seit mehr als 40 Jahren zu den besten Kennern der spätantiken Historiographie. Im Mittelpunkt seiner Forschungen standen vor allem das Werk des Zosimos und die Kaiserbiographien der Historia Augusta. Im Rahmen der Collection Budé hat er die „Neue Geschichte“ des Zosimos in fünf Teilen von 1971 bis 1989, von der Historia Augusta die Viten des Aurelianus und Tacitus 1996 sowie diejenigen von Probus bis Numerianus im Jahre 2001 herausgegeben.1 Der vorliegende Band steht in enger Verbindung zu den beiden anderen Teilen der „Kaisergeschichte“. Waren in ihnen die unter dem Namen Flavius Vopiscus laufenden Lebensbeschreibungen der Herrscher zwischen 270 und 285 behandelt worden, geht es nunmehr um die Sammelbiographie von Usurpatoren aus der Mitte des 3. Jahrhunderts und um die Vita des von 268 bis 270 regierenden Kaisers Claudius Gothicus, beide sind angeblich von Trebellius Pollio verfasst. Dessen Name wird als eine Erfindung betrachtet, angeregt durch die bei Cicero und Plutarch vorkommenden Volkstribunen Asinius Pollio und L. Trebellius Fides.

Der Aufbau des Bandes folgt dem bewährten Schema dieser Collection: An eine allgemeine Einführung schließt sich ein Vorwort zu der jeweiligen Biographie an, die im lateinischen Text und der französischen Übersetzung präsentiert wird, gefolgt von einem umfangreichen Kommentar, der beide Male das Mehrfache von Text und Übersetzung umfasst. Die Einführung informiert über die Quellensituation und die moderne Forschung. In der Verfasser- und Datierungsfrage geht Paschoud von einem Autor aus, der am Ende des 4. Jahrhunderts geschrieben hat.

Der Titel der Sammelbiographie Tyranni triginta ist eine Anspielung auf das Regime der 30 Oligarchen in Athen im Jahre 404 v.Chr. Dabei werden die verschiedenen Bedeutungen des Wortes tyrannus – Gewaltherrscher und Gegenkaiser – vermengt. Obwohl auf die griechischen Gewaltherrscher angespielt wird, werden die römischen Usurpatoren keineswegs als solche, sondern überwiegend positiv dargestellt – im Gegensatz zu dem völlig verzeichneten Kaiser Gallienus (253–268). Aus der literarisch gesuchten Parallele ergab sich für den Biographen jedoch ein Problem: Es gab nämlich unter Gallienus keineswegs 30 Gegenkaiser. Um auf diese Zahl zu kommen, musste der angebliche Trebellius Pollio frühere oder spätere Usurpatoren dazu rechnen, weitere Personen so bezeichnen, obwohl sie es nicht waren, und schließlich überhaupt tyranni erfinden. Von den – mit zwei „Usurpatorinnen“ – 32 Gegenkaisern der Vita haben nur sieben tatsächlich gegen Gallienus rebelliert. Die sachlichen Informationen wurden dem Werk des Dexippos und der sogenannten Enmannschen Kaisergeschichte entnommen, die auch Aurelius Victor und Eutrop als Vorlage diente.

Der kritische Apparat des dem Vorwort folgenden Textes ist teilweise weit ausführlicher als in der Standardausgabe von Ernst Hohl in der Bibliotheca Teubneriana. Das Herzstück des Bandes ist der jeweilige historische Kommentar, in dem die einzelnen Passagen der Biographien unter Heranziehung aller Parallelquellen sowie der älteren und der neueren Forschungsliteratur minutiös behandelt werden. Die Kommentierung der Usurpatorenviten ist damit ein unentbehrliches Hilfsmittel für das Verständnis des Gallischen Sonderreiches, des Palmyrenischen Teilreiches und der anderen Gegenkaiser vor allem im Donauraum. Von besonderem Interesse sind erfundene Partien. Bei dem fiktiven Censorinus stimmt Paschoud der vor Jahrzehnten vom Rezensenten geäußerten Vermutung zu, in der Laufbahn dieses Usurpators sei ein cursus honorum spätrömischer Aristokraten nach der Mitte des 4. Jahrhunderts versteckt.2

Die im zweiten Teil des Werkes vorgestellte Biographie des Claudius Gothicus trägt weithin die Züge eines rhetorisch aufgeputzten Panegyricus auf den vermeintlichen Stammvater der Konstantinischen Dynastie. Die wenigen substantiellen Nachrichten sind wiederum vor allem aus Dexippos entnommen. Für die Erhellung der Geschichte dieses Kaisers ist der Kommentar dennoch von erheblichem Wert, weil auch in ihm die Parallelüberlieferung aufgearbeitet worden ist. Zwei Indices beschließen den für die Beschäftigung mit der Zeit der Soldatenkaiser ungemein nützlichen Band.

Anmerkungen:
1 François Paschoud (Hrsg.), Zosime, Histoire nouvelle, Bd. 1: Livres I et II, Paris 1971 (Nouvelle édition, Paris 2000; mit vollständig überarbeiteter Einleitung); Bd. 2, 1: Livre III, Paris 1979; Bd. 2, 2: Livre IV, Paris 1979; Bd. 3, 1: Livre V, Paris 1986; Bd. 3, 2: Livre VI. Index, Paris 1989 (2. Aufl., Paris 2003). Vgl. auch die gesammelten Studien des Autors in François Paschoud, Eunape, Olympiodore, Zosime. Scripta minora, Bari 2006. François Paschoud (Hrsg.), Histoire Auguste, Bd. 5, 1: Vies d’Aurélien et de Tacite, Paris 1996; Bd. 5, 2: Vies de Probus, Firmus, Saturnin, Proculus et Bonose, Carus, Numérien et Carin, Paris 2001.
2 Klaus-Peter Johne, Die Biographie des Gegenkaisers Censorinus. Ein Beitrag zur sozialen Herkunft der Historia Augusta, in: Bonner Historia-Augusta-Colloquium 1972/74 (1976), S. 131–142 (Neudruck: ders., Kaiser, Konsuln und Kolonen. Studien zu Kaiserzeit und Spätantike, hrsg. v. Udo Hartmann, Hamburg 2007, S. 251–262).

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